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Tägliche Verluste in tausenden Euro

Tägliche Verluste in tausenden Euro

Burkhard Kämmerer (links), Chef des Görlitzer Hotels Silesia, setzt auf Kurzarbeit. Doch kann das die Rettung sein? Sein Mitarbeiter Tomasz Borkowski ist eine Stütze der Mehrsprachigkeit des Hotels und Restaurants. Foto: Till Scholtz-Knobloch

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Die Hotelarbeit hat sich erstmal weitgehend auf den Papierkram verlagert. Burkhard Kämmer (rechts) brütet vor einem Berg von Stornierungen. Links von ihm Sohn Felix. Ganz links Tomasz Borkowski. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Dass wenige Wochen ein Lebenswerk ruinieren können, riechen derzeit ganz viele Menschen. Die Reisebranche kann dem Desaster an vorderster Front nicht entweichen. Der Niederschlesische Kurier besuchte den Görlitzer Hotelier Burkhard Kämmerer am Dienstag.

Görlitz. „Momentan fühle ich mich, als wenn ich ein Brett vor den Kopf bekommen hätte. Ich weiß nicht mehr, wo vorne und hinten ist. Eine gut akquirierte Saison, die wir aufgebaut haben, stürzt systematisch ein“, sagt Burkhard Kämmerer, der Betreiber des Hotels Silesia in der Görlitzer Südstadt, der gerade mit seinem Mitarbeiter Tomasz Borkowski von der Bank zurückgekommen ist. 

Er wollte eine größere Summe abheben, doch die müsse eine Woche zuvor angemeldet werden, hieß es. Nun sitzt er mit Sohn Felix und Tomasz Borkowski in der Sitzgruppe am rückseitigen Eingang, zieht an der Zigarette und atmet tief durch. Vor ihm ein riesiger Stapel Stornierungen, der auch noch zu bearbeiten ist. Und in diesem Moment des Durchatmens erfährt Sohn Felix gerade von einem Freund aus Hessen am Handy, dass dieser sich nun in Quarantäne befindet.

Ein bitteres Runzeln zieht sich durch die Gesichter der drei und Burkhard Kämmerer sagt: „Ich erhalte täglich Stornierungen in Höhe von Tausenden von Euro. Ich frage mich, ob ich das Unternehmen Hotel Silesia GmbH nicht stilllegen werde aufgrund der Tatsache, dass nun auch das Restaurant ab 18.00 Uhr zu schließen hat und keinerlei touristische Buchungen mehr erfolgen.“ Im Haus ist eine gespenstische Ruhe, die letzten Gäste sind Ukrainer, die am Megastau an der Autobahngrenze kapitulierten und im Hotel erst einmal innehalten und ihrerseits die Gedanken sortieren. Das tut auch Kämmerer und meint dann verantwortungsvoll: „Es ist wohl das Beste, dass ich Kurzarbeit für meine Mitarbeiter anmelde und erstmal bis auf weiteres, bis der Coronavirus eingedämmt ist, das Unternehmen schließe. Das Hotel Silesia verfügt über 60 Betten und zwei Ferienwohnungen. Insgesamt sind es über 30 Zimmer. „Sie können davon ausgehen, dass sämtliche gebuchten Reisegruppen bis einschließlich Ende Mai ihre festgebuchten Reisen storniert haben.

Nur bis heute habe ich in zwei Wochen schon einen Ausfall zwischen 40.000 und 55.000 Euro.“ Doch so richtig glauben kann er an Hilfe der öffentlichen Hand nicht. „Die Ämter werden den ganzen Stau an Hilfen auch kaum bearbeiten können.“ Immerhin habe er ein positives Gespräch mit der IHK führen können. Dennoch sei er natürlich auch erst einmal auf ein Online-Formular verwiesen worden, mit dem Kurzarbeit beantragt werden könne. Doch er müsse das nun anstreben, um nicht in sechs, acht Wochen in ein großes Loch zu fallen.
„Bei mir liegt die Haupthoffnung darin, dass sich das Wetter auf Dauer so entwickelt, dass wir einen Abstand vom Virus finden. Aufgrund der Informationen des Robert-Koch-Instituts sehe ich die ganze Entwicklung jedoch nicht so rosig. Wenn man von einer Pandemie von zwei Jahren spricht, möchte ich jetzt voraussagen, dass die Wirtschaft zu Grunde geht.“

Eines von Millionen Lebenswerken steht vor der größten Krise, wenn nicht dem Aus. „Ich war Kundendienst-Inspektor bei der Allianz-Versicherung in Frankfurt am Main. Die Frankfurter Versicherung hat quasi die DDR-Versicherung aufgekauft und da hatte mich die Allianz gefragt, ob ich Interesse hätte die Oberlausitz zu betreuen. Im November 89 habe ich mir Görlitz, meinen damals zukünftigen Arbeitsplatz, angeschaut und war dann im Februar 1990 mit einem Generalagentur-Büro hier und habe über Monate nur in Hotels gewohnt. Diese waren sehr teuer und unter aller Würde, so dass ich damals auf die glorreiche oder heut weniger glorreiche Idee kam selber ein Hotel aufzumachen“, erinnert er sich.

Versicherungsverträge gingen weg wie warme Semmel, die Besitzverhältnisse des künftigen Hotels waren geklärt, so dass er dieses schnell von einer Berliner Erbengemeinschaft erwerben konnte. Mit dem Namen „Hotel Silesia“ habe er den Boom der vielen Heimwehtouristen bedienen können und und er freundete sich so auch selbst mit Schlesien an. „Ich fühle mich hier in Görlitz als Niederschlesier.“ Unter den vielen Schlesiern, die bei ihm Zwischenstation gemacht haben, sei u.a. auch mehrfach Dieter Hildebrandt gewesen, der familiär aus Bunzlau stammte. Der Generationswechsel haben der regionalen Marke jedoch in keiner Weise geschadet, denn bei zunehmend polnischer Kundschaft wirke das Label Silesia ebenso positiv.

Unterstützt werde das aber auch dadurch, „dass unser Haus auch vielsprachig geführt ist. Es wird sowohl Polnisch, Tschechisch, Russisch, Englisch und Spanisch von unserem Mitarbeitern gesprochen. Das ist auch so eine Sache, die ich auch meinen Kindern mit auf den Weg geben möchte. Wenn ihr noch eine Sprache erlernen wollt, dann habt ihr die polnische Sprache zu erlernen, denn ihr seid hier im Grenzgebiet“, meint er.

Doch Alleinstellungsmerkmal seines Hauses hin oder her: Für die Zeit der Leere hat er sich vorgenommen: „Ich habe mir erst einmal etwas Schönes vornehmen, was auf der Strecke geblieben ist. Das schöne Zuhause und der Garten. Den kann ich wohl die nächsten Wochen in Ruhe pflegen. Ich bin gar böse drum, eine Ausgangssperre zu bekommen“, sagt er mit bissigem Sarkasmus und dennoch dem Gemüt, das Beste aus jeder Situation zu machen. 

Roland Kaiser / 21.03.2020

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