Sorbische Kultur in die Dorfsäle und Vorfreude auf Neubau
Beim Flaggschiff Vogelhochzeit darf es auch gerne mal ein wenig skurril zugehen. Foto: Archiv
Mit moderner Glasfassade präsentiert sich seit wenigen Tagen der Neubau des Sorbischen Nationalensembles.
Bautzen. 2021/22 ist für das Sorbische Nationalensemble eine ganz besondere Spielzeit, und das gleich aus drei Gründen. So haben die professionellen Kulturvermittler des kleinen slawischen Volkes, wie alle kulturellen Einrichtungen, noch immer mit den Aus- und Nachwirkungen der Corona-Krise zu kämpfen. Die Führungsriege des Ensembles hat sich weitgehend neu aufgestellt. Und schließlich arbeitet zumindest die Verwaltung derzeit auf einer Baustelle, die künstlerischen Bereiche sind ausgelagert.
Es gibt vieles nachzuholen
Über zu wenig Arbeit kann sich in den nächsten Monaten wohl niemand im Sorbischen Nationalensemble beklagen. „Es gibt so vieles nachzuholen“, meint Intendant Tomas Kreibich-Nawka mit Blick auf die nahezu komplett ausgefallene Saison 2020/21. Am 1. August hat er die Stelle angetreten, interimsmäßig mit einem Zwei-Jahres-Vertrag. Der 41-jährige arbeitete lange als freischaffender Musiker in Dresden, sein wichtigster Partner war dort die Palucca-Tanzschule. „Der Wunsch, in die Lausitz zurückzukehren“ war für den gebürtigen Sohlander Ausschlag gebend, um 2019 als Dramaturg beim Sorbischen National-Ensemble einzusteigen. Später wurde er Assistent der damaligen Intendantin Judith Kubitz. „Die sehr stürmische zurückliegende Zeit abzuschließen“ und „den Frieden im Hause zu bewahren“ nennt Tomas Kreibich-Nawka als seine vordringlichen Ziele, ohne näher darauf einzugehen, warum dies nötig ist. Nur so viel: „Ein Haus mit 70 Künstlern ist eine Herausforderung.“ Künstlerisch hat er sich vorgenommen, noch stärker „zu den Menschen in der Lausitz hinauszugehen“ und die sorbische Kultur in die Dorfsäle der Region zu bringen. Und so stehen unter anderem Königswartha, Lehndorf und Radibor auf dem Tourneeplan des Ensembles.
Sorbisches Musikerbe bewahren
Als Musiker betrachtet es Tomas Kreibich-Nawka weiterhin als Herzenssache, das reichhaltige Erbe der sorbischen Musik zu sichern, das „stärker im sinfonischen Bereich liegt als in der Folklore.“ So soll der Notenbestand sorbischer Komponisten weiter digitalisiert werden und damit für die Nachwelt erhalten bleiben. Einmal im Quartal und nicht mehr nur einmal im Jahr, so das Ziel des neuen Intendanten, soll ein Sinfoniekonzert stattfinden. Wobei das Orchester des Ensembles in seiner regulären Besetzung die großen sinfonischen Werke nicht spielen kann. Anstelle der Beauftragung von Gastmusikern will Tomas Kreibich-Nawka Komponisten damit beauftragen, die Werke für das eigene Orchester umzuschreiben. Immerhin haben drei neue Musiker angeheuert – „unser Orchester verjüngt sich langsam.“ Mit dem Österreicher Peter Wesenauer nimmt zudem am 1. November ein renommierter neuer Orchesterleiter die Arbeit auf. Neu am Haus ist auch der gebürtige Bosnier Trvtko Karlovic als Chordirigent. Die Proben finden derzeit im Haupthaus des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters, aber auch in den früheren Theaterwerkstätten statt. Der Grund: Das Sorbische National-Ensemble präsentiert sich zurzeit als Baustelle.
Glasfassade ermöglicht Einblicke
„Die Arbeiten liegen gut im Plan“, versichert Geschäftsführerin Diana Wagner. Der Neubau, der künftig die Funktionsräume ebenso wie den Ballettsaal beherbergen soll, steht im Rohbau. „Unlängst wurde die Glasfassade eingebaut“, berichtet Pressesprecher Stefan Zuschke. Diese soll es künftig Passanten ermöglichen, einen Blick auf die probenden Tänzer zu „erhaschen“ und dadurch Neugierde wecken. „Natürlich kann der Saal aber auch abgeschirmt werden“, so der Sprecher. Völlig neu entstanden ist auch das Foyer, das sich künftig wesentlich großzügiger präsentieren soll als bisher und eine Trennung von Besucher- und Künstlerbereich ermöglicht. Die Kosten von insgesamt 2,5 Millionen Euro werden zum größten Teil aus Mitteln der Parteien- und Massenorganisationen der ehemaligen DDR bestritten, 350.000 Euro steuert die Stiftung für das sorbische Volk bei. Ende 2022, so sieht es der Plan vor, soll der neue Saal in Nutzung gehen.