Schöner Erfolg oder Augenwischerei?
Roland Dantz, wie man ihn kennt: Immer im Sturmschritt unterwegs zum nächsten Termin. Eine wichtige Weggefährtin ist ihm dabei jedoch abhanden gekommen.
Die Kamenzer Oberbürgermeisterwahl ist von den Zahlen her eine klare Sache. Doch hinter den Kulissen brodelt es.
Kamenz. Roland Dantz bleibt Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Kamenz. Mit einem auf den ersten Blick überwältigenden Ergebnis – 94,6 Prozent der abgegebenen Stimmen – ist der parteilose Einzelkandidat und bisherige Amtsinhaber erneut gewählt worden. Im selben „Aufwasch“ befürworteten die Kamenzer Wähler auch die Eingemeindung der bisher selbstständigen Gemeinde Schönteichen: Hierfür stimmten 78,5 Prozent, was durchaus als Bestätigung und Zustimmung für den OB gewertet werden kann, der sich mehrfach öffentlich für diesen Schritt ausgesprochen hatte.
Allerdings fällt ein Wermutstropfen in den Freudenbecher: Die Wahlbeteiligung lag bei gerade einmal knapp 30 Prozent. Marion Junge, die Vorsitzende der Stadtratsfraktion Die Linke, hat dazu eine ganz eigene Interpretation: „Der Mehrheit der Kamenzerinnen und Kamenzer war es anscheinend egal, wer die nächsten sieben Jahre im Rathaus regiert und ob wir nun mit Schönteichen fusionieren. Der Oberbürgermeister wurde von 3284 Stimmberechtigten wiedergewählt. Das sind jedoch 2461 Einwohner/innen weniger als 2011. Damals lag die Wahlbeteiligung bei 58,7 Prozent. Über diese Entwicklung der viel zu geringen Bürgerbeteiligung sollten wir uns alle Gedanken machen!“ Und hinsichtlich der Eingemeindung von Schönteichen fragt sie sich: „Gerade einmal 23,3 Prozent der stimmberechtigten Kamenzer/innen haben sich für die Eingliederung von Schönteichen nach Kamenz entschieden. Wird die Eingliederung wirklich von der Mehrheit in Kamenz getragen?“ Eine anscheinend berechtigte Frage, da das Mindestquorum von 25 Prozent der stimmberechtigten Stadtbürger verfehlt wurde. Dies hat zur Folge, dass der Bürgerentscheid keine rechtlich bindende Wirkung entfaltet. Der alte und neue OB sieht das Votum dennoch als Auftrag, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen und den Stadtrat am 2. Oktober über die Eingemeindung entscheiden zu lassen.
Da kein Gegenkandidat angetreten war, hatten die Kamenzer die Möglichkeit, eigene Vorschläge auf den Stimmzettel zu schreiben. Davon machten 186 Wähler Gebrauch.
30 Mal erschien auf diese Weise der Name Marion Junge auf dem Zettel, womit die Linken-Politikerin eine Quote von knapp einem Prozent erreichte – ohne kandidiert zu haben. Wahlsieger Roland Dantz sieht seinerseits keinen Grund, in das „Gestöhne über die vermeintlich niedrige Wahlbeteiligung“ einzustimmen: „Wir wissen doch alle, dass die Leute vor allem dann kommen, wenn sie unzufrieden sind. Es war schon lange im Vorfeld absehbar, dass es keine anderen Kandidaten geben würde. Vor diesem Hintergrund bin ich sehr zufrieden und glücklich über dieses schöne Ergebnis.“ Und weiter: „Frau Junge hatte sich offen gegen meine Kandidatur gestellt. Das Wahlergebnis zeigt sehr eindeutig, welche Haltung die Kamenzer Wähler unterstützen.“
Dantz vs. Junge, Junge vs. Dantz: Wie konnte es dazu kommen, dass diese beiden Politiker, die man einstmals durchaus als Verbündete bezeichnen konnte, sich so weit voneinander entfernt haben? Erste öffentlich wahrnehmbare Anzeichen für die Distanzierung gab es im Januar, als die Linken-Fraktionschefin im Stadtrat, die gleichzeitig auch Landtagsabgeordnete ist, in ihrem Blog schrieb: „’Doch die im Dunkeln sieht man nicht’, sang schon Mackie Messer. Dagegen sieht jedermann Roland Dantz und erlebt nur ihn als Schöpfer des gefeierten Erfolgs. An dieser Illusion leidet er offenbar mitunter selber. Das befördert autoritäre, wenn auch gut gemeinte Entscheidungen, die aber Initiativen zum Wohle der Stadt einschränken und bessere Ideen behindern.“
Das Fass zum Überlaufen brachten – nach einem längeren Prozess der Entfremdung und, laut Marion Junge, der „Nicht-Kommunikation des OB mit seiner Stellvertreterin“ – die Vorberatungen für den Verkauf des Barmherzigkeitsstiftes, des früheren Kamenzer Krankenhauses, an die in Bautzen ansässige Hentschke Bau GmbH. Sie veranlassten Marion Junge, vom Amt des stellvertretenden Oberbürgermeisters zurückzutreten.
Deren Geschäftsführer Jörg Drews wird von Vertretern der Linken und der Grünen im Bautzener Stadtrat vorgeworfen, rechtspopulistischen Strömungen nahe zu stehen und diesen öffentliche Podien zu bieten. Genau dies wollte Marion Junge im Kamenzer Stadtrat thematisieren und hat damit aus Sicht von Roland Dantz „eine rote Linie überschritten. Ich empfinde den gestellten Antrag, die Gesinnung eines Unternehmers zu überprüfen, als unsäglich und sehe es als meine Pflicht an, die Meinungs-, Gedanken- und Gewissensfreiheit zu verteidigen.“ Er, so Dantz, fühle sich linken Ideen und Werten nach wie vor verbunden, jedoch: „Die Linke sollte sich am Riemen reißen, die Gesellschaft zusammenzubringen und nicht zu spalten. Diesen Diskurs muss Frau Junge aushalten.“
Marion Junge hingegen sieht sich vom Oberbürgermeister gemobbt und diffamiert: „Mir wurden Stasi-Methoden und Investorenfeindlichkeit unterstellt, ohne dass überhaupt auf den Inhalt des Antrags eingegangen wurde. Trotz politischer Meinungsverschiedenheiten und Kritik erwarte ich Achtung, Wertschätzung und offene Gespräche auf Augenhöhe. Mein Anliegen ist es seit 1990, mich im Sinne der Stadt Kamenz zu engagieren und auch unbequeme Fragen zu stellen. Die Auseinandersetzungen und Vorwürfe im Ältestenrat haben mir zum wiederholten Mal gezeigt, dass Herr Dantz seine Position als Oberbürgermeister ausnutzt und mit unfairen Mitteln unbequeme Fragen oder Anträge nicht zulässt“, erklärt sie.