Torsten Rochs Team denkt nicht in Schwarz-Weiß
Torsten Roch leitet die Verwaltung des Biosphärenreservates Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft.
Das Bisophärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft begeht in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen, wenn man die Anerkennung durch die Unesco als Beginn betrachtet. Uwe Menschner sprach mit dem Leiter der Verwaltung, Torsten Roch, über unerwünschte Fremdlinge, blühende Landschaften und weiche Faktoren.
Was zeichnet ein Biosphärenreservat im Vergleich zu anderen Schutzgebieten aus?
Torsten Roch: Wir sind eines von 700 Unesco-Biosphärenreservaten weltweit und seit 25 Jahren Teil dieser Familie. Im Unterschied zu einem Nationalpark, wo sich die Natur ungestört entwickeln darf und der Mensch weitgehend außen vor bleibt, steht bei uns der Mensch im Mittelpunkt des Handelns. Es geht darum, die Kulturlandschaft, so wie sie über Jahrhunderte gewachsen ist, durch nachhaltige Bewirtschaftung zu erhalten. Das Prinzip der Nachhaltigkeit gilt nicht nur für die Land- und Forstwirtschaft, sondern für alle Bereiche des wirtschaftlichen Lebens.
Zu den ausgewiesenen Zielen des Biosphärenreservates gehört es, die Vielfalt der Flora und Fauna zu erhalten. Inwieweit haben sich die diesbezüglichen Erwartungen erfüllt?
Torsten Roch: Die Erwartungen im Biotop- und Artenschutz wurden in weiten Teilen erfüllt. Es wurden deutliche Verbesserungen in der Tier- und Pflanzenwelt festgestellt. Wir konnten 5.200 Arten im Biosphärenreservat erfassen, mehr als 1.200 davon stehen auf den Roten Listen, gelten also als besonders schützenswert. Das Biosphärenreservat ist das größte Vogelschutzgebiet und das größte Flora-Fauna-Habitatgebiet im Freistaat Sachsen. Obwohl wir mit 300 Quadratkilometern nur etwa 1,6 Prozent der Landesfläche einnehmen, sind wir für viele Arten der letzte Rückzugsraum. Beispiele sind der Seeadler mit 27 Brutpaaren – das ist die größte Dichte in einem Großschutzgebiet in Deutschland – , der Kranich mit über 100 Brutpaaren, der zuvor sehr, sehr selten war, und auch der Wolf kommt seit 2003 flächendeckend vor. Es gibt natürlich auch Arten, die trotz der guten Rahmenbedingungen weniger geworden sind. Ein Beispiel ist der Weißstorch. Doch auch hier gibt es Tendenzen, die uns Hoffnung geben.
Wie lässt sich die Waldbewirtschaftung im Biosphärenreservat charakterisieren?
Torsten Roch: Etwas mehr als 50 Prozent unserer Gesamtfläche, das sind circa 16.000 Hektar, sind Waldflächen. Wie überall im Norden Sachsens ist unser Wald überwiegend von der Kiefer geprägt. Im Bereich der Teiche haben wir noch viele Birken, Erlen, Aspen und auch Eichen. Der Wald ist heute mehr durchmischt: Was früher Monokulturen waren, vor allem Kiefern und Fichten, sind heute Mischwälder. Künftig wird es an bestimmten Standorten viel mehr Laubbäume geben. Dies vollzieht sich vor allem durch ganz natürliche Verjüngung. Alle Flächen, mit Ausnahme der Kernzonen, können durch die Eigentümer weiter bewirtschaftet werden, man muss aber den Biotop- und Artenschutz beachten. Im Unterschied zu anderen Regionen bauen wir keine fremdländischen Arten an, wie Robinien oder Roteichen. Wir setzen auf heimische Baumarten, die hier schon immer gewachsen sind, und versuchen, sie sukzessive weiter zu etablieren.
Welche Anforderungen stellt das Biosphärenreservat an die Landwirtschaft, und welche Chancen bietet es ihr?
Torsten Roch: Ein Großteil der Flächen wird in konventioneller Landwirtschaft bearbeitet. Die Betriebe wirtschaften bereits auf vielen Flächen im Einklang mit unseren Zielen. Wir haben aber nur wenige ökologisch zertifizierte Betriebe, und es ist natürlich ein Ziel, die ökologische Landwirtschaft weiter zu etablieren und die entsprechenden Flächenanteile zu erhöhen. Das ist eine Herausforderung für die nächsten Jahrzehnte. Wir denken hier aber nicht in schwarz-weiß, auch ein konventioneller Betrieb kann sehr viel für den Biotop- und Artenschutz tun. Es gibt viele gemeinsame Projekte mit den Agrarbetrieben, zum Beispiele beim Erhalt alter Getreidesorten und Nutztierrassen, beim Schutz von Bodenbrütern oder auch des Weißstorches. Die Betriebe legen Blühflächen und mehrjährige Brachen an, sie verzichten auf den Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln an Gewässerrändern. Das Verhältnis ist von Partnerschaft geprägt. Das kann man jetzt wieder an den mehreren hundert Hektar Blühflächen sehen – eine echte blühende Landschaft im Biosphärenreservat.
