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Treibt Asylheimdebatte Wahlbeteiligung in Niesky hoch?

Treibt Asylheimdebatte Wahlbeteiligung in Niesky hoch?

Schon im Vorfeld der Stadtratssitzung war Verdruss greifbar. Nahe der Aral-Tankstelle war das Plakat zu sehen: „Keine Messerstecher in Niesky“. Foto: privat

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Thomas Koppehl konnte in der Fragerunde nicht besänftigen. Foto: Matthias Wehnert

Niesky. Zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe war Merkwürdiges passiert. Eine ganz frisch eingerichtete Internetabstimmung zur Verhinderung von Ausbauplänen des Nieskyer Asylbewerberheims in der Fichtestraße war unter change.org mit über 4.300 Unterstützern quasi über Nacht durch die Decke gegangen und dann urplötzlich verschwunden.

Die aufgeheizte Atmosphäre in Niesky hatte ihre Vorgeschichte am Montag. Falk Werner Orgus, Ordnungsamtsleiter beim Landkreis Görlitz, hatte da bei der Stadtratssitzung im Nieskyer Bürgerhaus über entsprechende Pläne berichtet, nach denen „die Gemeinschaftsunterkunft“, wie er stets behördendeutschgeschönt formulierte, auf eine Kapazität von bis zu 200 Plätzen erweitert werden soll – variabel in Modulbauweise. Und ganz beiläufig vernahmen die Besucher der Ratssitzung, dass es sich in Niesky auch um eine ganz spezielles Klientel handeln solle – jeder vierte der aktuell etwa 60 Männer sei Straftäter oder psychisch krank. Unter den Straftaten auch Körperverletzungen. Das dargelegte Profil überraschte auch die Stadträte.

In einer Woche, in der das Thema bereits den Bundestag zerriss, wollte Stadtrat Harald Prause-Kosubek (SPD) den Druck aus dem Kessel wohl noch etwas herausnehmen, indem er hinterfragte, ob das Publikum nun wirklich wegen eines Tagesordnungspunktes so zahlreich erschienen sei. Doch der Riss zeigte sich auch hier gleich in der „Herz“-Fraktion selbst. Lars Kiehle bekannte, dass das vielzitierte Sicherheitskonzept ja scheinbar nicht so richtig funktioniere und fasste mit Blick auf Aschaffenburg zusammen: „Ich will eine solche unrühmliche Bekanntheit für Niesky nicht.“ Er gehe mit dem Unmut in der Bevölkerung mit.

Der unabhängige Stadtrat Thomas Christgen beantrage dann auch, die Diskussion zeitlich nicht zu begrenzen. Christgen war es auch, der wohl am Mittwoch eine Nachfolgepetition „Nein zum Heim in Niesky“ unter change.org eröffnetet hatte, nachdem die erste so plötzlich verschwunden war. In wenigen Stunden bis zum Redaktionsschluss hatte auch diese bereits 280 Fürsprecher. Donnerstagfrüh um 8.00 Uhr bekannte Merten Menzel, dessen AfD-Fraktion Christgen mit seiner politischen Vorgeschichte nicht angehört, dass er noch nicht abschließend recherchieren konnte, wer die ursprüngliche, viral gegangene Petition eröffnet habe. Scheinbar jedoch eine Frau aus der in Niesky kleinen Gruppe der Montagsdemonstranten. Was zur Löschung geführt habe, darüber könne er jedoch nur spekulieren. Er fasst zusammen: „Hier ist was los! – Bürgerentscheid? Demo? Und dann die Wahl. Das Thema hat Potenzial für eine Wahlbeteiligung von 80 Prozent in Niesky. Das alles auch aus einer wieder einmal unzureichenden Kommunikation.“'

Aus dem Publikum gab es bei der Stadtratssitzung jedenfalls viele offene Fragen: „Wer schützt am Abend die Penny-Verkäuferinnen?“, „Haben Sie daran gedacht, dass ganz in der Nähe eine Kita ist?“, „Und ein Badesee“, so eine weitere Stimme. Fragen wurden gesammelt, so dass bei dieser ’bewährten’ Vorgehensweise auch Fragen verloren gingen, wie etwa: „Wer haftet, wenn doch etwas passiert?“ Dabei hatte auch Falk-Werner Orgus bekannt: „Wir sind überfordert“. Sein Bekenntnis, dass man auf Dresden hoffen müsse, etwa bei Mitteln für Flüchtlingssozialarbeit, fand sein Echo im Zwischenruf: „Wir haben doch jetzt schon keine Mittel für die eigene Jugendsozialarbeit.“

Aus dem Publikum meldete sich auch Kreissuperintendent a.D. Thomas Koppehl zu Wort: „Ein freundliches Gesicht kann vielfach helfen“. Aber auch das erinnerte an die Bundestagsdebatte. Nicht jede Wahrheit hilft weiter, wenn Weichenstellungen anstehen.
Oberbürgermeisterin Kathrin Uhlemann berief sich auf jedenfalls auf „begrenzte Handlungsmöglichkeiten“ der Stadt, zumal das Grundstück dem Kreis gehöre. Der Stadtrat könne die Pläne gar nicht ablehnen. Aber auch dazu gab es gleich einen Einwand aus dem Publikum: „Kann er, wenn er er gar keine Baugenehmigung erteilt!“

Till Scholtz-Knobloch / 10.02.2025

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Kommentare zum Artikel "Treibt Asylheimdebatte Wahlbeteiligung in Niesky hoch?"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. R. Pürschel schrieb am

    Wozu noch mehr Asylbewerber? Psychisch kranke gehören in die Klinik, und Straftäter in den Knast oder am besten alle zurück nach Hause. Wir sind eine friedliche Kleinstadt.

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