Sie sind wieder da, die Schlesischen Musikfeste
Die Musiker Prof. Matthias Eisenberg und Eleni Ioannidou bei der Pressekonferenz zur Eröffnung der Schlesischen Musikfeste 2022 am Mittwoch in Görlitz. Foto: Klaudia Kandzia
Die Wurzeln der Schlesischen Musikfeste liegen nicht in Görlitz, sondern 1830 im niederschlesischen Kynau (Zagorze Slaskie), ehe bis 1874 Jauer (Jawor) übernahm. 1876 kam Görlitz zum Zuge, die Vollendung der Stadthalle 1910 krönte die Idee. Nun gibt es einen Neustart, der Jauer und Görlitz verbindet.
Region. Zwei Wiederbelebungsversuche hatten die Musikfeste nach der Wende erlebt, doch diese Episoden scheinen aus heutiger Sicht eher belastend nachzuwirken. Vor drei Jahren fand sich jedoch ein Initiativkreis, der schließlich im letzten Jahr ein kleines Fest unter dem Namen Präludium in Vorbereitung des diesjährigen Musikfestes organisierte. Aus der Gruppe gründete sich Anfang dieses Jahres die „Schlesische Musikfeste gGmbH“.
Neben der Görlitzerin und Ehrenbürgerin ihrer Geburtsstadt Jauer, Waltraud Simon, und Prof. Wilhelm Ahrens, die privat Anteile gegeben haben und nicht durch ihre Erika-Simon-Stiftung – und als dritten privaten Gesellschafter Prof. Matthias Eisenberg – holte man auch die Schlesische Landsmannschaft mit ins Boot – alle mit 25 Prozent der Gesellschafteranteile.
Der Endspurt verlief mit Hindernissen, da mit Geschäftsführer Andreas Wenske und dem künstlerischen Leiter Tomasz Tomaszewski, Präsident der Internationalen Beethovenstiftung, zwei treibende Kräfte ausgeschieden sind. „Wir standen schon vor einem kleinen Scherbenhaufen“, gestand Waltraud Simon von der Görlitzer Erika-Simon-Stiftung. „Von der Gesellschafterversammlung wurde auf meinen Vorschlag hin Stephan Rauhut (Anm. der Redaktion: Chef der Landsmannschaft Schlesien) einstimmig zum neuen Geschäftsführer ernannt. Er hatte dann knapp zwei Monate Zeit, neben seiner eigentlichen beruflichen Tätigkeit, ein Programm auf die Beine zu stellen.“
Hat jedoch im Hintergrund eine Rolle gespielt, dass aus atmosphärischen Gründen manche Akteure schlecht vermittelbar sind? Tomasz Tomaszewski ist auch Macher beim Oppelner Kultursommer, also in Oberschlesien (Woiwodschaft Oppeln/Opole), wo der in Polen regierenden PiS die politisch stark vertretene deutsche Minderheit mit mehreren deutschen Landräten ein ständiger Dorn im Auge ist. Distanzierungen aus nationaler Räson werden unterschwellig erwartet und dienen auch dem Selbstschutz.
Das alles kommt in geschichtsverlegenen Deutschland kaum an, zumal man in West-Görlitz ein solches Klima aus Ost-Görlitz (Zgorzelec) nicht kennt.
Nun wird das 33. Schlesische Musikfest, vermutlich das älteste Musikfestival Europas, unter dem Motto „Musik baut Brücken“ binational deutsch-polnisch mit Musikern aus sechs europäischen Ländern stattfinden – die Internetadresse schlesische-musikfeste.eu betont den binationalen Charakter.
Zu den Spielstätten gehören unter anderem die Friedenskirche in Jauer (Jawor), Schloss Fürstenstein (Zamek Ksiaz) in Waldenburg (Walbrzych), die St.-Christophori-Kirche in Breslau, die Peterskirche in Görlitz sowie die einst für die Austragung der Musikfeste erbaute Görlitzer Stadthalle. „Wir haben unsere Aufgabe erfüllt und 16 wundervolle Konzerte von Görlitz bis Breslau organisiert. Neben dem Eröffnungskonzert in der Friedenskirche Jauer mit Ludwig Güttler erwarten uns auch zwei Konzerte in der Görlitzer Stadthalle, deren Bau Graf Bolko von Hochberg maßgeblich als Spielort der Schlesischen Musikfeste unterstützte“, freut sich Stephan Rauhut. Da der Graf von Schloss Fürststein stammt, darf dieses als Spielort nicht fehlen.
