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Theaterdebatte: Übernehmen die Polen Hauptmann kampflos?

Theaterdebatte: Übernehmen die Polen Hauptmann kampflos?

Im Görlitzer Theaterfoyer begrüßt Gerhart Hauptmann noch seine Schlesier. Dabei sind Inszenierungen seiner Werke auch hier schon seltene Ausnahmen geworden. Foto: Till Scholtz-Knobloch

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Das Zentrum der Webertradition in Neustadt O.S. (Prudnik) beleuchtet die Freundschaft von Max Pinkus zu Gerhart Hauptmann. Hinten links Marcin Domino im Gespräch. Foto: Klaudia Kandzia

Die geplante Umbenennung des Gerhart-Hauptmann-Theaters nach einem Sponsor hat manche Debatte an den Gartenzäunen ausgelöst. Im politischen Spektrum hat die Sache jedoch nur die Linke als letzte Theatermohikaner auf den Plan gerufen. Wenn die Deutschen Hauptmann nicht mehr wollen, greifen zunehmend eben unsere polnischen Nachbarn zu.

Görlitz.
Erstaunlich leer blieb der Posteingang in der Redaktion in Sachen erwarteter Aufregung in Sachen Umbenennung des Gerhart-Hauptmann-Theaters, das seinen Traditionsnamen zu Gunsten eines Sponsors freimachen will. Es schien, als halte eine involvierte Politik die Füße still. Genau das taten lediglich die Linken nicht und starteten eine Petition gegen den Verkauf der Namensrechte.

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Erste Gebote für einen neuen Namen soll es nach Angaben des Deutschlandfunks geben. Doch das Theater erhofft sich höhere Gebote für das Sponsoring. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Mirko Schultze von den Linken bestätigte im Gespräch mit der Redaktion auch: „Wer sollte sich auch sonst regen? Die Regierungsparteien haben alle ihren Anteil an der Misere und in der AfD sind sicher nicht die klassischen Freunde des Theaters zu finden.“ In der Pressemitteilung der Linken hieß es: „Die Linke in Görlitz weiß um die finanzielle Not der Theater, verursacht durch eine verfehlte Kultur- und Kommunalfinanzierung des Freistaates Sachsen.“ Lohnverzicht habe bislang zur Rettung beigetragen. „Wir sehen auch, dass die Intendanz versucht alle Aufmerksamkeit auf die schwierige und existenzgefährdende Situation zu lenken.“

Aus dem Dilemma habe sich der Vorschlag der Partei zur Finanzierung des Theaters durch ein Genossenschaftsmodell abgeleitet. „Dieser kam leider über die Arbeitsgruppe im Kreistag nicht hinaus, was schade ist. Die Konsequenzen sind unter anderem die jetzigen Diskussionen um den Namensverkauf. Trotz dieser Gesamtlage sehen wir hier eine rote Linie überschritten.“ Mirko Schultze fordert die Gesellschafter der Gerhart Hauptmann GmbH, den Landkreis, und die Städte Görlitz und Zittau auf, die Versuche der Intendanz zu stoppen den Namen unseres Theaters zu kommerzialisieren. Die Namensrechte am Theater seien nicht handelbar. Über Sponsoring könne etwa nachträglich Druck auf den Spielplan ausgeübt werden. „Mit der Drohung Gelder abzuziehen oder den Namensvertrag nicht zu verlängern, wird so womöglich bei strittigen Entscheidungen (ob personell oder thematisch) Druck ausgeübt. 

Das Theater muss aber als ein Ort bestehen bleiben, der provozieren und die Menschen herausfordern kann, ja sogar soll. Dies ist nicht immer konform mit einem aufgesetztes Unternehmensimage, welches durch das Theater weiter aufpoliert werden soll‘‘, so Lukas Kotzybik, Vorsitzender des Ortsvorstandes. Die Petition ist unter https://openpetition.de/!hbnhd zu finden.

Der Kaiser kündigte wegen Hauptmann sein Abo

Möglicherweise erweist sich der Vorschlag des Theaters zur Annahme eine Sponsorennamens aber noch als Geniestreich, um noch einmal Druck aufzubauen. Die Idee hat jedenfalls die Tauglichkeit überregional die Feuilletons zu füllen und bundesweit Schlagzeilen zu generieren, die Politik gehörig in Verlegenheit bringt. Doch ist schon jetzt der eigentliche Verlierern nicht Gerhart Hauptmann, mit dem der heutige Kulturbetrieb an sich nichts mehr anzufangen weiß?
180 Jahre ist es her, dass im schlesischen Peterswaldau (Pieszyce) und Langenbielau (Bielawa) im Eulengebirge der Aufstand der Schlesischen Weber ausbrach. Das Aufbegehren wurde vom preußischen Militär niedergeschlagen, die Weber beklagten elf Tote. Diese „Hungerrevolte“ der Weber machte der schlesische Nobelpreisträger Gerhart Hauptmann zum Thema seines Dramas „Die Weber“, dessen Uraufführung am 25. September vor 130 Jahren in Berlin stattfand. Kaiser Wilhelm II. tobte vor Wut und kündigte seine Loge im Berliner Deutschen Theater.

