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Vom Wechsel der literarisch Verhätschelten

Vom Wechsel der literarisch Verhätschelten

Lukas Rietzschel (links) und Uwe Tellkamp fanden in Dresden schwer in eine echte Debatte. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Görlitz/Dresden. In Görlitz und Umgebung sowie in Berlin und Brandenburg laufen seit 28. Februar die Dreharbeiten für den Kinofilm „Mit der Faust in die Welt schlagen“, inszeniert von der Regisseurin Constanze Klaue, die mit diesem Projekt ihren ersten Langfilm realisiert. Das Drehbuch stammt ebenfalls von Constanze Klaue und basiert auf der literarischen Vorlage des in Görlitz lebenden Autoren Lukas Rietzschel. Der Mitteldeutsche Rundfunk unterstützt die Kinoproduktion als Koproduzent mit ARTE, dem rbb und WDR. Der Debütfilm handelt über zwei Brüder in der Lausitz in Perspektivlosigkeit. Als Jahre später ihr Heimatort Migranten aufnehmen soll, eskaliert die Situation. „Während sich der eine Bruder in sich selbst zurückzieht, sucht der andere ein Ventil für seine Wut. Und findet es“, preist der MDR in einer Pressemitteilung den Stoff als Aufarbeitung mit Rechtsradikalismus an. Bundesweiter Kinostart ist voraussichtlich im Herbst 2024.

Wenderomanschreiber contra Narrativbediener

Im Kontext sehr unterschiedlicher gesellschaftlicher Reflexionen hatten der in Räckelwitz bei Kamenz geborene Rietzschel und sein Berufskollege Uwe Tellkamp am 2. März in der Dresdner Frauenkirche eine Kontroverse geführt. Tellkamps Roman „Der Turm“ galt viele Jahre als der Wenderoman schlechthin, bis Tellkamps Ansichten dem Feuilleton nicht mehr passend erschienen.

Die Dresdner Debatte stand unter dem Motto: „Wie viele Meinungen verträgt die Wirklichkeit?“. Alexander Moritz kommentierte für den Deutschlandfunk Kultur am 3. März polemisch: „Tellkamp antwortete nicht auf die Fragen, sondern trägt vorformulierte Polemik in Versform vor.“ Der Stil der Beantwortung von Fragen fand bei einem Teil des Auditoriums tatsächlich Missfallen, doch letztlich stellte jeder Reim – zweifellos passend einer Frage zugeordnet – konsequent eine Antwort dar.

Moderationsdilemma

Verständnisprobleme einer schlecht eingestellten Akustik und mehrfache Bitten der Moderation Alexandra Gerlach (MDR) ließen Uwe Tellkamp letztlich von der scheinbar gehegten Absicht abrücken, den gesamten Abend in dieser Weise zu argumentieren. Während Gerlach ein in Reimform dargebrachte Kritik an „Journalunken“ noch gnädig laufen lies, wurde an späterer Stelle offenbar, dass allein die Moderation durch eine im Kontext befangene Journalistin vielleicht auch keine gute Idee war. Zum Vorwurf gleichförmiger Coronaberichterstattung zeigt sich betont gereizt; eine Debatte in den Redaktionen habe es sehr wohl gegeben und nicht etwa die Umsetzung von Vorgaben.

„Empörungsbrauchtum“

Alexander Moritz konnte der reimenden Kraft von Gedanken jedenfalls nichts Gutes abgewinnen. Das „Empörungsbrauchtum“ habe in Sachsen und Dresden eben eine Tradition, Tellkamp habe eine „Ego-Show“ gefahren. Doch wie in eine echte Debatte überhaupt anbahnen? Dieses Dilemma war auch für den 28-jährigen Rietzschel nicht leicht zu handhaben. Er punktete, indem er unaufgeregt seine Sicht darstellte und versöhnlich argumentierte. Das brachte die Diskussionen dennoch auch nicht weiter. So drängte er darauf, ein Fundament in Debatten als gegeben zu akzeptieren, so etwa den Charakter des Kriegs in der Ukraine als ’Überfall’.

Die 1 1/2-stündige Debatte „Wie viele Meinungen verträgt die Wirklichkeit? ist im Internet bei Youtube unter https:// www.youtube.com/watch? v=u W7BVR8bWkw zu finden.

Till Scholtz-Knobloch / 20.03.2023

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