Wie kann es gelingen, die Zukunft der Teichwirtschaft angesichts des Klimawandels zu sichern, und wie kann das Biosphärenreservat dabei helfen?
Torsten Roch: Die Teichwirtschaft ist ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal unseres Reservats, wir haben mehr als 2.400 Hektar Teiche, der Großteil ist verpachtet und im wesentlichen auch bewirtschaftet. Es gibt 16 Betriebe im Haupt- und Nebenerwerb, die die etwa 350 Teiche nachhaltig bewirtschaften. Wir haben die glückliche Situation, dass wir Wasser aus den Talsperren Bautzen und Quitzdorf bekommen. Die Teiche erfüllen in Nass- wie in Trockenzeiten eine wichtige Funktion für das Wasserregime. In den letzten drei Jahren hatten wir zu wenig Wasser. Wir müssen dafür sorgen, dass kein Wasser ungenutzt abfließt und es länger in der Fläche halten, und wir müssen darauf achten, dass die Teiche im Hochwasserfall ihre Rückhaltefunktion erfüllen können. Auch die traditionelle, seit über 800 Jahren betriebene Karpfenteichwirtschaft lebt von einem sehr strengen Wassermanagement. Deshalb ist es wichtig, dass die Teiche bewirtschaftet werden. Die baulichen Anlagen müssen gut gepflegt und erhalten werden, damit das Wasser nicht ungenutzt versickert. Im Zuge des Strukturwandels bemühen wir uns um Mittel zu eben diesem Zweck, um unsere Teichwirte dabei zu unterstützen.
Wie kann es gelingen, einen nachhaltigen und schonenden Tourismus zu etablieren?
Torsten Roch: Wir haben laut den letzten statistischen Erhebungen etwa 200.000 Besucher im Jahr, in der Sächsischen Schweiz sind es 3 bis 4 Millionen. Viele Gäste aus ganz Deutschland, aber auch Einheimische haben uns während der Corona-Krise neu entdeckt. Die Menschen finden Ruhe, Entschleunigung und Naturerlebnisse, die sie zuvor nicht kannten. Wir wollen weit weg bleiben vom Massentourismus, Angebote zum Wandern und Radwandern schaffen und über Erlebnispfade durch die Natur führen. Unsere Gäste empfinden die Landschaft als sehr naturnah, obwohl sie stark kulturell geprägt ist. Die touristische Infrastruktur muss mit den Gästen wachsen, wir brauchen Beherbergung und Gastronomie. Ein wichtiger Bestandteil des touristischen Konzeptes sind unsere Dörfer, die teilweise über 800 Jahre gewachsen sind und ihre traditionelle Struktur, zum Beispiel als Rundweiler, Anger- oder als Waldhufendorf, bewahrt haben. Mit Exkursionen, Führungen und Publikationen wollen wir dies für unsere Gäste erlebbar machen.
Wie will das Biosphärenreservat vom Strukturwandel profitieren, und gibt es Erweiterungspläne?
Torsten Roch: Unsere Verwaltung hat an der Entwicklungsstrategie für die Lausitz bis 2050 mitgearbeitet und die Belange des Biosphärenreservates eingebracht. Wir bemühen uns gemeinsam mit den Gemeinden um Strukturwandelgelder, um die weichen Standortfaktoren zu stärken. Neben dem sanften Tourismus gehören dazu auch die Klimaneutralität und neue Formen der Mobilität. Die Lausitz soll ja eine Modellregion sein, und wir sind Modellregion für nachhaltige Landnutzung seit 25 Jahren. Hinsichtlich der Erweiterung gibt es einen Wunsch von der Unesco, dass wir uns in Richtung Bergbaufolgelandschaft erweitern. Dies würde ein Alleinstellungsmerkmal stärken, denn wir sind das einzige Biosphärenreservat mit einer solchen Landschaft. Es gibt aber auch Bestrebungen von Bürgern und aus Ortsteilen, die in das Reservat eintreten wollen Bis 2024 erarbeiten wir eine neue Schutzgebietsverordnung, in der auch die neuen Gebietsgrenzen festgelegt sind.