Seit 28 Jahren Exoten bei der Straßenbahn Görlitz
Der Düwag-Sonderfahrten-Triebwagen im Dezember 2017 am Südausgang des Bahnhofs. Foto: Dirk Uloth
Görlitz. Schon kurz nach dem Mauerfall und der sogenannten Wende wurden die ostdeutschen Straßen mit Fahrzeugen aller Art, besonders aber mit PKW aus westlicher Produktion geradezu überschwemmt. Schon bald war klar, dass viele davon nur noch Schrottwert besaßen. In einigen Städten tauchten aber auch gebrauchte Straßenbahnen „Made in Western Germany“ auf, die zum Teil sogar heute noch im Einsatz sind. Als im Dezember 1994 ein Mannheimer Gelenktriebwagen der Duewag-Bauart GT6 (Duewag = Düsseldorfer Waggonfabrik AG) auf den Görlitzer Straßen fuhr, sorgte das für ungeteilte Aufmerksamkeit. Ab Mitte 1995 war er im Linienverkehr eingesetzt, zwei weitere Wagen folgten. Sie blieben an der Neiße aber immer Einzelgänger.
Gerade in der Adventszeit war die Fahrt mit dem Hopfenexpress bei Weihnachtsstollen ein großer Spaß. Foto: Till Scholtz-Knobloch
Die Straßenbahn in Mannheim erhielt ab 1958 Duewag- Gelenkwagen GT6 aus Düsseldorf in einer immerhin 124 Stück umfassenden Serie. Ab 1970 wurden noch einmal 20 Triebwagen der verbesserten Version vom Typ Mannheim beschafft, diesem Los entstammen die drei Görlitzer Bahnen. Manche der alten GT6 wurden später zu achtachsigen GT 8 umgebaut und auch verbesserte GT8 beschafft. GT bedeutet immer Gelenktriebwagen, die Ziffer verweist auf die Anzahl der Achsen.
Heute ist nur noch ein Triebwagen (Nr. 322) vorhanden, er wurde im Jahre 2000 zum Partywagen umgebaut. Als „Hopfenexpress“ ist er zu besonderen Anlässen unterwegs, über der dunkelblauen Grundlackierung sind Görlitzer Sehenswürdigkeiten abgebildet. So ist er nun auch Dank seiner untypischen Inneneinrichtung endgültig zum Exoten geworden. Die beiden anderen gingen 2003 den Weg des alten Eisens.
Seit 1951 wurden vom Düsseldorfer Waggonbau verschiedene Serien vierachsiger Großraumwagen hergestellt, ab 1956 kamen sechs- und achtachsige Gelenkwagen hinzu. Damit wurden zahlreiche Straßenbahnbetriebe vor allem in Westdeutschland beliefert, einzelne Modelle aber auch in Lizenz nachgebaut. Die Modelle stehen stellvertretend für die Straßenbahnentwicklung in Westdeutschland nach dem Kriegsende 1945. Sie folgten der Idee der Einheitsstraßenbahnwagen. Nach diesem Credo sollte es nur noch relativ wenige Typen geben, die modifiziert aber bei vielen Betrieben eingesetzt werden konnten. Vor dem Krieg gab es noch eine Unzahl von Lieferbeziehungen zwischen Strababetrieben und Herstellern in der Region, was meist sehr kleine Serien zur Folge hatte. In der ehemaligen DDR können die LOWA-, Gotha- und Rekowagen dieser Entwicklung zugeordnet werden, wobei nach Görlitz nur zweiachsige Trieb- und Beiwagen kamen, nicht aber die vierachseigen Gelenk- und Großraumwagen.
Andere Duewag-Fahrzeuge gingen auf ostdeutscher Seite auch nach Brandenburg/Havel, Gotha mit Thüringerwaldbahn, Jena und Schöneiche, sie verkehren ebenfalls teilweise noch heute. Immer handelt es sich dabei aber um etwas anders aufgebaute ältere Triebwagen, teilweise achtachsig oder Zweirichtungswagen. Die modernste und freundlichste Frontgestaltung haben die Görlitzer Wagen (gehabt).
Noch ist die Zukunft des Hopfenexpress’ unklar
Die weltweit ersten Einheitsstraßenbahnen wurden übrigens um 1930 für Nordamerika entwickelt, dort setzte man schon damals nur noch auf Drehgestellfahrzeuge. Amerika war vor 100 Jahren einmal das Straßenbahnland schlechthin. Namhafte Kraftfahrzeughersteller wie General Motors (GM) sorgten aber durch Aufkauf und provozierten Ruin zum Niedergang der meisten städtischen und Überlandnetze. Die sogenannten PCC-Wagen gelangten durch Nachkriegslizenzen nach Europa. Darunter ab 1967 auch in großen Stückzahlen in Form der tschechischen Tatra- Bahnen in die DDR. Aber ebenso gehen die Duewag-Bahnen in einigen Details wie Fahrzeugaufbau und Frontgestaltung auf diese Entwicklung zurück.
In Görlitz muss der Duewag-Hopfenexpress derzeit übrigens auf neue Einsätze warten. Wohl angesichts des anhaltenden Maskenzwangs in Bahnen sind Ausflugsfahrten derzeit einfach unattraktiv.
Auf Anfrage der Redaktion teilt GVB-Pressesprecher zum Einsatz des Hopfenexpress’ mit: „Derzeit arbeitet die GVB an einem Betriebs- und Vermarktungskonzept für die künftige Nutzung des Hopfenexpresses. Unser Bestreben ist es, das Erlebnis ’Mit dem Hopfenexpress durch Görlitz’ nach der coronabedingten Pause wieder für Touristen und Einheimische buchbar zu machen – und das zu attraktiven Konditionen und mit optionalen Zusatzleistungen. Aus technischer Sicht ist der Wagen in Top-Zustand und daher sofort einsatzbereit.“