Über das Buch der Bücher im Barockhaus Neißstraße
Francišak Skaryna kam über Krakau und Padua nach Prag, wo er diese weißrussische Bibel herausgab. Foto: Görlitzer Sammlungen
Görlitz. Die neue Sonderausstellung „Bibeln aus fünf Jahrhunderten“ in der Schatzkammer des Barockhauses Neißstraße 30 zeigt 22 historische Bibeln, die zu einem großen Teil erstmals der Öffentlichkeit präsentiert werden. Unter den Beständen der Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften (OLB) befinden sich letztlich Bibelausgaben, deren älteste handschriftliche Texte bis in das 14. Jahrhundert zurückdatieren. Eröffnet wird diese Schau am 1. März, 16.00 Uhr. „Ergänzt um Informationen zur Editionsgeschichte, zu Übersetzern, Herausgebern und Druckern sowie Stiftern und Vorbesitzern entrollt sich neben der Dimension des Religiösen auch ein kulturgeschichtliches Bild“, erklärt Dr. Steffen Menzel, Kurator dieser Ausstellung und Leiter der OLB.
Doch wie gelangten diese besonderen Bibeln in die Sammlung? „Grundlage für die heute so umfassenden Bestände war die Vereinigung der Büchersammlungen des einstigen Franziskanerklosters, des Görlitzer Gymnasiums und der 1726 gestifteten Bücher Johann Gottlieb Milichs zur Milichschen Stadt- und Gymnasialbibliothek“, erläutert Steffen Menzel. Zu den äußerst wertvollen Ausgaben dieser Sonderausstellung gehört eine vom Humanisten Francišak Skaryna 1517/18 in Prag gedruckte Bibel in altweißrussischer Sprache, also in einer Spätform der Kanzleisprache des einstigen großlitauischen Reiches, dessen Ostgrenze eine Sprachgrenze zwischen dem Russischen und dem Weißrussischem überhaupt erst formte. Sie ist das einzige in einer deutschen Bibliothek befindliche Exemplar. Skaryna stammte aus der ältesten Stadt des heutigen Weißrusslands Plotzkow (weißrussisch: Polazk), heiratete eine Katholikin, gab seine Bücher jedoch für Orthodoxe heraus. Möglicherweise, da seine Familie orthodox war, er selbst aber seine Bildung im katholischen Westen erhielt und dort auch zum Katholizismus übertrat.
Aber auch die 1534 in Wittenberg in der Übersetzung von Martin Luther erschienene Vollbibel gehört zu den besonders großen Raritäten – von ihr gibt es weltweit wohl nur noch 60 Exemplare.
„Die zweite Wurzel der heutigen Vielfalt ist die 1779 begründete Bibliothek der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften“, merkt Steffen Menzel an. „Durch das Interesse einiger Mitglieder dieser Sozietät an vergleichender Sprachwissenschaft fanden zahlreiche mehrsprachige Bibelausgaben, sogenannte Polyglotten, den Weg in die Büchersammlung.“ Zu den Besonderheiten gehören die „Complutensische Polyglotte“, die als erste Mehrsprachenbibel überhaupt zwischen 1502 und 1517 in Kastilien herausgegeben wurde sowie die im 17. Jahrhundert veröffentlichte „Londoner Polyglotte“, die durch den parallelen Druck von acht Sprachen als Meisterwerk der Drucktechnik gilt. Beide werden in dieser Ausstellung zu sehen sein.
Zur dieser Sonderausstellung erscheint ein Begleitheft in deutscher und polnischer Sprache. Zum „Tag der Bibel“ am 27. April werden um 12.00 und um 14.00 Uhr zwei Sonderführungen durch die Ausstellung angeboten. Die Schau ist bis zum 31. Juli zu sehen.