Tagebaufirma bewegt sich auf Gemeinde zu
Im Jahr 2018 protestierten zahlreiche Grundstücksbesitzer in der Gemeinde Malschwitz gegen die Auswirkungen des Granitabbaus. Foto: privat
Kommt im Ringen um eine Regulierung von Gebäudeschäden im Einzugsgebiet des Steinbruchs Pließkowitz nun endlich Bewegung? Zumindest hat der Tagebaubetreiber der Gemeinde ein Angebot unterbreitet. Um darauf einzugehen, benötigt die Kommune ein klares Signal aus der Bürgerschaft.
Malschwitz. Bürgermeister Matthias Seidel hat kürzlich Post erhalten – und zwar von den Betreibern des Granittagebaus entlang der Ortsverbindungsstraße Pließkowitz-Kleinbautzen. Aus dem Schreiben, über das die Redaktion in Kopie verfügt, geht hervor, dass ein Sachverständiger zum Einsatz kommen soll, der von den Bürgern selbst bestimmt wird. Das Unternehmen will die Kosten dafür übernehmen. Der Experte erhält demnach den Auftrag, drei „repräsentative Häuser“ zu begutachten und die Ursachen für vorhandene Schäden festzustellen. Das Angebot gelte bis zum 29. März. In dem Zusammenhang stellte der Geschäftsführer des Tagebaubetreibers jedoch die Bedingung auf, „dass sich alle Beteiligten dem Ergebnis des Gutachtens unterwerfen“. Das Gemeindeoberhaupt setzte daraufhin die Arbeitsgruppe Steinbruch darüber in Kenntnis, ohne dass diese sich dazu erklären konnte. Sie soll lediglich ihre Zustimmung erteilen oder nicht.
Bürgerinitiative kartiert beschädigte Gebäude
Außen vor blieb wie so oft die Bürgerinitiative (BI) „Steinbruch Pließkowitz“. Sie zeigte sich überrascht von dem Vorstoß. Für deren Mitstreiter ergab sich jedoch die Frage, welche Zielstellung dahinter steht. Seit 2017 bemüht sich die Protestbewegung um eine bessere Lebensqualität rund um den Steinbruch. In dem Zuge hatte sie auf Anraten des Oberbergamtes (OBA) jeweils den Moment dokumentiert, in dem Sprengungen im Tagebau erfolgten. So entstanden quasi in Echtzeit Fotos und Videos, die demonstrieren, welche Auswirkungen die Detonationen mit sich brachten. Zu finden sind diese auf der Facebook-Seite der BI. Die Protestbewegung geht davon aus, dass inzwischen mehr als einhundert Gebäude Rissbildungen und größere Schäden aufweisen, die wiederum in Zusammenhang mit den Arbeiten im Steinbruch gebracht werden. Überprüfen ließ sich das durch die Redaktion nicht. Der Bergbaubetreiber und die von seiner Versicherung beauftragten Sachverständigen indes zeigten sich bislang überzeugt davon, dass vom Granodiorit-Abbau keine Beeinträchtigungen ausgehen.
Sie stützten sich dabei auf ein Sprenggutachten. Dieses kam zu dem Schluss: Es müssen andere Ursachen als die Sprengerschütterungen für die Rissbildungen an Gebäuden verantwortlich sein. Das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) hatte in den zurückliegenden Monaten die Sprengungen im Steinbruch mit einer speziellen Messmethode begleitet. Und auch jetzt noch werden nach Beobachtungen der BI Vergleichsuntersuchungen vor Ort vorgenommen. Auf diese Weise will die Behörde Aufschluss darüber gewinnen, ob das erwähnte Sprenggutachten in seinem Ergebnis stimmig ist. „Wir benötigen einen Gutachter lediglich dafür, den jeweiligen Schaden in Euro zu benennen, damit endlich an die Bürger eine Ausgleichszahlung erfolgen kann“, brachten die Mitglieder der BI das Ganze auf den Punkt.
In Mitleidenschaft gezogene Häuser hier - intakte Gebäude da
Dass in der Vergangenheit möglicherweise großflächig Setzungserscheinungen stattfanden, dafür sieht das OBA wiederum keine Hinweise. „Diese Annahme kann mangels bergbaubedingter Grundwasserabsenkung unter den betreffenden Gebäuden ausgeschlossen werden“, teilte bereits im Juli vergangenen Jahres Behördenleiter Bernhard Cramer auf Anfrage mit.
Warum bislang nach Ansicht der BI mit dem Tagebauunternehmen eher behutsam verfahren wurde, zeigt eine Aussage des OBA-Chefs: „Die bedarfsgerechte Rohstoffversorgung ist eine Grundlage der sächsischen Wirtschaft. Der Steinbruch Pließkowitz trägt dazu bei, dass Häuser und Straßen in Sachsen und anliegenden Regionen weiterhin qualitätsgerecht und wirtschaftlich hergestellt werden können.“ Nach Auffassung der Protestbewegung erfolgte das lange Zeit auf Kosten der Bürger. So mussten diese unter anderem hinnehmen, dass des Nachts im Steinbruch die Brechermaschinen liefen, die wiederum laut den Schilderungen von Betroffenen in den umliegenden Ortschaften deutlich zu hören waren und ihnen den Schlaf raubten.
