Streitfall Sackgasse und kein Ausweg?
Fühlen sich auf dem Planungsweg nicht mitgenommen: Anwohner der Lützowstraße in der Wichmann-Siedlung. Im Hintergrund soll ein neuer Eigenheimstandort entstehen.
Wie demokratisch sind Planungsverfahren? Ein Fall in Bautzen zeigt auf, dass sich so manch einer gern mehr Mitspracherecht wünscht. Vor allem Anrainer der Bautzener Lützowstraße.
Bautzen. In der gut achtjahrzehntealten Wichmann-Siedlung hat sich Frustration breit gemacht. Anwohner der Lützowstraße zeigen sich verärgert darüber, wie in den zurückliegenden Monaten mit ihren vorgetragenen Einwänden umgegangen worden ist. Im Visier haben sie dabei die Stadt, die den Bebauungsplan eines privaten Investors absegnen soll. Eine Bürgeranhörung Mitte März habe gezeigt, dass ihre Vorstellungen von einer Erschließung des neuen Eigenheimstandortes gleich nebenan nicht ernsthaft geprüft wurden. „So kann man nicht mit Bürgern umspringen“, meint Eckhard Grätz im Gespräch mit dem Oberlausitzer Kurier. Seine Nachbarn Volkmar Jurschik und Achim Toppe, beide 64 Jahre alt, pflichten ihm bei.
Doch die drei Herren sind nicht die einzigen, die sich vor den Kopf gestoßen fühlen. Sie vertreten nach eigenen Angaben eine ganze Reihe von Hauseigentümern in der vom 1962 verstorbenen Architekten Heinrich Wichmann entworfenen Siedlung. Ihr innigster Wunsch ist es, dass an der seit Jahren vorzufindenden Straßenführung auch künftig nicht gerüttelt wird. Der Planentwurf besagt jedoch etwas völlig anderes. Diesem zufolge soll die 5,20 Meter breite Lützowstraße nicht länger Sackgasse bleiben, sondern die Aufgaben einer Durchfahrtsstraße erfüllen. „Für den Fall befürchten wir eine zunehmende Gefährdung vor unseren Haustüren und eine zusätzliche Lärmbelastung“, verweist Volkmar Jurschik sinngemäß auf eine Textpassage aus dem Einspruch, der bereits im Herbst der Verwaltung zugestellt wurde.
„Wir befinden uns momentan in der Abwägungsphase des Vorhabens“, teilte Roland Zetsch mit. Unter der Regie seines Unternehmens wird die Erschließung des Geländes eines früher dort ansässigen Gartenbaubetriebes sowie der Verkauf der Parzellen erfolgen. Bis zu 35 Eigenheime lassen sich nach Auskunft der Stadt vor Ort errichten. Die Grundstücke besitzen eine Größe zwischen 600 und 1.500 Quadratmetern. „Unser Planentwurf basiert auf Varianten, die aus Wirtschaftlichkeitsvergleichen sowie Möglichkeiten der Erschließung entstanden sind. Der Vorschlag der Anwohner hingegen entspricht nicht bestimmten Auflagen genehmigender Behörden.“
Die Herren aus der Wichmann-Siedlung hatten Investor und Kommune einen Vorschlag für eine andere mögliche Straßenführung unterbreitet. Ihren Vorstellungen zufolge soll das noch zu bauende Asphaltband in U-Form vom deutlich mehr befahrenen Spittelwiesenweg abzweigen. Somit würde sich ein Anschluss an die Lützowstraße erübrigen. „Durch diese Anordnung ist der neue Eigenheimstandort für sich abgeschlossen.“ Roland Zetsch kann das nicht gutheißen. „Wir dürfen aus Gründen des Hochwasserschutzes nicht alle Zufahrtswege asphaltieren. Es werden daher auch mit einer Schotterdecke versehene Privatstraßen entstehen, auf denen Regenwasser versickert.“
Baubürgermeisterin Juliane Naumann bestätigte indes, dass Hinweise aus der Lützowstraße an die Stadtverwaltung herangetragen wurden. Jedoch blieb sie selbst der OLK-Redaktion gegenüber eine Antwort schuldig, wie mit den Anmerkungen verfahren wurde. Eigentlich sollte einmal die Wichmann-Siedlung bis dorthin reichen, wo schon bald eine Erweiterung des Eigenheimstandortes ‚Sonnenblick’ entsteht, greifen Eckhard Grätz, Volkmar Jurschik und Achim Toppe ein Argument der Stadt auf. Spätestens nach Kriegsende wurde das Vorhaben allerdings auf Eis gelegt, halten sie und all ihre Unterstützer dagegen.
Die Wichmann-Siedlung, die ohne Zweifel gestalterisch über einen einzigartigen Charakter verfügt, in irgendeiner Form, auch wenn nur teilweise, auf den neuen Eigenheimstandort zu übertragen, betrachten die Anwohner der Lützowstraße als nicht realisierbar. Der ursprüngliche Bestand sollte ihres Erachtens in seiner jetzigen Form und Ausdehnung erhalten bleiben. Es gebe keinen zwingenden, historisch gewachsenen Grund, die Wichmann-Siedlung mit dem neuen Baugebiet zu verknüpfen.
Baubürgermeisterin Juliane Naumann dazu: „Der architektonische Übergang von der Wichmann-Siedlung zum neuen Baugebiet wird anhand von Festsetzungen bezüglich Bauhöhe, Dachneigung, Baugrenzen etc. geregelt.“
Auf diese Weise ließen sich die noch zu errichtenden Eigenheime an die bereits bestehende Bausubstanz angleichen.