Steuermann, wie ist jetzt der Kurs im Landkreis?
Die derzeitige Lage erfordert vom neuen Landrat Udo Witschas eine hohe Kommunikationsfähigkeit, wenn er die Bevölkerung mit ins Boot nehmen will. Foto: Benjamin Vogt
Bereits im Wahlkampf wurde mit harten Bandagen gekämpft und Udo Witschas musste beweisen, dass er starke Nerven hat. Diese braucht er jetzt auch, trat er doch sein Amt vor einer Woche in stürmischen Zeiten an. Der Oberlausitzer Kurier stattete ihm einen Besuch ab und befragte ihn zur aktuellen Lage des Landkreises.
Landkreis. Eng gestrickt ist der Zeitplan des neuen Landrates. Von einer ruhigen Einarbeitung kann keine Rede sein. Aber dazu sind Politiker gewählt, dass sie auch dann führen, wenn es unangenehm wird. Den heftigen Wahlkampf scheint der frühere Bürgermeister von Lohsa jedenfalls erstmal gut weggesteckt haben: „Ich will nach vorn schauen. Wir sind gestartet“ sagt er optimistisch. Aber natürlich sind einige Narben geblieben. „Das macht natürlich was mit einem. Auch mit der Familie, die das ja alles mitbekommt.“
Jetzt muss er beweisen, dass er die Versprechen, aufgrund derer er gewählt wurde, auch einhält. Da wäre zunächst die Durchsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Noch als Beigeordneter hatte er darauf verwiesen, dass für ihn die Sicherung der Versorgungssicherheit Priorität hat. Nach einem Gespräch, was noch in seiner letzten Woche als Beigeordneter mit der Sozialministerin geführt wurde, konnte er jetzt auch feststellen, dass diese Sichtweise inzwischen auch in Dresden geteilt wird. „Es gibt kein Interesse an einer Fortführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht über den 31. Dezember hinaus“ betont er. Und scheint auch erleichtert, dass damit die Chance besteht, den durch diese Maßnahme zerrütteten sozialen Frieden im Gesundheitswesen wieder herzustellen. Auch hält er fest, dass bis jetzt keine Bußgeldbescheide an Mitbürger verschickt wurden, weil sie sich nicht gegen Corona impfen lassen möchten. „Die Bußgeldbescheide, die rausgegangen sind, ergingen lediglich an Arbeitnehmer, die sich gar nicht zurückgemeldet haben. Es gibt keine Bußgelder wegen einer fehlenden Impfung.“
Ein anderes Thema, welches zur Zeit wahrscheinlich noch mehr die Gemüter erregt, ist die aktuelle Energiekrise. Auch dazu ist der neue Landrat um eine klare Aussage nicht verlegen: „Ich bin nicht bereit, den Landkreis gegen die Wand zu fahren, wegen einer verfehlten Bundespolitik.“ Denn so hart das klingt, aber darauf scheint es gerade hinauszulaufen. „Wir waren jahrelang stolz, dass der Landkreis stabil gewirtschaftet hat.
Diese stabile Position ist innerhalb kürzester Zeit verloren gegangen“ muss er feststellen. „Selbst die Finanzkrise hat uns lange nicht so hart getroffen“ Das kann man auch an den Zahlen ablesen: betrug das Loch im letzten Doppelhaushalt des Landkreises der Jahre 2021/2022 insgesamt 12,5 Millionen Euro, wird es voraussichtlich im kommenden Doppelhaushalt 2023 rund 40 Millionen betragen. „Selbst wenn wir alle freiwilligen Ausgaben des Landkreises streichen würden und das Leben komplett runterfahren, bleibt immer noch ein Defizit von reichlich zehn Millionen übrig“ sagt Witschas. Zu den sogenannten freiwilligen Ausgaben zählen übrigens Theater, Bäder, der öffentliche Nahverkehr, und dergleichen mehr.
Allein, wenn man die Sozialhilfe, den Verkehr und die Umlage für den kommunalen Sozialverband zusammenrechnet, komme man auf Mehrausgaben von reichlich 15 Millionen Euro. Deswegen musste der Landkreis auch erstmalig einen Kassenkredit aufnehmen, um die laufenden Kosten zu tragen. „Das zieht uns die Füße weg“ stellt er fest. „Aber ich will als Landrat da keine falsche Hoffnung machen“ muss er eingestehen.
Denn die Hauptverantwortung für die aktuelle Lage sieht er auf der Bundesebene. „Ich verurteile den Angriffskrieg Russlands ganz klar“ betont er , „aber wenn die Sanktionen das eigene Volk viel härter treffen als den Aggressor, muss man auch bereit sein, umzudenken“. Auch ist ihm wichtig zu betonen, dass er mit vielen anderen Landräten klar hinter der Aussage des Ministerpräsidenten steht.
Der Wirtschaftszweig, der aktuell am härtesten betroffen ist, sind die kleinen mittelständischen Betriebe. Viele Unternehmer denken bereits laut darüber nach, ihre wirtschaftliche Tätigkeit einzustellen. Udo Witschas erklärt dazu, dass es nicht vermittelbar sei, „dass die großen Firmen einen Rettungsschirm bekommen, während das Rückgrat unserer Wirtschaft, die vielen kleinen und mittleren Betriebe, einfach wegbricht.“ Denn für ihn ist auch klar, dass der Staat nur solange Steuereinnahmen hat, solange Leute arbeiten gehen und Steuern zahlen. Allerdings befürchtet er, dass am Ende nur „die Überlebenden übrig bleiben“.
Es steht fest, dass der Landkreis durch die aktuelle Lage genauso ins Schleudern geraten ist wie die Bevölkerung. Ob es dem neuen Landrat gelingt, trotz allen Herausforderungen eine gute Zukunft in der Region möglich zu machen, muss er jetzt beweisen. Im Privaten gab es auf jeden Fall schonmal einen kleinen Neustart. Nachdem im Wahlkampf sein Hund feige vergiftet wurde, hat dieser inzwischen zwei Nachfolger. „Wir sind sehr glücklich mit den Beiden“ freut er sich. Hoffentlich gelingt es, dass auch die Bürger im Landkreis sich in Zukunft wieder mehr freuen können.