Schuldnerberatung: Je eher desto besser!
Marina Biller ist im Projekt „SosoSchu” – kurz für „Sozialräumliche soziale Schuldnerberatung“ – sowohl als Schuldnerberaterin als auch Projektleiterin tätig. Foto: privat
Die Diakonie Löbau-Zittau am Standort Fröbelstraße 5 in Ebersbach-Neugersdorf berät im Rahmen der „Sozialräumlichen sozialen Schuldnerberatung für Seniorinnen und Senioren“ ihre „Klienten“ kostenlos nach Terminvergabe in der Häuslichkeit oder an anderen auserwählten Orten.
Ebersbach-Neugersdorf. Marina Biller ist im Projekt „SosoSchu” – kurz für „Sozialräumliche soziale Schuldnerberatung“ – sowohl als Schuldnerberaterin als auch Projektleiterin tätig: „Bei unserem Klientel handelt es sich überwiegend um Senioren und Ratsuchende aus allen Gesellschaftsschichten.“ Und sie gibt dazu gleich einen detaillierten Einblick: „Bei unseren Klienten hatten wir eine maximale Überschuldungshöhe von 70.000 Euro, wobei es sich in diesem Fall um Senioren handelte, die betrogen worden sind. Im Durchschnitt sind es 5.000 bis 10.000 Euro. Manche Senioren waren jedoch gar nicht verschuldet, sondern benötigten Unterstützung, um ihren Haushalt zu optimieren, weil sie merkten, dass das Geld am Ende des Monats sehr knapp wurde.“
Menschliche Verzweiflung hat die Kommunikationspsychologin und Gerontologin, letzteres heißt Alterswissenschaftlerin, vor allem dann erlebt, wenn es kein Geld mehr für Essen gab, das heißt, wenn es an die Existenz geht oder wenn das eigene Haus oder das langersparte Auto gepfändet werden soll. Das trifft vor allem Menschen, die unverschuldet in diese Situation, zum Beispiel durch Erkrankung oder auch Betrug, gekommen sind. „Schulden haben bedeutet oft auch schlaflose Nächte und eine enorme psychische Belastung.
Insbesondere bei älteren Menschen, die sonst immer ihren Verpflichtungen nachkommen konnten und für die, die Schuldenproblematik sehr mit Scham verbunden ist. Diese Schicksale gehen einem dann schon nah. Wir haben als Diakonie Löbau-Zittau aber Möglichkeiten, den Menschen in großer Not kurzfristig zu helfen, zum Beispiel durch Geld aus einem Notfonds für Essen, wenn Menschen gar nichts mehr haben“, betont sie.
„Oftmals können wir aber auch den Leidensdruck minimieren, einen Konto-Pfändungsschutz einrichten und zur Kirchenbezirkssozialarbeit vermitteln, die dann weitere Hilfen organisiert“, sagt sie. Ein ganz aktuelles Thema seien die Energieschulden durch gestiegene Energiekosten. Bei vielen Klienten spielt zudem ein dauerhaftes Niedrigeinkommen eine Rolle. Dadurch hatten einige Menschen bereits in der Vergangenheit Schulden. Dann werden laut ihren Erfahrungen diese Schulden hin- und hergeschoben, schlechte Kredite aufgenommen oder noch schlimmer Kreditkarten genutzt, wobei die Zinsen so hoch sind, dass ein Abzahlen eigentlich nicht möglich ist. „Und so geraten Betroffene in eine Schuldenspirale, die teilweise Jahrzehnte anhält“, sagt sie.
