Stadt kündigt Hilfe für Schwimmprojekt auf

Rettungsschwimmer Werner Küsel mit einigen seiner Schützlinge: Gemeinsam halten sie stolz die neuen Schwimmnudeln in die Kamera. Eine Ehrung des Lions Clubs hat den Kauf ermöglicht. Foto: privat
Bislang zogen sie alle an einem Strang, um Kindergartenkindern die Angst vorm Wasser zu nehmen – die DRK-Wasserwacht, der Sportverein MSV Bautzen 04 und die Stadt. Doch jetzt will die Kommune sich aus dem Gemeinschaftsprojekt zurückziehen. Das sorgt für Unmut bei den anderen Mitstreitern.
Bautzen. Sie haben Gutes bewirken wollen, jetzt steht ihr preisgekröntes Unterfangen vor einem Problem: Rettungsschwimmer Werner Küsel von der DRK-Wasserwacht und der Sportverein MSV Bautzen 04 sollen sich fortan ohne die Unterstützung der Stadt um eine Schwimmausbildung von Kita-Kindern kümmern. Nach zweijähriger Laufzeit des gemeinsamen Projekts hat die Verwaltung ihre Mithilfe aufgekündigt. Ab dem kommenden Schuljahr ist es demnach Erzieherinnen von zwei in der Trägerschaft der Kommune befindlichen Betreuungseinrichtungen nicht länger gestattet, das Schwimmtraining ihrer Schützlinge zu begleiten. Aus dem Rathaus hieß es dazu, dass anderenfalls „die Einhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen Betreuungsschlüssels für die in der Einrichtung verbleibenden Kinder negativ davon betroffen ist“.
Werner Küsel kann nur mit dem Kopf schütteln: „Ich bin stinksauer über die Entscheidung der Verantwortlichen der Stadt. Der Personalschlüssel ist für mich nur die halbe Wahrheit. Denn es geht wahrscheinlich auch mal wieder ums Geld.“ Seinen Angaben zufolge müssen die Erzieherinnen, die die Schwimmausbildung mit beaufsichtigen, alle zwei Jahre ihre Wasserrettungsfähigkeit neu unter Beweis stellen. Die damit verbundenen Kosten stellte die Wasserwacht des DRK bislang der Kommune in Rechnung. „Die Erzieherinnen hätten beim jetzt laufenden Lehrgang dabei sein müssen. Auf unser Angebot hin erhielten wir keine positive Antwort, sondern die Kündigung.“
MSV-Geschäftsführer Steffen Waldmann und sein Team bedauern die Entscheidung „außerordentlich“. Vor allem Ines Delling, der nach wie vor sehr am Herzen liegt, Vorschulkindern die Scheu vor dem tieferen Wasser zu nehmen und ihnen das Brustschwimmen beizubringen, vermag die Entscheidungsfindung im Rathaus nur teilweise nachvollziehen. Für die sechs Gruppen, denen jeweils neun Mädchen und Jungen zugeordnet waren, wurde Vereinsangaben zufolge in der Vergangenheit pro Schwimmhallenbesuch ein Mitarbeiter abgestellt. Hin und wieder verfolgten das Treiben im Wasser auch einsatzbereite Elternteile und ehemalige Angestellte vom Beckenrand aus.
