Viel mehr als Hobeln, Bohren und Sägen
Tischlergeselle Friedrich Harbott ist stolz auf sein in 100 Stunden intensiver Arbeit entstandenes Gesellenstück.
Stolz präsentiert Tischlergeselle Konrad Ibisch sein Gesellenstück. Er kann sich vorstellen, auf die Walz zu gehen.
Die Tischlerinnung Bautzen stellt jedes Jahr ihre Gesellenstücke in Kamenz aus. Die Anforderungen steigen, der Trend geht zur Individualität.
Kamenz. Konrad Ibisch ist eine auffallende Erscheinung. Schon in seinem Äußeren dokumentiert der junge Bautzener die Liebe zu ungewöhnlichen Materialkombinationen, wobei auf den ersten Blick das Metall dominiert. Und doch hat sich Konrad für den Tischlerberuf entschieden, in dem das Holz im Vordergrund steht. „Ich hatte auch mit einer Lehre zum Schmied geliebäugelt, mich dann aber doch für die Tischlerei entschieden, weil Holz ja auch eine super Sache ist“, berichtet der frisch gebackene Handwerksgeselle. Und: Wer sagt denn, dass sich Holz und Metall nicht vertragen? Auf Konrad Ibischs Gesellenstück – einem Schreibtisch – verstecken sich die Metallbeschläge jedenfalls nicht dezent im Hintergrund, sondern bilden mit dem Holz als tragendem Element eine gleichberechtigte Einheit.
Damit strahlt die Arbeit von Konrad, der sein Handwerk beim Treppenbau Jatzke in Bautzen-Neuteichnitz erlernte, eine Individualität aus, die voll im Trend liegt. „Einzelstücke, die genau nach Kundenwunsch angefertigt werden, machen einen immer größeren Anteil unserer Arbeit aus“, berichtet Frank Gräfe, der einen Tischlerbetrieb in Bretnig-Hauswalde (Stadt Großröhrsdorf) führt und der Prüfungskommission angehört. Dementsprechend trete die Serienfertigung in den Hintergrund. Stücke von der Stange kämen zunehmend aus der Industrie. Diese Entwicklung lässt dem Tischler mehr Raum für seine eigene Kreativität, erhöht aber auch die an ihn gestellten Anforderungen. „Er muss mit CNC-Maschinen umgehen können, die immer häufiger zum Einsatz kommen. Darüberhinaus braucht ein moderner Tischler Kenntnisse in der Oberflächengestaltung, ebenso wie in der Verarbeitung von Glas, Edelstahl und im Umgang mit Lichttechnik“, so Frank Gräfe. Und Innungsobermeister Ulrich Lange aus Baruth (Gemeinde Malschwitz) ergänzt: „Zumeist ist ein Mitarbeiter von Anfang bis Ende für ein bestimmtes Projekt verantwortlich. Er muss also den gesamten Herstellungsprozess beherrschen.“
Vorbei sind also die Zeiten, als sich der Tischler etwas abwertend als „Holzwurm“ bezeichnen lassen musste. Und dennoch hat sich das Image in der öffentlichen Wahrnehmung noch nicht in der Weise gewandelt, wie es sich Frank Gräfe und Ulrich Lange wünschen würden: „Das Handwerk steht, auch bei der Berufswahl der jungen Leute, immer noch ziemlich weit hinten.“ Die öffentliche Verwaltung oder die Industrie gelten nach wie vor als attraktiver.
Doch Ausnahmen bestätigen die Regel. Das beweist auch Friedrich Harbott, der seine Ausbildung in der Tischler Werkstatt Schönteichen absolviert und als Gesellenstück ebenfalls einen Schreibtisch angefertigt hat. „Ich wollte unbedingt etwas handwerkliches machen. Etwas, wo man mit dem Kopf und mit den Händen arbeiten muss und am Ende des Tages sieht, was man geschafft hat.“ Auch Friedrichs Arbeit kombiniert das Holz mit anderen Materialien, in erster Linie Glas. „Für sein Gesellenstück hatte er, wie jeder Lehrling, 100 Stunden Zeit“, erklärt René Schmeißer, Vorsitzender der Prüfungskommission, der gleichzeitig auch Friedrich Harbotts Meister ist. Dieser bleibt im Betrieb, liebäugelt aber mit einer Zukunft im Yachtausbau. Auf die „Walz“, also auf Wanderschaft gehen will Friedrich nicht: „Schließlich bin ich schon 27 und damit etwas älter als die meisten anderen Jung-Gesellen“, schmunzelt er. Anders Konrad Ibisch: „Auf die Walz zu gehen, das schwebt bei mir durchaus im Raum.“ Und auch damit liegt er voll im Trend