Zahl der Eingaben und Beschwerden wächst
Aufgewirbelter Feinstaub, eine durch schwere Lkw in Mitleidenschaft gezogene Gemeindestraße und die allmonatlichen Sprengerschütterungen sind weitere Punkte, mit denen die Menschen vor Ort seit Jahren konfrontiert werden. Auch dass die vom Bautzener Landratsamt geforderte zeitnahe Begrünung der Außenhalden nur schleppend vorankommt, verärgert die die Bürger. Dazu ließ Bernhard Cramer wissen: „Die Aufforstung beginnt, wenn eine ausreichende Fläche mit kulturfähigem Boden abgedeckt wurde. Dieser steht nur begrenzt zur Verfügung und muss entsprechend dem verbindlichen Staubminderungskonzept auch auf den der Sukzession vorbehaltenen Böschungsflächen aufgetragen werden.“
Vor all dem Hintergrund hat die BI mit zahlreichen Eingaben und Beschwerden reagiert. Sogar ein Petitionsverfahren wurde in Gang gesetzt. Aktuell hakt sie im Fall der Haldenbegrünung nach: „Im Planänderungsbeschluss ist festgelegt, wann was aufzuforsten ist. Die BI lässt auch für den wichtigen Punkt die Rechtmäßigkeit der Zulassungen bei der Staatskanzlei überprüfen, da in allen Bereichen fehlerhafte Angaben vorliegen. Wenn aber Genehmigungen auf falsche Angaben basieren, dann sind sie fehlerhaft und damit unwirksam.“
Fast gebetsmühlenartig stellten die Behörden bislang immer wieder fest, dass gesetzlich vorgegebene Grenzwerte eingehalten beziehungsweise unter-schritten werden. „Der tatsächliche, messbare Einfluss bergbaulicher Tätigkeit auf die Umwelt einerseits und die subjektiv empfundene Belastung bei den in der Nachbarschaft lebenden Menschen andererseits können voneinander abweichen“, erklärte Bernhard Cramer. Und er ergänzte: „Grundsätzlich verfügt der Bergbauunternehmer über eine geltende Zulassung zum Abbau von Granodiorit. Die in die Zulassung aufgenommenen Parameter werden durch den Unternehmer eingehalten. Insoweit besteht zunächst keine Veranlassung zum Handeln. Objektiv belegbare Tatsachen, die eine Beschränkung rechtfertigen, wurden in den laufenden Untersuchungen bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht festgestellt.“
Wird Gemeindestraße zur Steilvorlage für Tagebaukritiker?
An anderer Stelle gibt es diese durchaus und dennoch führt das nicht zu den nötigen Konsequenzen. Das zeigt sich anhand der Ortsverbindung Pließkowitz-Kleinbautzen. Obwohl verschiedene Gutachten vorliegen, auf die sich ein Beschluss des Malschwitzer Gemeinderates stützt, hat ein Gericht diesen zunächst kassiert. Entlang der Strecke sahen die Bürgervertreter die Notwendigkeit für eine Tonnagebegrenzung. Um eine weitere Verschlechterung des Straßenzustandes zu verhindern, sollten künftig nur noch Fahrzeuge mit einem Gewicht von bis zu siebeneinhalb Tonnen dort rollen dürfen. Aufgrund des richterlichen Beschlusses bleibt jedoch alles beim Alten. Weiterhin dürfen auch 40-Tonner in regelmäßigen Abständen die Verkehrsader in Anspruch nehmen, um den Steinbruch als einen von mehreren Anliegern anzusteuern. Auch dazu hat die BI eine eigene Ansicht: „40-Tonner dürfen weiterhin fahren, weil der Bürgermeister auf den Beschluss des Gerichtes nicht reagierte. Er führte keine Beschwerde, obwohl nachweislich vom Bergbauunternehmer nach wie vor behauptet wird, dass eine Straßensondernutzungserlaubnis vorliege. So steht es auch in der Genehmigung von 2018, obwohl es noch nie eine solche gab.“
Die rund 100 Jahre alte Handwerkerstraße befindet sich im Eigentum der Gemeinde Malschwitz. Sollte sich dort in der Zukunft ein Unfall zutragen, könnte dies zu einer Steilvorlage für Befürworter der Tonnagebegrenzung werden und somit auch für Kritiker des Steinbruchs. Doch soweit wollen es die Behörden wohl gar nicht erst kommen lassen. Das Bautzener Landratsamt bittet im April zu einem Vor-Ort-Termin an die Verkehrsader. Daran teilnehmen werden auch Mitstreiter der BI.