In Dresden können Kindertageseinrichtungen ergänzend zu ihrem Bildungsauftrag am Projekt zur Wassergewöhnung teilnehmen. Das teilte Marco Fiedler, Fachbereichsleiter Projektmanagement, IT und Öffentlichkeitsarbeit auf Anfrage mit. Ihm untersteht auch der Eigenbetrieb Kindertageseinrichtungen. So habe im Jahr 2018 das Projekt in drei Kitas stattgefunden. „Durch den Eigenbetrieb werden die Honorare für die Schwimmtrainer und Ausbilderinnen sowie die Nutzung der Wasserflächen finanziert“, erklärt der Rathausmitarbeiter. „Ferner unterstützt der Eigenbetrieb bei der Suche und Vermittlung von Wasserflächen. Für Honorare und Wasserflächen wurden im vorigen Jahr rund 1.600 Euro aufgewendet.“ Die Wassergewöhnung werde in Zusammenarbeit mit einem Schwimmsportverein durchgeführt. Ähnlich wie in Bautzen sollen sich Kinder im Vorschulalter auf diese Weise den Bewegungsraum Wasser spielerisch und angstfrei erschließen und dabei die Kernkompetenzen Gleiten, Atmen, Tauchen, Springen, Fortbewegen im kühlen Nass aneignen können. „Wassergewöhnung beinhaltet die Maßnahmen, die Kinder auf das spätere Lernen der Schwimmtechniken vorbereitet“, betont Marco Fiedler. „Wenn andere Kommunen solch ein Projekt durchführen, empfehlen wir die Beachtung folgender Aspekte. Es ist ein Angebot für Kinder, die sich im letzten Kindergartenjahr vor der Einschulung befinden. In der Regel können bis zu zwölf Kinder am Angebot teilnehmen. Die Kinder spielen zunächst mit Wasser, bevor sie im Wasser spielen. Das Angebot der Wassergewöhnung beginnt in den Räumlichkeiten der Kindertageseinrichtung. Die Kinder können in der ihnen bekannten Umgebung eine vertrauensvolle Beziehung zum Schwimmtrainer aufbauen. Sie werden auf die Abläufe in der Schwimmhalle vorbereitet. Die Wasserge-wöhnung in der zweiten Phase findet im Lehrschwimmbecken einer Schwimmhalle statt. Dabei müssen sich die Schwimmtrainer konkret auf die Altersklasse einstellen. Die Kinder spielen unter deren Aufsicht im Wasser, um sich die Kernkompetenzen anzueignen. Die pädagogischen Fachkräfte begleiten die Kinder und spielen mit ihnen im Wasser. Die Eltern werden am Ende des Angebotes über den Entwicklungsstand ihres Kindes in der Wassergewöhnung informiert. Sie haben im Anschluss die Möglichkeit, ihre Kinder beim Ablegen des ‚Seepferdchens’ zu begleiten. Sie bekommen dazu Termine von den Schwimmsportvereinen angeboten. Auf diese Weise können sie sich selbst ein Bild davon machen, was ihr Kind kann und was sie ihrem Kind zutrauen können, um eine spätere Gefährdung zu vermeiden.“
Aufgrund der DRK-Schulungen waren sie in der Lage, im Ernstfall rettend einzugreifen.
Aus dem Rathaus hieß es indes auf Anfrage, dass pro Gruppe bis zu drei Kita-Mitarbeiter abgestellt werden mussten. Ilka Heilmann, Leiterin der Abteilung Bildung und Sport: „Die Entscheidung über die Fortführung konkret dieses Sportangebotes wurde aufgrund der hohen Anforderungen an den Schutz der zu betreuenden Kinder, insbesondere die Vorschriften der gesetzlichen Unfallkasse Sachsen, mehrfach mit den Leitungen aller Kindertageseinrichtungen in Trägerschaft der Stadt Bautzen besprochen.“ Und weiter: „Der MSV Bautzen 04 hat die Möglichkeit, das Schwimmangebot unter anderen organisatorischen Bedingungen ohne die Bereitstellung von pädagogischen Mitarbeitern der Stadt Bautzen fortzuführen.“
Trotz einer gewissen Ratlosigkeit in den Reihen von MSV und Wasserwacht herrscht verhaltener Optimismus.
„Wir werden nunmehr alle Kraft investieren, um diese sinnvolle Maßnahme in eigener Verantwortung fortzuführen“, betonte Steffen Waldmann. „Dazu benötigen wir selbstverständlich das Einverständnis und gegebenenfalls die Unterstützung der Eltern.“
Erste Gespräche diesbezüglich würden bereits laufen. „Ich hoffe, dass sich das Projekt durch Eigeninitiative retten lässt“, fügte Werner Küsel hinzu. Er lud Vertreter der Stadt dazu ein, sich selbst von der Schwimmausbildung der Kita-Kinder ein Bild zu machen. „Das Ergebnis und die Auswirkungen Ihrer Entscheidung können Sie dann live als Zugabe beim Grundschulschwimmunterricht sehen.“
Der langjährige und erfahrene Rettungsschwimmer bedankte sich für die bisherige Zusammenarbeit und beim Lions Club für das Preisgeld, das die Organisatoren des Projektes vor wenigen Wochen überreicht bekamen. Damit ließen sich in der Zwischenzeit neue Schwimmnudeln und Ärmel anschaffen, um die Kita-Kinder fit für das kühle Nass zu machen. Die Hoffnung ist groß, dass das Vorhaben trotz der neuerlichen Schwierigkeiten irgendwie weitergehen kann.