So geht es jetzt bei der Tafel weiter
Tafelchef Ferenc Radocha (li.) und Mitarbeiter Daniel Kraft entladen hier einen Transporter mit Lebensmitteln, die von umliegenden Märkten zur Verfügung gestellt wurden.
Bischofswerda. Seit mehr als 20 Jahren verrichtet die Tafel in Bischofswerda ihre wichtige Arbeit zugunsten von Menschen, die jeden Cent zwei Mal umdrehen müssen, bevor sie ihn ausgeben. Bis vor kurzem geschah dies relativ geräuschlos und ohne große Anteilnahme der nicht betroffenen Öffentlichkeit. Doch das änderte sich vor wenigen Tagen. Plötzlich stand die Tafel im Blickpunkt des öffentlichen Interesses. Doch was war geschehen? Ferenc Radocha, der Leiter der Einrichtung, erklärt: „Ich hatte vor etwa vier Wochen vom Steuerbüro eine Benachrichtigung erhalten, dass unsere ehemalige Vereinschefin vermutlich Vereinsgelder privat verwendet hat. Da es sich zurzeit noch um ein laufendes Verfahren handelt, kann ich noch nicht viel mehr sagen. Der Person wurde gekündigt, und wir haben die weitere Bearbeitung unserem Anwalt übergeben.“
Die Bischofswerdaer Tafel gehört, ebenso wie die Tafeln in Neustadt/Sachsen, Pirna und Heidenau, die Sozialkaufhäuser in Bischofswerda und Zittau sowie mehrere Familientreffs zum Regionalverband Sachsen-Ost des Demokratischen Frauenbundes. All diese Einrichtungen sahen sich nun plötzlich mit Existenz bedrohenden finanziellen Schwierigkeiten konfrontiert. Die Stadt Bischofswerda startete einen Spendenaufruf. Und das mit Erfolg: „Dieser Aufruf ist ganz wichtig, damit wir unsere Rechnungen begleichen können. Da geht es um Fahrzeuge, Steuern und vieles mehr“, erklärt Ferenc Radocha. Und weiter: „Wenn uns Ralf Schneider nicht geholfen hätte, hätten wir wahrscheinlich Insolvenz anmelden müssen. Zurzeit läuft alles wieder in den gewohnten Bahnen, auch wenn es viele Baustellen gibt.“ Damit meint er insbesondere die von der früheren Geschäftsführerin hinterlassenen „Altlasten“, die nun – neben dem laufenden Geschäft – mühsam aufgearbeitet werden müssten.
Besagter Ralf Schneider ist ein Bischofswerdaer Unternehmer, der mit mehreren Firmen wirtschaftlich erfolgreich ist und sich nach eigener Aussage verpflichtet fühlt, der Region etwas zurückzugeben.
Die konkrete Spendensumme nennt er nicht, doch es muss sich um einen erheblichen Betrag handeln, der es der Tafel ermöglicht, ihre Arbeit im bisherigen Umfang fortzuführen: „Die Bischofswerdaer Tafel hat zurzeit 16 Mitarbeiter. Das sind Ehrenamtliche über das Programm ‚Wir für Sachsen‘ sowie Teilnehmer an Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung, die vom Landratsamt vermittelt werden. Wir betreuen wöchentlich bis zu 300 Personen und fahren in Bischofswerda und im Umland Bäckereien, Fleischereien und Einkaufsmärkte an, die uns mit Lebensmitteln unterstützen“, so der Leiter der Bischofswerdaer Tafel.
Allerdings habe die Bereitschaft gerade bei den Discountern abgenommen: „Die stellen jetzt zum Beispiel selbst Pakete aus Lebensmitteln kurz vor Ablauf des Haltbarkeitsdatums zusammen und verkaufen sie günstig an ihre Kunden.“ Vor Probleme stellt die Tafel auch die begonnene Umstellung der Leistungen für Zugewanderte auf Bezahlkarte: „Wir verfügen weder über die erforderliche Technik noch wissen wir, welches System überhaupt eingesetzt wird. Aus unserer Sicht ist das nicht bis zum Ende durchdacht“, so Ferenc Radocha. Und natürlich ist auch die soziale Einrichtung von den allgemeinen Preissteigerungen auf fast allen Gebieten betroffen.
Doch nicht nur große Spender sind aufgerufen, die Tafel und das Sozialkaufhaus in Bischofswerda zu unterstützen: „Unlängst war eine ehemalige Kundin da, der es jetzt besser geht und die uns 500 Euro übergab. Darüber habe ich mich natürlich besonders gefreut“, bekennt Ferenc Radocha. René Gürth, der Leiter des Sozialkaufhauses, initiiert gerade eine Crowdfunding-Aktion auf der Plattform 99Funken. Allerdings konnte sie bis zum Ende der Vorwoche noch nicht gestartet werden, da die Bescheinigung der Gemeinnützigkeit noch nicht vorliegt.
Diese wird benötigt, um Spendenquittungen ausstellen zu können. Dazu Ferenc Radocha: „Wir hoffen, dass wir mithilfe der Spender mittelfristig wieder schwarze Zahlen schreiben können. Die Gefahr einer Pleite besteht aber nicht mehr, die Arbeit läuft ganz normal weiter – Dank der großen Spende von Herrn Schneider.“ Die Bischofswerdaer Tafel und das Sozialkaufhaus werden schließlich gebraucht – und das mehr denn je.