Stimmgewaltig raus aus der großen Krise
Für eine unverhoffte musikalische Abwechslung sorgte Nicci Schubert am Muttertag unter den Bewohnern des AWO-Altenpflegeheims „Zentralhospital“ in Görlitz. Foto: Till Scholtz-Knobloch
Die Pandemie hat auch Musiker erst einmal zur Untätigkeit gezwungen. Doch unsere lokalen Sangesgrößen, die aus Ludwigsdorf stammende Angelika Martin und die aus Kodersdorf stammende Nicci Schubert, trotzen dem Virus. Nicci Schubert ging nun dorthin, wo Kontakte besonders heikel sind – ins Altenheim.
Die Auftragsbücher von Sängerin Angelika Martin waren in diesem Jahr gut gefüllt. Doch dann kam die Corona-Krise. Foto: privat
Görlitz / Niesky / Beiersdorf. „Am Muttertag, ist es auf unserem Hof um den Brunnen immer sehr voll. Gerade heute wären eigentlich ganz viele Familienangehörige bei uns“, sagt Jana Nickolmann, die Leiterin des AWO-Altenpflegeheims „Zentralhospital“ in Görlitz. Doch an diesem Muttertag müssen aufgrund des grundsätzlichen Besuchs- und Betretungsverbot für stationäre Pflegeeinrichtungen Gäste draußen bleiben. Da die Not bekanntlich erfinderisch macht, hat Jana Nickolmann ein Angebot gerne angenommen, das sich einige Tage zuvor auch schon in Niesky bestens bewährt hatte.
Nicci Schubert, die noch im Februar auf ihrer Homepage aus dem Corona-Hotspot Ischgl in Tirol gegrüßt hatte, stand mit Hilfe der Feuerwehrkameraden in Niesky auf der Drehleiter und sang von dort im sicheren Abstand für die Bewohner des vom Virus schwer getroffenen Altenpflegeheims Abendfrieden.
„Bei Weihnachtssauftritten stand ich zuletzt auf der Bühne und im April wäre eigentlich die Saison für mich wieder richtig angelaufen“, verrät Nicci Schubert, die sich bei ihrer eigentlichen Arbeit bei Lidl in Zeiten der Pandemie über Untätigkeit nicht beklagen kann, dem Niederschlesischen Kurier.
„Aber die ich stehe leidenschaftlich gerne auf der Bühne, mir fehlt da schon etwas“, sagt sie. Mit DJ Sebastian Noll, der das gesamte technische Equipment bereitstellt, griff sie also gerne zu, für Senioren in Niesky und nun auch in Görlitz Benefizkonzerte zu geben. Die Stimme habe sie warmhalten können: „Das passt, zum einen rede ich ohnehin unheimlich viel, und das Singen geht mir ja nicht verloren, ob in der Küche oder im Wohnzimmer“. Bei den Fans kam auch der Unplagged-Gesang im Internet bestens an. Eine Freudin begleitet Nicci ganz entspannt barfuß am Klavier. „Auch so kann man die Zeit genießen, einfach mal nachdenken und sich neu erfinden“, sagt sie.
Auch Sängerin Angelika Martin, die heute in Beiersdorf lebt, hat der Krise zumindest anfänglich etwas Positives abgewinnen können, „weil ich mal Gelegenheit hatte, Dinge zu tun, wozu ich davor kaum Zeit hatte.“ Der Stillstand ihrer Arbeit als Sängerin sei für sie jedoch zunehmend existenzbedrohend. „Besonders ärgerlich ist die Tatsache, dass meine Auftragsbücher voll und die Anfragen, die ich dieses Jahr erhielt, noch nie so gut waren“, sagt sie. Leider seien bis auf wenige Ausnahmen fast alle Termine abgesagt oder bis auf Weiteres verschoben worden. Hinter einem vollen Terminplan würde eine jahrelange Vorbereitung stecken. Diese, von ihr vorinvestierte Zeit wird bei den finanziellen Hilfen, die von Bund und Land angeboten werden, nicht berücksichtigt, betont sie. „Es muss aber weitergehen – und ich wäre nicht Angelika Martin, wenn ich jetzt den Kopf in den Sand stecken würde“, fügt sie hinzu.
Angelika Martin sieht sich quasi in einem „verordneten Ruhestand.“ Das lange Veranstaltungs- und Kontaktverbot komme einem wirtschaftlichen Totalschaden gleich. Abgesagte Messen, Stadtfeste, Familienfeiern hätten ihr jede Möglichkeit genommen Einnahmen zu generieren. Musik als Lebensunterhalt hat also auch eine andere Seite neben den fehlenden glücklichen Gesichtern im Publikum.
Die Corona-Krise mische ihrer Auffassung nach die Karten neu und biete so auch die ein oder andere Chance, Dinge neu zu entdecken und andere Wege zu gehen.
Eigentlich sollte in diesen Tagen ihr 5. Album erscheinen. Dieses Vorhaben ist aufgrund der Krise bis auf Weiteres verschoben worden. Es wird jedoch eine Single-Auskopplung geben. Der Titel „Du fehlst mir so“ passt zweifellos in diese Zeit und spiegelt wohl die Gemütslage vieler Menschen in diesen Tagen wider.
„Für mich ist es auch eine ganz private Botschaft aus tiefstem Herzen an meine Familie, meine Freunde und Fans, die ich sehr vermisse. In dieser Zeit wird mir ganz besonders bewusst, wie wichtig mir meine Arbeit, mein soziales Leben und die persönlich Freiheit ist“, sagt sie.