Landeshuter Webermuseum feiert Kulturerbetag

Beide Gedenkjahre, 1844 und 1994, macht das niederschlesische Webermuseum in Landeshut in Schlesien (Kamienna Góra) zum Thema der diesjährigen Europäischen Tage des Kulturerbes am 14. September. „Die Notlage der schlesischen Weber im 19. Jahrhundert war Gegenstand zahlreicher literarischer Werke, die heute in Vergessenheit geraten sind“, heißt es in der Projektbeschreibung des Landeshuter Webermuseums. Den Teilnehmern des „Erbetags“ werden Gedichte und Dramenfragmente präsentiert, „die an das Phänomen der Poesie zum Thema Weberei und das Elend der Weber erinnern“, versprechen die Organisatoren. Auf diese Weise wolle man Werke schlesischer Autoren, die sich mit der Arbeit der Webereien Ende des letzten Jahrhunderts in Schlesien beschäftigten dem polnischen Publikum in ihrer Sprache vorstellen.

Ein dicker Freund Gerhart Hauptmanns

Im Zentrum der Webertradition (Centrum Tradycji Tkac-kich) im oberschlesischen Neustadt O.S. (Prudnik) ist das Thema Gerhart Hauptmann und die Weber bereits seit mehr als zehn Jahren präsent. Ähnlich wie in Niederschlesien wurde auch in Neustadt nach Kriegsende die Bevölkerung fast vollständig ausgetauscht, und so muss auch dort viel Aufklärungsarbeit geleistet werden, damit die polnische Bevölkerung das deutsche Erbe verstehen und annehmen kann. Neustadt war ein wichtiges Zentrum der schlesischen Weberindustrie, dort lebte zudem Gerhart Hauptmanns Mäzen und Freund – der Textilmagnat Max Pinkus. „Was Gerhart Hauptmann und Max Pinkus verbindet, ist ihr Interesse an den Verhältnissen der Weber. Sie taten es jedoch aus unterschiedlichen Perspektiven“, sagt Publizistin Urszula Rzepiela, die mehr als 20 Jahre Museumsleiterin in Neustadt war. Hauptmann beschreibe den Widerstand der Weber gegen die Mechanisierung der Weberindustrie und den Verlust ihrer Arbeitsplätze sowie Absatzmärkte, so Rzepiela, während Max Pinkus als ihr Arbeitgeber „diese Probleme zu minimalisieren versuchte“, betont sie. Noch bevor sie in Pension ging, konnte im Neustädter „Weberzentrum“ eine Dauerausstellung eingerichtet werden, die die enge Beziehung Gerhart Hauptmanns zu Max Pinkus dokumentiert.

Pinkus hatte mit Viktor Ludwig die erste Hauptmann-Biografie herausgegeben und Gerhard Hauptmann setzte seinem Gönner Max Pinkus ein literarisches Denkmal. „In seinem zweiten Drama ‚Vor dem Sonnenuntergang‘ war der Hauptheld, ähnlich wie Pinkus, Fabrikant, Bibliophile, und er war sehr reich. Hauptmann war sehr oft in der Pinkusvilla in Neustadt zu Gast“, berichtet Germanist Marcin Domino. Der Neustädter Domino ist stolz, an der Dauerausstellung im Zentrum der Webertradition mitgewirkt zu haben. Darin wird auch gezeigt, wie der Textilmagnat und Kunstsammler Pinkus wohnte. Anhand von Fotografien ist selbst sein Schlafzimmer nachgebaut worden, „bekanntlich hingen über seinem Bett Bilder, Theaterplakate und Karikaturen von Gerhart Hauptmann. Pinkus war sehr begeistert vom Leben und Schaffen Gerhart Hauptmanns und weil er für die Weber den Nobelpreis erhielt, muss diese Tatsache gerade in Neustadt – der Weberstadt – auf Schritt und Tritt publik machen werden“, sagt er.

Deutsche Studenten fragen Polen: Wer ist Hauptmann?

Die Thematik der Werber ist heute wieder relevant, so Germanist Tomasz Cel. „Auch heute leben wir in Zeiten großer Umbrüche durch Digitalisierung und Rationalisierung“, sagt Cel. Er muss zunehmend beobachten, dass das Wissen um Gerhart Hauptmann unter den polnischen Studenten höher sei als unter Deutschen. „Deutsche Studenten der Geisteswissenschaften kennen Hauptmann nur noch vom Hörensagen und es ist schade, dass Hauptmann in Vergessenheit geriet“, bedauert er. Auch das Gerhart-Hauptmann in Düsseldorf erfährt von der geplanten Theaterumbe-nennung erst durch einen Anruf vom Niederschlesischen Kurier. Direktor Prof. Winfrid Halder schlägt gleich einen Bogen zu Umbenneungsdebatten um Straßennamen in Düsseldorf. Hierbei sei Hauptmann zwar nicht in Ungnade gefallen, aber sein Stern sei quasi schon gesunken. Die Diskrepanz bei seiner Rezeption wird sich also dies- und jenseits der deutsche-polnischen Grenze weiter potenzieren – dabei sollte Hauptmann doch wenigstens in Görlitz noch über Hausmacht verfügen.

