So geht es jetzt am Hexenhäusel in Bautzen weiter
Na, erkannt? Der Anblick der Hinterseite, vor der Ronny Neumann und Gerlind Alius hier stehen, liegt von außen (noch) hinter einer dichten Hecke verborgen.
In voller Schutzmontur schleift Ronny Neumann die Halbbalken, die an der Decke verblendet werden sollen.
Ein Jahr lang musste die neue Mieterin ihre Arbeiten ruhen lassen, da zunächst eine statische Ertüchtigung nötig war. Diese ist jetzt beendet, und Gerlind Alius kann weiter an der Verwirklichung ihrer Pläne arbeiten.
Bautzen. Vor wenigen Tagen auf dem Weg aus der Bautzener Neustadt durch das Spreetal in Richtung Kornmarkt-Center: Schon auf der Scharfenweg-Brücke lässt sich das typische Geräusch einer Schleifscheibe vernehmen. Ein paar Schritte weiter in Richtung der Stufen, die hinauf zur Fischerpforte führen, wird klar, woher es kommt: Zwischen dem Hexenhäusel und dem nahe gelegenen Spielplatz bearbeitet ein Mann lange Holzbalken, die auf zwei Böcken ruhen. Er trägt Schutzbrille, Staubmaske und Gehörschutz. Ein paar Passanten bleiben stehen und beobachten neugierig die Szenerie. Auch die Spielplatz-Kinder sind herbei geeilt.
Nach einiger Zeit schaltet der Mann das Schleifgerät aus, legt die Schutzausrüstung ab und betrachtet sein Werk. Die Balken, das zeigt sich bei näherem Hinschauen, haben sicher schon einige Menschengenerationen überdauert und sind auf ihrer gesamten Länge halbiert. „Sie stammen aus einer alten Mühle in Wachau und sollen an der Decke verblendet werden “, erklärt Ronny Neumann. Er ist der Mann, der hier am Bautzener Hexenhäusel seine temporäre Werkbank aufgebaut hat. Er führt den (angemeldeten) Besucher durch eine unscheinbare Pforte in den kleinen Garten, der das – der Überlieferung nach – älteste erhaltene Haus der Stadt Bautzen auf seiner Rückseite umgibt. Dort füllt eine Frau mit der Maurerkelle eine bräunliche, mörtelartige Masse aus einem großen Bottich in einen anderen um. „Das ist unsere Lehmpampe“, sagt Gerlind Alius mit einem verschmitzten Lächeln. Die beiden sind zurzeit wieder verstärkt am Hexenhäusel zugange. Gerlind Alius, vielen Bautzenern als Stadtführerin und Türmerin der Neuen Wasserkunst bekannt, erhielt 2020 von der Bautzener Wohnungsbaugesellschaft (BWB) den Zuschlag als neue Mieterin des alten Fischerhauses außerhalb der Stadtmauer. Unter der Maßgabe, es wieder in einen möglichst Original getreuen Zustand zu versetzen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Zusammen mit ihrem Lebensgefährten Ronny Neumann ging Gerlind Alius ans Werk und legte zunächst die tragende Konstruktion des Hexenhäusels frei. Dabei wurde deutlich, dass der Zustand doch schlechter war als ursprünglich angenommen und einer aufwändigeren Reparatur bedurfte. Diese ließ die BWB als Eigentümerin durchführen, „in dieser Zeit ruhte das Mietverhältnis“, erklärt Gerlind Alius. „Nun sind diese Arbeiten abgeschlossen und ich seit dem 1. Juni wieder offiziell Mieterin.“
Nun arbeiten sie und Ronny Neumann mit Hochdruck daran, im Inneren des Hexenhäusels die Fachwerkoptik wiederherzustellen. Da in der Wand selbst kein brauchbares Fachwerk mehr vorhanden ist, geschieht dies mittels angeblendeter Halbbalken. „Wir bergen dazu gezielt Balken aus Abrisshäusern und arbeiten sie selbst auf“, erklärt Ronny Neumann. So auch die Balken aus der Wachauer Mühle, die ihren Platz an der Decke finden sollen. „Zuerst musste ich eine Unmenge von Nägeln entfernen. Dann wird das Holz geschliffen und anschließend noch gebürstet“, beschreibt der gelernte Steinmetz den Werdegang. Mit der Bürste entfernt er bröseliges Material, das durch das „Wirken“ von Borkenkäfern und anderen Holzbewohnern entstanden ist. Zwei Jahre haben Gerlind Alius und Ronny Neumann für ihre eigenen Arbeiten veranschlagt, „und wir liegen damit im Zeitplan.“ Das Konzept sieht vor, den Besuchern im Hexenhäusel vielfältige Einblicke in das Leben früherer Generationen zu ermöglichen. Der Rundgang soll im Keller beginnen, wo per Bildschirm über die ältere und jüngere Historie berichtet wird. Das beginnt mit einem in Zusammenarbeit mit dem Budissiner Marktgesinde produzierten Video über den „Feuersegen“, der das alte Fischerhaus vor sämtlichen Stadtbränden bewahrte, und endet mit der Dokumentation der Sanierungsarbeiten. Die Wohnstube im Erdgeschoss soll so authentisch wie möglich eingerichtet werden: „Die Besucher wollen vor allem wissen, wie man in so einem Häuschen wohnen kann“, meint Gerlind Alius. Im Obergeschoss will sie Miniaturstuben aus dem Fundus von Gudrun Schöne, der Betreiberin des Lichtenberger Puppenmuseums, zeigen.
Auch der Maler Georg Heine als früherer prominenter Bewohner soll gewürdigt werden. In der Adventszeit wollen Gerlind Alius und Ronny Neumann interessierten Besuchern erste Einblicke gewähren, ohne dazu bereits ins Detail gehen zu können. BWB-Geschäftsführerin Kirsten Schönherr ergänzt, dass dann auch schon erste Rundgänge möglich sein sollen. Den Abschluss ihrer Arbeiten planen sie für das Frühjahr 2023.
Und auch wenn die beiden vieles selbst machen und auf ein umfangreiches Lager von passendem Baumaterial zurückgreifen können, freuen sie sich über Helfer – „ob materiell oder durch Mitwirken bei der Arbeit.“ Ihr Dank gilt der Bautzener Wohnungsbaugesellschaft für deren Unterstützung.