Sparpolster hilft haushalten in schwierigen Zeiten
Finanzbürgermeister Dr. Robert Böhmer. Pressefoto
Mit Ausklingen der staatlichen Beschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie will die Stadt Bautzen frisch durchstarten. Zahlreiche Vorhaben sind angedacht. Allerdings lassen sich diese nur umsetzen, weil die Kommune in der Vergangenheit entsprechende Vorkehrungen getroffen hat. Im Oberlausitzer Kurier spricht Finanzbürgermeister Dr. Robert Böhmer über die Sache mit dem Finanzpolster, wie es in dem Zusammenhang um das Prestigeprojekt Spreebrücke bestellt ist und welche Chancen er einer Stadtentwicklungsgesellschaft einräumt.
Herr Böhmer, der Haushalt 2022 ist vor noch nicht allzu langer Zeit vom Stadtrat beschlossen worden. Welche Gedanken gingen Ihnen in dem Moment durch den Kopf, als Sie eine Mehrheit der Bürgervertreter hinter sich wussten?
Robert Böhmer: Erleichterung natürlich, der Acker wurde aber schon vorher gepflügt. Es ist keine Augenblicksentscheidung. Zu einer Abstimmung gehört kontinuierliche Arbeit im Vorfeld: Einzelgespräche mit Stadträten, Beratungen mit den Fraktionen, Austausch mit Trägern und Vereinen, Kompromisse und schwierige Entscheidungen in der Verwaltung sowie Gremienarbeit über Wochen und Monate. Erfreut bin ich natürlich, und es ist auch ein Sig-nal der Anerkennung, wenn am Ende eine eindeutige Mehrheit steht.
Bereits zu einem früheren Zeitpunkt haben Sie uns erklärt, dass die Kommune in Größenordnungen die über Jahre angesparten Rücklagen anzapfen musste, um einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Was bedeutet das im Umkehrschluss für Bautzens Zukunft?
Robert Böhmer: In der Tat haben wir erstmals 2021 und ebenso dieses Jahr den Haushalt mit Rücklagen ausgleichen müssen. Das ist allerdings nur möglich, weil wir seit 2012 – mit Einführung der kommunalen doppelten Buchführung „Doppik“ – konsequent eine solide Haushaltspolitik vollzogen haben. Im vergangenen Jahrzehnt konnten dabei beträchtliche Mittel erwirtschaftet werden, die haushaltsrechtlich allerdings primär zur Finanzierung der künftigen Investitionen eingesetzt werden müssen. In der ökonomischen Ausnahmesituation setzen wir sie auch zum unmittelbaren Haushaltsausgleich der laufenden Ausgaben ein. Das ist notwendig. In diesem Jahr sind es beträchtliche 5,6 Millionen Euro. Unsere Stadt kann damit weitgehend im erwarteten Rahmen weiterhin funktionieren. Es gibt keine Abstriche in der laufenden Finanzierung der Kitas oder der Schulen. Auch freiwillige und soziale Aufgaben werden aufrechterhalten. Es ist bei dieser Dimension aber auch klar: Große politische Sprünge, weitere Anliegen obendrauf satteln zu wollen, sind nicht drin. Die Zukunft Bautzens wird entscheidend von der innen- und außenpolitischen Situation und der gesamtwirtschaftlichen Lage in Sachsen und Deutschland abhängig sein. Bei aller haushaltspolitischer Vorsicht und der Einsicht in eigene Konsolidierungsschritte ist genauso eine selbstbewusste Zuversicht nötig, die Dinge weiterhin eigenverantwortlich zu steuern und zu gestalten.
Wann wird die Stadt das Finanzpolster wieder auffüllen, und kann das überhaupt gelingen in Krisenzeiten wie diesen?
Robert Böhmer: Die Finanzen verpuffen nicht in einem Jahr. Sie sind in einem Vierjahresplan immer nahezu vollständig gebunden. Die größte finanzpolitische Sorge ist ein Fortschreiten der Inflation, weil die Stadt zu immens gestiegenen Gegenwartskosten ihre Aufgaben finanzieren muss, Gebühren und Beiträge jedoch nur vergangenheitsbezogen kalkulieren kann. Zudem sind unsere wichtigsten Einnahmen die kommunalen Steuereinnahmen und die Schlüsselzuweisungen aus dem Finanzausgleich von der ungewissen wirtschaftlichen Lage in Sachsen abhängig. Sie stagnieren und sinken teilweise. Ein „Auffüllen“ beziehungsweise ein Haushaltsausgleich mithilfe echter Steuererhöhungen ist politisch derzeit sicher nicht opportun. Aber genauso wenig werden wir politische Gesten und Subventionen leisten können, um die inflationäre Politik Brüssels und Berlins oder die Zuständigkeit des Freistaats an der kommunalen Basis quasi auszugleichen oder zu korrigieren. Dafür haben wir schlichtweg keine Mittel. Ganz im Gegenteil: Unsere kommunale Leistungsfähigkeit wird auf das Äußerste in diesen Jahren gedehnt.