Klaudia Kandzia, Till Scholtz-Knobloch / 15.09.2024

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Kommentare zum Artikel "Theaterdebatte: Übernehmen die Polen Hauptmann kampflos?"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Abendgrün schrieb am

    Je länger ich diese Debatte und das Treiben des Herrn Dr. Morgenroth beobachte, um so mehr verfestigt sich meine Meinung dazu:

    Das Theater sollte nicht seinen Namen wechseln, das Theater sollte seinen Intendanten wechseln!

    Und zwar schleunigst, bevor es zu spät ist.

    Wir können derzeit im ganzen Land beobachten, zu was ideologisch gesteuerter Aktionismus führt: Er zerstört, er zerschlägt, er inszeniert eitle Protagonisten, die nach ihrem zerstörerischen Werk einfach weiterziehen, und nicht für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden.

  2. Ferdinand B schrieb am

    Und Herr Mirko Schultze weiß, daß "in der AfD sicher nicht die klassischen Freunde des Theaters zu finden sind."

    Schon erstaunlich, was dieser Mann so über seine politischen Feinde zu berichten weiß. Oder ist das nicht schon Hass- und Hetzrede??? Ich glaube nicht, daß Herr Schultze seine Aussage mit Daten belegen kann. Soviel zum Auftreten der Vertreter sogenannter demokratischer Parteien.

  3. Abendgrün schrieb am

    In der Spielzeitvorschau des Stadttheaters Görlitz ( Intendant Willy Bodenstein ) auf die Spielzeit 1946 / 47 schreibt Dr. Scheinfuss auf dem Deckblatt folgenden Text:

    "Während der Drucklegung dieses Heftes erreicht uns die Nachricht, daß unser Theater künftig den Namen Gerhart-Hauptmann-Theater führen wird. Damit ist unser aller Wunsch erfüllt, unserer Dankbarkeit und Verehrung für den größten Dichter unserer engeren Heimat auch einen äußerlich sichtbaren Ausdruck zu verleihen. ... ( Link zur Quelle: https://www.programmhefte24.de/p/stadttheater-goerlitz-gerhart-hauptmann-theater-vorschau-spielzeit-1946-47 ).
    Wie soll denn umgegangen werden mit dem Begriff "unserer engeren Heimat", wenn doch der Begriff der Heimat derzeit mindestens als "umstritten" angesehen wird ? Wie soll denn mit der Ähnlichkeit der Umbrüche zur Zeit der Weber und heute umgegangen werden ? Gefährlich ist der Zündstoff, und die heutigen Umbrüche scheinen mit "teile und herrsche" nur noch notdürftig unter Kontrolle gehalten zu werden.

    Dr. Scheinfuss schrieb 1946 weiter "... Darüber hinaus verpflichtet aber der klingende Name ( Gerhart Hauptmann Anmerkung des Kommentators ) Görlitz und sein Theater zu einem ständig steigenden künstlerischen Niveau. Die Arbeit dafür sei unser Dank an den Dichter Gerhart Hauptmann."

    Was soll denn Dr. Morgenroth mit diesem Grundmotto anfangen ? Wie soll er damit umgehen, wenn er sich doch anscheinend viel mehr als politischen Aktivisten denn als Bewahrer der Schauspielkunst zu sehen scheint ? Die Aufführungen der bisherigen Morgenroth-Ära sprechen Bände!

    Ist es da nicht nur allzu menschlich und verständlich, wenn Herr Dr. Morgenroth nach einer Befreiung aus dieser, ihm fremden und ihn beengenden Bürde des Bewahrens sucht ? Was ist da naheliegender, als den alten Zopf einfach abzuschneiden, den belastenden Namen, mit dem soviel Gewicht, künstlerische Leistung und Wucht aus alter Zeit verbunden sind, einfach mit einer kessen Finte zu entsorgen ?
    Betrachtet man die Artikel in den Gazetten und die verschiedenen Interviews die Dr. Morgenroth zu seiner Initiative gegeben hat, so beschleicht zumindest den Kommentator der Eindruck, dass Herr Dr. Morgenroth sich selbst und seiner Aktion nicht so sicher ist. Er scheint zwischen der Idee die Aktion als genialen PR-Gag ( "Move" wie er es nennt ) zu verkaufen, und dem tatsächlichen Ansinnen, den belastenden Theaternamen zu entsorgen hin und hergerissen zu sein.
    Mirko Schultze meint, dass der Name des Theaters nicht handelbar sei. Ich denke mal, dass Mirko Schultze sich da irrt, denn, wie wir sehen, der Name ist bereits handelbar. Zu welchem Abschluss dieser Handel führen wird, das wissen wir allerdings noch nicht. Wir können nur den Schaden sehen, der bereits angerichtet ist, denn die "Axt" wurde bereits wieder an die Wurzeln der Menschen / Bürger angelegt!

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