Seit 70 Jahren in der Lausitz und weltweit zuhause
Der Intendant des Sorbischen Nationalensembles, Tomas Kreibich-Nawka, freut sich auf die Jubiläumsfeierlichkeiten. Foto: B. Vogt
Bautzen. „Wir waren – Wir sind – Wir werden sein“, das ist der Titel der diesjährigen Großproduktion des Sorbischen Nationalensembles. Aber diese Aussage ist nicht nur der Titel einer Produktion dieses Hauses, man kann es auch durchaus als Motto für das ganze Ensemble lesen, das in der kommenden Woche seinen 70. Geburtstag feiert.
Wir waren
1952 begannen am 1. April die ersten Proben des Sorbischen Volkskunstensembles. Damals begann alles wie im Traum, aber Jurij Winars Vision von einem professionellem Volkskunstensembles wurde bei den dritten Weltfestspielen der Jugend im Jahre 1951 derart beflügelt, dass es wohl kein zurückgab. Anfangs fuhr er, der dann später auch erster Intendant werden sollte, mit seinem Kompagnon Jan Kindermann noch über die Dörfer, um sorbische Talente ausfindig zu machen und für einen künstlerischen Beruf zu begeistern. Anscheinend hatte er dabei einige Überzeugungskraft, denn bereits im Dezember 1952 konnte der erste offizielle Auftritt mit den drei Sparten Chor, Ballett und Orchester erfolgen. In den kommenden Jahrzehnten entwickelte sich das Ensemble zu einer Institution des sorbischen Kulturschaffens, die weltweit ein Zeugnis davon ablegt, dass es im hintersten Eck der Lausitz ein sehr kunstsinniges Volk zu finden gibt.
Wir sind
Inzwischen fährt niemand mehr über die Dörfer und hält auf den Tanzsälen und Dorfplätzen Ausschau nach jungen sorbischen Talenten. Das hat auch zur Folge, dass heute nur mehr rund 15 Prozent der Ensemble Mitglieder waschechte Sorben sind. Aber auch in früheren Zeiten kamen immer wieder Künstler aus verschiedenen, vorwiegend slawischen Ländern, nach Bautzen, um beim einzigen selbstständigen Ensemble einer nationalen Minderheit mitzuwirken. „Der künstlerische Anspruch wäre heute zu hoch, um ihn mit Laien bewältigen zu können“ sagt der derzeitige Intendant des Hauses, Tomas Kreibich-Nawka. Und so tummeln sich heute auf dem Gelände des Ensembles Balletttänzer, Sänger und Musiker aus zahlreichen Ländern. Dabei liegt nach wie vor ein Augenmerk auf Künstlern aus slawischen Ländern. „Es gibt eine slawische Seele“ betont der gebürtige Sohlander. Und um diese Seele erfahrbar zu machen, ist diese Institution wohl ein hervorragender Ort.
Eine wichtige Aufgabe bildet auch immer wieder die Rückkopplung an das „Kernpublikum“. Auch wenn der Spielbetrieb inzwischen dreisprachig bestritten wird, nämlich deutsch, ober- und niedersorbisch, muss der Kontakt zu den Sorben immer wieder gepflegt werden. Dieser ist in den letzten Jahren vermutlich etwas verloren gegangen. „Wir wollen den Bogen wieder mehr zum Volk spannen“ sagt Kreibich-Nawka. Denn der Zustrom aus den Dörfern nach Bautzen als „Hauptstadt der Sorben“ ist nicht mehr so gegeben wie früher. Auch ist die sorbische Identität in Bautzen selber nicht mehr so sichtbar wie in vergangen Zeiten. Dass sich dies wieder ändert, ist wohl ein Kernanliegen der Einrichtung.
Wir werden sein
Aktuell steht das Sorbische Nationalensemble vor ähnlichen Herausforderungen wie andere gesellschaftliche Institutionen auch. Durch zweijährige Zwangspause ist nicht nur Stammkundschaft weggebrochen, die nicht in dem Maße wiedergewonnen werden konnte, wie es wünschenswert wäre, auch das allgemeine Klima spiegelt sich in der Arbeit wieder. „Die Lausitz ist ein Gebiet, in dem gerade ein unglaublicher Wandel stattfindet“, betont der Intendant. Und hofft, dass gerade die friedliche Koexistenz zwischen Sorben und Deutschen in Zukunft noch mehr gelingt, damit es zu einer gegenseitigen Bereicherung kommt.
Rein technisch ist das Ensemble für die Zukunft gut gerüstet, wurde doch erst vor drei Wochen das neu umgebaute Haus bezogen. Die künstlerische Arbeit beschreibt Kreibich-NAwka dabei auch als ein Entdecken, denn noch viel Material schlummere verborgen in den Depots.
Jetzt freut er sich erstmal auf die große Jubiläumsgala am 7.Oktober. Mit der wird offiziell das Festwochenende eröffnet. Am Sonntag hat beim Tag der offenen Tür auch jeder die Möglichkeit, sich das neue Haus anzusehen.
Bleibt nur zu wünschen, dass das Thema, welches das Ensemble sich für dieses Jahr gegeben hat, fruchtbar wird: „Es geht los!“.