Spree darf zurück in altes Flussbett

In der Gemeinde Malschwitz laufen umfangreiche Renaturierungsarbeiten am Flusslauf der Spree. In ihrer Folge soll sich die Spreeaue wieder zu einem artenreichen Lebensraum entwickeln.
Lömischau. „...und reichlich ernten werden wir, wo heut’ noch Sumpf und Sand.“ So heißt es im Lied der jungen Naturforscher, einem der bekanntesten Pionierlieder aus DDR-Zeiten. Und eine weitere Liedzeile behauptet: „...und werden wir erst wissend sein, fügt sich uns die Natur.“
Die Natur fügt sich nicht
„Auch mir erschienen diese Aussagen damals verheißungsvoll. Heute weiß ich, dass sie anmaßend waren. Denn die Natur fügt sich eben nicht“, berichtet Georg Richter, Leiter des Umweltamtes im Landkreis Bautzen, über seinen ganz persönlichen Erkenntnisprozess. Wobei, wie er rasch hinzufügt, solche Gedanken nicht erst in der DDR entstanden: „Schon der Umbau der Spree in den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts entsprang genau dieser Geisteshaltung, man könne die Natur im Zaum halten und beherrschen.“ Also machten sich riesige Trupps sprichwörtlich mit dem Spaten daran, die Spree umzubauen: Anstelle der mäandernden Flussarme baute man schnurgerade Wasserautobahnen und erhoffte sich davon, dass die häufigen Hochwasser schneller ins nahe gelegene Preußen abfließen würden. Durch das Trockenlegen von Sümpfen und Auen versprach man sich – ganz im Sinne der eingangs zitierten Liedzeilen – die Gewinnung von fruchtbarem Ackerland.
Ökologisches Desaster beenden
Doch ökologisch erwies sich der Flussumbau als Desaster. Die abgeschnittenen Altarme entwickelten sich zu stinkenden Tümpeln und Mückenbrutherden, in denen sich massenweise Faulschlamm ablagerte. Die nicht mehr überfluteten Auwälder wurden immer artenärmer. Fische, Molche und Frösche zogen sich zurück. „So entstand schon frühzeitig in der Verwaltung des Biosphärenreservats Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft die Idee, den ursprünglichen Zustand der Spree wieder herzustellen“, wie Referatsleiter Dr. Jan Peper erklärt. Gemeinsam mit Daniel Steinmüller von der Landestalsperrenverwaltung hat er den Masterplan dafür entwickelt. Dieser enthält vier Schwerpunkte: Den Wiederanschluss der Altarme, die ökologische Durchlässigkeit, die „Quervernetzung“ von Spree und Aue sowie den Hochwasserschutz.
Letzteres betrifft insbesondere den Ort Halbendorf/Spree, der in den letzten Jahrzehnten regelmäßig unter Wasser stand. Davor soll das Dorf, in dem sich unter anderem ein Waldschulheim befindet, künftig bewahrt werden. Dazu trägt das „Schlitzen“ zweier Deiche bei, das dafür sorgt, dass das Wasser bereits oberhalb von Halbendorf abfließen kann. „Wir sind außerordentlich dankbar dafür. Als Gemeinde hätten wir dass nie leisten können“, betont der Malschwitzer Bürgermeister Matthias Seidel. Für die Durchlässigkeit werden Bauwerke wie das Lömischauer Wehr und die Staustufe Neudorf/Spree geschliffen. „Quervernetzung“ meint, dass Spree und Auwald wieder zu einer ökologischen Einheit zusammenwachsen. Durch den Abtrag von Uferwällen kann die Spree ihr Umland häufiger überfluten. Das wichtigste Teilprojekt besteht jedoch darin, dass zwei der abgeschnittenen Altarme – das „Altwasser Lömischau“ und die „Kaupe“ – wieder den ganz natürlichen Spreelauf bilden.
In ihnen schlägt die Spree weite Bögen, anstatt geradlienig dahinzuschießen. Weitere Altarme werden künftig bei Hochwasser von fließendem Wasser durchströmt. „Dann kann sich der Fluss von selbst wieder naturnahe Prall- und Gleithänge schaffen. Dadurch entstehen Uferstrukturen, die seltenen Arten wie Eisvogel und Uferschwalbe Lebensraum bieten“, so Jan Peper. Die Arbeiten sollen bis Ende 2019 abgeschlossen sein, die Investitionssumme liegt bei 3,9 Millionen Euro. Zum Vergleich: die Begradigung um 1930 kostete 400.000 Reichsmark.