Stadtführer halten Stadthistorie lebendig
Mit einen 80 Lebensjahren zählt Peter Hollendunter zu den ältesten und erfahrensten Stadtführern in Bautzen. Er wünscht sich engagierte Nachfolger. Mehrere seiner etwa 40 Kollegen sind dem Rentnerdasein nahe. Foto: RK
Sie haben spannende und immer wieder interessante Geschichten zu erzählen. Stadtführer in Bautzen, Bischofswerda und Kamenz halten die jeweilige Ortshistorie am Leben. Doch was passiert, wenn ein Teil von ihnen in den Ruhestand wechselt? Die Kreisvolkshochschule steuert im Herbst gegen.
Bautzen. Peter Hollendunter kennt so gut wie jeden Winkel in seiner Wahlheimatstadt. Nachdem es seine Familie kurz nach Kriegsende von Ungarn in die Oberlausitz zog, ließ sie sich in Bautzen nieder. Hier lernte der damals siebenjährige Junge seine Klassenkameraden kennen, mit denen er Tag für Tag in seiner Freizeit durch die von den letzten Gefechten gezeichnete Altstadt streifte. Peter Hollendunter entdeckte im Beisein dieser verschworenen Truppe in den Ruinen sein Herz für ein Fleckchen Erde, das erst nach der Wende allmählich zu neuem Glanz zurückfand. Diese Zuneigung führte dazu, dass er sich 1969 zum Stadtführer ausbilden ließ. Anfangs noch mit blau-gelber Armbinde auf Achse, lotste der wissbegierige Mann erste Schulklassen und Betriebsbrigaden durch das historische Zentrum der Spreestadt.
„Um schon damals auf die mitunter recht gezielten Fragen der Teilnehmer eingehen zu können, habe ich alles gelesen, was über Bautzen erschienen war“, erinnert sich der rüstige Senior. „Unter anderem waren auch Fragen von Touristen, die anfangs unbeantwortet blieben, Motivation für mich, diesen auf den Grund zu gehen. Darüber hinaus hospitierte ich bei anderen, die schon längst dem Geschäft nachgingen.“ Irgendwann allerdings sei eine gewisse Routine eingetreten.
Heute noch hält er sich mit Gartenarbeit und kleineren Wanderungen fit, um die angefragten Stadtführungen zu meistern. Bei denen kommt auch zur Sprache, welches Schicksal Bautzens Altstadt in den 80er Jahren drohte. „Es gab Pläne, zahlreiche zum Teil schon unbewohnte Häuser abzureißen und mit Plattenbauten zu ersetzen“, weiß Peter Hollendunter. „Lange Zeit war ein entsprechendes Modell noch im Rathaus zu sehen. Und viele Bewohner der Altstadt begrüßten die Pläne. Denn im Neubau gab es ordentliche Sanitär- und Toilettenanlagen sowie Zentralheizung.“
Doch bekanntlich wurde daraus nichts, der Umbruch in der DDR und die deutsche Wiedervereinigung funkten dazwischen. Mit Fördergeldern wurden zahlreiche Altbauten aufgehübscht und modernisiert. „Das war eine Phase, in der deutlich weniger Touristen nach Bautzen kamen“, sagt Peter Hollendunter. Und auch während der jüngsten Corona-Pandemie musste die Kommune einen zwischenzeitlichen Einbruch bei den Besucherzahlen verkraften. „Jetzt aber sind die Führungen wieder angelaufen“, meint er. Und darüber ist der Nachfahre einer schwäbischen Familie, die sich einst in Ungarn angesiedelt hatte, glücklich.
Stadtführerausbildung startet
Doch was geschieht, wenn Menschen wie Peter Hollendunter den Hut nehmen und sich für immer in den Ruhestand verabschieden? Die Kreisvolkshochschule Bautzen (KVHS) hält mit einem Ausbildungslehrgang dagegen. Dieser startet am 29. September, wie Elke Burkhardt berichtet. Sie ist an der Bildungseinrichtung Fachbereichsleiterin für Kultur und Gesundheit. Eine Woche zuvor am 22. September gibt es quasi zur Einleitung einen Infokurs, der ab 17.00 Uhr in den Räumen der KVHS am Postplatz 3 stattfindet. „An mehreren Abenden und Freitagnachmittagen beziehungsweise samstags werden die Grundlagen und das nötige Rüstzeug für die Stadtführung und Reiseleitung vermittelt. Dabei geht es um Kommunikation, Rhetorik, Organisation, Wissensvermittlung, Recht und Marketing sowie praktische Anleitung und Übung“, erklärt sie. „Im Anschluss findet der Praxisteil statt. Mit dem Zertifikat können Sie sich bei Anbietern von Stadtführungen sowie Reiseunternehmen bewerben beziehungsweise selbstständig Reisegruppen organisatorisch betreuen. Gegebenenfalls wird von den Einrichtungen noch eine Prüfung vorgenommen.“ Eine Anmeldung ist hier möglich.
Peter Hollendunter indes hat einen Rat für die nächste Generation von Stadtführern parat. Sie sollten es in erster Linie nicht des Geldes wegen tun, sondern sich auf die Touristen konzentrieren. „Gute Führungen werden von ihnen entsprechend honoriert“, kann er aus Erfahrung mitteilen. „Wenn sie dann auch noch kundtun, die Stadt, in der sie einen Rundgang mitgemacht haben, weiterempfehlen zu wollen, hat man seinen Job richtig gemacht. Das ist der beste Lohn für alle Anstrengung“, findet Peter Hollendunter nach mehr als 1.000 Stadtführungen mit ihm vorneweg. Obwohl ihm bewusst ist, dass ein möglicher Brückenbau in der westlichen Altstadt von Bautzen selbst in den Reihen der Stadtführer durchaus umstritten ist, sieht er durchaus Vorteile in einem solchen Vorhaben. „Das historische Zentrum ließe sich vom Verkehr ein Stück weit entlasten und die Parksituation dort würde sich deutlich entspannen. Und wenn dazu noch der Burgwasserturm und das Langhaus eine Sanierung und Nutzung erfahren, hätten wir alle gewonnen“, denkt der Spreestädter. In Hinblick auf ein bei Touristen beliebtes Fotomotiv schiebt er nach: „Das würde keinen Schaden nehmen.“