Und sie fährt fort: „Wie bereits erwähnt, sind bei uns in der Beratung auch Menschen, die Opfer von Betrug sind, sei es durch Gewinnversprechen oder auch durch den Kauf von überteuerten Büchern und der damit verbundenen Kreditvermittlung. Hier gibt es seitens des Gesetzgebers einen ungenügenden Verbraucherschutz, weshalb wir als Schuldnerberatungsstelle die Klienten auch dabei unterstützen, Beschwerde bei der Bankaufsicht (BAFIN) einzulegen. Aber oft tragen verschiedene Faktoren in Kombination zur Situation bei: Erkrankung und die damit verbundene Isolation, Einsamkeit, die mit Bestellungen und Lottospielen kompensiert wird, Überforderung und auch Gutgläubigkeit.“
Und welche Wege kann Marina Biller ihren Klienten aufzeigen, um aus den Schulden wieder herauszukommen? „Die ersten Fragen sind immer, ob die Zahlungen von Miete und Strom gesichert sind. Das sind Themen, die sofort geregelt werden müssen, um drohende Obdachlosigkeit zu vermeiden und den alltäglichen Lebensstandard zu sichern. Danach stellen wir gemeinsam einen Haushaltsplan auf und schauen, ob wir zusätzliche Gelder, wie zum Beispiel Wohngeld oder Hilfe zur Pflege, beantragen können. Wir schauen, welche Ausgaben die bereits belastete finanzielle Situation unnötig erschweren, kündigen zum Beispiel mit Einverständnis der Ratsuchenden Lotto-Mitgliedschaften. Danach unterstützen wir beim Sortieren der Unterlagen und prüfen die Forderungen auf ihre Rechtmäßigkeit“, antwortet sie. Manche Forderungen seien bereits verjährt, würden aber dennoch von Inkassofirmen eingetrieben werden, weil sie aufgrund der Unwissenheit der Menschen immer wieder Erfolg haben. „Wenn wir uns einen Überblick verschafft haben, erläutern wir den Ratsuchenden mögliche Wege in ein schuldenfreies Leben. Wir verhandeln gegebenenfalls mit den Gläubigern, bitten um Erlass, wenn es bei Menschen keine Aussicht auf pfändbare Einnahmen gibt, handeln Vergleiche aus, um die Schuldenlast zu reduzieren und unterstützen bei der Einrichtung des Pfändungsschutzes. Letzteres dient der Absicherung der Existenz, da nach der Umwandlung des normalen Girokontos in ein Pfändungsschutzkonto mindestens 1.500 Euro im Monat vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt sind.“
Ein schuldenfreies Leben zu erreichen, ist laut Marina Biller nicht für jeden Ratsuchenden möglich, vor allem dann, wenn gar kein Geld zur Verfügung steht und die Betroffenen am Rande des Existenzminimums leben: „Hier erklären wir, wie man mit bereits vorhandenen Schulden leben kann, ohne neue Schulden zu machen. Das Bestellen von Waren, bei denen man von vornherein weiß, dass man diese aufgrund der eigenen Zahlungsunfähigkeit nicht bezahlen kann, ist strafbar. Auch darüber klären wir auf. Eine Möglichkeit, einen Neuanfang zu beginnen, ist die Verbraucherinsolvenz. Wenn dies nach der Prüfung aller Unterlagen sinnvoll ist und man sich als Schuldner an die Regeln des dreijährigen Insolvenzverfahrens hält, ist eine Restschuldbefreiung möglich.“ Die Schuldenregulierung bzw. die Schuldnerberatung sei jedoch auch eng an die Mitarbeit und an die Motivation der Ratsuchenden geknüpft und hängt ebenso mit anderen Faktoren zusammen. „Daher müssen wir immer über den Tellerrand schauen und auch Nebenschauplätze bearbeiten, die zur Überschuldung geführt haben. Innerhalb der Diakonie Löbau-Zittau ist für uns die Kirchenbezirkssozialarbeit der erste Ansprechpartner, an die wir unsere Klienten weitervermitteln. Außerdem vermitteln wir an folgende Netzwerkpartner, mit denen wir gut zusammenarbeiten: Die Nachbarschaftshelfer des Lebens(t)räume e.V. sorgen für weniger Einsamkeit. Die Energieberater des Projektes ,Stromspar-Check’ in unserer Region helfen, den Energieverbrauch zu senken.“
Nochmals Marina Biller: „Das Schöne an unserer Arbeit ist, dass wir einerseits wirklich etwas bewirken können, andererseits sind die Menschen auch sehr dankbar für die Unterstützung. Es ist wichtig, dass wir uns die Zeit für die Probleme und Sorgen nehmen und zuhören, denn nur so können wir effektiv und ganzheitlich beraten.“ Dabei hilft ihr auch ihr fachlicher Hintergrund als Gerontologin und ihre langjährige Berufserfahrung in der Altenhilfe: „Ich kenne die Sorgen und Nöte, die in der Lebensphase immer wieder auftreten. Ich schaue mir auch mal ein Pflegegutachten an und empfehle, bei Fehlern einen Überprüfungsantrag zu stellen.“
Marina Biller rät abschließend: „Scheuen Sie sich nicht, eine Beratung in Anspruch zu nehmen. Unsere Beratung ist kostenlos und steht allen zur Verfügung. Je eher desto besser! Bitte beachten Sie, dass wir nur mit Terminvergabe beraten können, da wir aufsuchend arbeiten. “
Der Kontakt zu Marina Biller erfolgt unter Telefon (03586) 3 69 00 68, unter der Mobilfunknummer 0151 / 42037716 sowie per E-Mail sb.senioren@dwlz.de.