Für die evangelische Innenstadtgemeinde stand die Unterstützung des Musikfestes nie in Frage. „Wir sind und waren immer Netzwerker in Sachen Schlesien. In diesem Jahr dürfen wir unsere Bachtage in das Musikfest mit einbringen und damit einer größeren Öffentlichkeit präsentieren“, sagt Pfarrer Dr. Matthias Paul. Eleni Ioannidou vom „Ars Augusta e.V.“ bringt sich ebenfalls gerne ein. „Früher waren neben großen Künstlern auch Chöre und Musiker aus der Region dabei. Da wollen wir wieder hin – die Schlesier sollen ‚ihr‘ Musikfest durch uns wieder zurückbekommen. Aus einem Workshop junger Musiker aus den Hochschulen Leipzig, Dresden, Kattowitz (Katowice) und Breslau heraus werden wir die Besten in Konzerten erleben dürfen“, so Ioannidou. Prof. Matthias Eisenberg, Organist aus Leidenschaft, ist Gesellschafter der gGmbH geworden, um so das Festival mit zu ermöglichen. „Mit acht Jahren hat mich unser Pastor das erste Mal an eine Orgel gesetzt und seitdem komme ich nicht mehr davon los. Ich habe für mein Konzert schlesische Orgelmusik herausgesucht, die sonst kaum noch gespielt wird“, sagt er.
„Wir sehen uns nicht als Konkurrenz zu den anderen großen Festivitäten wie dem Lausitz-Festival“, so Waltraud Simon weiter. „In einem Gespräch mit Ministerpräsident Michael Kretschmer einigten wir uns darauf, das 33. Schlesische Musikfest einen Tag nach der Abschlussveranstaltung des Lausitz-Festival zu eröffnen und so die große kulturelle Zeit in der Region zu verlängern (...) Außer ein paar Zuwendungen für einzelne Konzerte haben wir keinerlei Fördermittel für dieses Jahr bekommen.“ Ganz im Gegensatz zum Lausitzfestival, wo Kohlestrukturgelder im großen Stil zum Einsatz kommen.
„Wir sind stolz darauf, dennoch mit Hilfe von Stiftungen und Privatspenden ein Programm auf die Beine gestellt zu haben, dass sich sehen lassen kann. Und, es soll für uns ein Sprungbrett für die nächsten Jahre sein – schließlich sind wir gekommen, um zu bleiben“, so Waltraud Simon.
Zum Eröffnungskonzert in der Friedenskirche von Jauer unter der Leitung von Ludwig Güttler fährt ein Bus ab dem Demianiplatz, hierfür ist eine Reservierung notwendig. Erika Simon ist stolz, dass der Auftakt in ihrer Geburtsstadt stattfindet, denn Güttler werde mit nun fast 80 Jahren vielleicht nicht noch einmal ein solches Auftrittsangebot annehmen.
Kommentare zum Artikel "Sie sind wieder da, die Schlesischen Musikfeste"
Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.
gibt es zu den Schlesischen Musikfest-Veranstaltungen eine Übersicht mit Orten, Terminen und Themen?
Kommentar der Redaktion:Das Programm finden Sie hier: https://schlesische-musikfeste.eu/
Programm des 33. Schlesischen Musikfests in Görlitz und Niederschlesien (Stand 12.09.22)
17. Sep. 17:00 | Friedenskirche, Jauer
Eröffnungskonzert
Stephanie Atanasov & Romy Petrick
18. Sep. 17:00 | Stadthalle, Görlitz
"Ist Lieb ein Feur…"
Kammerkonzert
19. Sep. 19:30 | Peterskirche, Görlitz
Schlesischer Orgelabend
Orgelkonzert
20. Sep. 19:30 | Stadthalle, Görlitz
„Einmal nach Córdoba und zurück“ - Eine musikalische Reise
21. Sep. 19:30 | Kulturforum Görlitzer Synagoge
„Wie Melodien zieht es...“
Liederabend
22. Sep. 20:00 | Frauenkirche, Görlitz
Il re pastore |
Der König als Hirte
Konzert
23. Sep. 19:30 | Frauenkirche, Görlitz
Triosonaten um 1700
Kammerkonzert
24. Sep. 18:30 | Frauenkirche, Görlitz
"De profundis clamavi"
Geistliches Konzert
25. Sep. 10:00 | Christuskirche, Görlitz-Rauschwalde
Gottesdienst mit Vokal- und Instrumentalmusik
Gottesdienst
25. Sep. 12:00 | Christuskirche, Görlitz-Rauschwalde
"Cara speme"
Kammerkonzert-Matinée
29. Sep. 19:30 | Peterskirche, Görlitz
„PIPES & BRASS“
Kammerkonzert
30. Sep. 19:30 | Frauenkirche, Görlitz
Eine Zeitreise durch die Vokalmusik
Chorkonzert
01. Okt. 18:30 | Peterskirche, Görlitz
Original - Rekonstruktion - Transkription - Arrangement
Kammerkonzert
01. Okt. 19:30 | St. Christophori-Kirche, Breslau
"Zwischen Himmel und Erde"
Liederabend für Gesang und Orgel
02. Okt. 19:00 | Schloss Fürstenstein, Waldenburg
„Nachtzauber“
Ein Eichendorff-Liederabend
Liederabend für Gesang und Klavier
03. Okt. 16:00 | Peterskirche, Görlitz
Johann Sebastian Bach:
Hohe Messe h-Moll
Konzert