Jetzt existiert aber erst einmal eine Rechtsgrundlage, die es der Verwaltung ermöglicht, unter anderem Investitionen in Angriff zu nehmen. Welche Wünsche und Vorhaben lassen sich auf diese Weise 2022 verwirklichen?
Robert Böhmer: Die Stadt Bautzen realisiert immer noch ein beträchtliches Investitionsvolumen. Allein im Jahr 2022 sind das über zwölf Millionen Euro. Unter anderem zählen der Beginn der Sanierung von Außengelände und Sporthalle der Allende-Oberschule, die Erweiterung des Schliebenparkplatzes, der Aufbau eines Sirenennetzes im Spreetal, Planungsmittel für eine Dreifeldsporthalle und die Installation einer Schlauchwaschanlage bei der Feuerwehr dazu. Vorhaben, die 2022 noch nicht angegangenen werden können, beispielsweise wegen der Fördermittelfrage, werden erst in einem künftigen Haushalt berücksichtigt. Das gilt für die Sanierung der Paulistraße oder die Errichtung eines neuen Feuerwehrgerätehauses in Salzenforst.
Nach wie vor diskutiert Bautzen recht hitzig über den Bau einer Spreebrücke, die einmal den Schliebenparkplatz auf der einen mit dem Ortenburgensemble auf der anderen Flussseite verbinden soll. Hand aufs Herz: Wie realistisch ist vor dem Hintergrund der kommunalen Finanzlage deren Realisierung?
Robert Böhmer: Ein jedes Vorhaben misst sich an der Realität. Mit der Spreebrücke haben der Oberbürgermeister und bisher eine große Mehrheit des Stadtrates eine eindeutige Priorität gesetzt. Wie Ihre Frage aber andeutet, beginnen verschiedene Stadtratsfraktionen die Dinge zu hinterfragen. Das äußerte sich jüngst in der Sperrung weiterer Planungsmittel für die Brücke in Höhe von 200.000 Euro. Letztendlich läuft es immer noch auf einen künftigen Bürgerentscheid hinaus.
Sicherlich ließen sich Aufgaben, die jetzt noch die Stadtverwaltung wahrnimmt, ausgliedern. Ich denke dabei in erster Linie an das Stadtmarketing. Inwieweit wird es künftig auch eine Gesellschaft geben, die sich speziell mit dieser Thematik und der Stadtentwicklung befasst? Tut sich die Kommune damit schwer?
Robert Böhmer: Hier gibt es keine einfache Wahrheit. Es war in Bautzen in der Vergangenheit nicht alles schlecht und muss nicht auf den Kopf gestellt werden. Die Kunst ist es, funktionierende Strukturen zu bündeln, zu motivieren und zusammenzuführen und nicht der Selbstauflösung anheim zu geben. Allein mit neuen Forderungen schillernde Hoffnungen zu nähren, wird nicht unbedingt von Erfolg gekrönt sein. Beispielsweise gibt es mit der Beteiligungs- und Betriebsgesellschaft (BBB) schon eine städtische Gesellschaft, die unter anderem mit dem Saurierpark, der Touristinformation oder dem Bautzener Bäderbetrieb seit Jahren in Vermarktungsfragen aktiv ist und wirklich gute Arbeit leistet. Neue Posten, neue Strukturen sparen zuallermeist kein Personal, sondern schaffen zunächst Doppelstrukturen, die sich erst wieder bereinigen müssen. Das würde mit Gründung einer neuen Gesellschaft ähnlich für Stadtentwicklungs- und Baufragen gelten. Ganz abgesehen von den immer komplizierter werdenden kommunalen, steuerrechtlichen Herausforderungen bei Gesellschaftsgründungen und Privatisierungen, die zuvor sauber und sicher geklärt sein müssen.
In diesem Jahr wird der Finanzbürgermeister vom Stadtrat neu gewählt. Werden Sie noch einmal für dieses Amt kandidieren?
Robert Böhmer: Ich werde mich erneut bewerben. Trotz dieser immer komplizierter werdenden Zeit würde ich gern an einer positiven und sicheren Zukunft Bautzens mitarbeiten.