Strukturwandel: Kretschmer lässt sich nicht in die Parade fahren
An der Grube – hier bei Altliebel – soll nun spätestens bis 2030 Schluss sein. Die Politk gerät weiter unter Druck. Foto: T. Scholtz-Knobloch
Region. Erst am 13. November hatte der Niederschlesische Kurier auf der Titelseite über Proteste von Bürgermeistern aus dem Norden des Landkreises Görlitz am Beispiel Rietschen berichtet, die gegen die regional weitläufige Verteilung von Strukturfördermitteln im Zuge des Ausstieges aus der Kohleverstromung opponierten und das „kernbetroffene“ Gebiet stärker berücksichtigt sehen möchten (Tram in Görlitz statt Wirtschaft an der Grube). Nun hat Ministerpräsident Michael Kretschmer versucht, mit einem Treffen mit den Bürgermeistern in der Sächsischen Staatskanzlei am 26. November die Wogen zu glätten.
Nach dem Treffen, bei dem auch der Staatsminister für Regionalentwicklung, Thomas Schmidt, dabei war, betonte Kretschmer: „Wichtig ist mir dabei, dass wir auch nach außen immer wieder deutlich machen, welche Chancen und Möglichkeiten mit dem Strukturwandel verbunden sind. Ob es um eine bessere Anbindung geht, neue Technologien für industrielle Prozesse, die Ansiedlung von Forschungseinrichtungen und Behörden und vieles mehr – all das stärkt die Region insgesamt und macht sie für bestehende und neue Unternehmen und die hier lebenden Menschen attraktiver.“
Die Aufgabe sei insgesamt nicht leichter geworden, fügte er mit Blick auf den von der künftigen Bundesregierung angestrebten früheren Kohleausstieg 2030 hinzu. Mit Blick auf Berlin betonte er, dass Sonderabschreibungsmöglichkeiten nötig seinen, um Unternehmensinvestitionen zu fördern.
„Die Betroffenheit der Orte, die sich unmittelbar an den heutigen Tagebauen oder Kraftwerken befinden, haben wir im Blick. Sie stehen zweifelsohne vor besonderen Herausforderungen. Darum sind wir jederzeit gesprächsbereit, um die in diesem Zusammenhang auftretenden Fragen konstruktiv zu erörtern“, brachte Staatsminister Schmidt Zweifler auf Linie und betonte noch einmal altbekanntes: „Die Maßnahmen des Strukturwandels werden auf Schwerpunkte ausgerichtet. Hierbei wollen wir künftig gemeinsam die schon bestehenden Kompetenzen und Stärken weiterentwickeln. Dafür sind bereits Workshops vereinbart. Ich bin sehr froh, dass dieser Ansatz auch von den Vertretern der betroffenen Kommunen mitgetragen wird.“
Und so habe am Ende Einigkeit bestanden, „dass das geltende Verfahren der Projektauswahl Bestand hat“, so die Staatskanzlei, die die Pressemitteilung mit „Die Lausitz verantwortungsvoll entwickeln!“ überschrieben hatte.
Dem Wunsch nach mehr Transparenz solle jedoch Rechnung getragen werden. So heißt es weiter: „Künftig sollen dazu alle neu vorgeschlagenen Projekte dem Regionalen Begleitausschuss (RBA) frühzeitig vorgestellt werden und dabei einen vergleichbaren Planungs- und Ausarbeitungsstand aufweisen. Auch wurde ein transparentes Finanzcontrolling zur regelmäßigen Information des RBA vereinbart.“
Eine Kernforderung, die Rietschens Bürgermeister Ralf Brehmer im Niederschlesischen Kurier hervorhob, wurde jedoch abgekanzelt: „Die ebenfalls gewünschte Quotierung der bereitgestellten Mittel wurde im Ergebnis der Beratung als nicht zielführend für die Auswahl der besten Projekte verworfen.“ Die Staatskanzlei fasst Ralf Brehmer stellvertretend für Bürgermeister aus dem Norden des Kreises Görlitz in der Pressemitteilung mit den Worten zusammen: „Ich bin dankbar, dass wir heute ein so konstruktives Gespräch führen konnten. Unsere Gemeinden sind vom Kohleausstieg besonders betroffen, haben aber auch Stärken, die wir mit dem Strukturwandel weiter ausbauen wollen. Erste Maßnahmen zeigen in unserer Region zweifelsohne schon ihre Wirkung. Die Ansiedlung des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in Weißwasser ist dafür ein gutes Beispiel.“
Das die sich abzeichnende neue Bundesregierung bereits bis 2030 aus der Kohle aussteigen will, stößt beim CDU-Kreisverband indes sauer auf. „SPD, Grüne und FDP verscherbeln die Zukunftschancen der Oberlausitz“, stellte Kreisvorsitzender Florian Oest dazu fest. Schon jetzt habe man mit steigenden Energiepreisen zu kämpfen. Die Energiewende könne nur gelingen, wenn zu jedem Zeitpunkt die Grundlastsicherung garantiert werde. „Wir brauchen ausreichend Zeit, um den Strukturwandel in der Lausitz zu gestalten“, so Oest. Die meisten notwendigen Projekte für die Wirtschaft in der Lausitz seien noch nicht einmal begonnen, die Entscheidung weder wirtschaftlich vernünftig noch sozial ausgewogen.“
Zu den Bemühungen der Sächsischen Staatskanzlei, den eingeschlagenen Weg festzuzurren, darf man sicher auch die angekündigte vertiefte Zusammenarbeit mit der Staatskanzlei Brandenburg rechnen. Die Chefin der Brandenburger Staatskanzlei, Ministerin Kathrin Schneider, und Sachsens Staatsminister für Regionalentwicklung, Thomas Schmidt, unterzeichneten am 29. November in einer gemeinsamen Videokonferenz eine Kooperationsvereinbarung. Darin bekräftigen die Länder das Ziel, die Lausitz gemeinsam zu einer europäischen Modellregion für den Strukturwandel und zu einer nachhaltigen Energieregion zu entwickeln.