Vom Wirrwarr um die Corona-Inzidenzen
Die Marke von 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner soll dazu führen, dass mögliche Infektionsherde zeitweise ausgeschaltet werden. Die Politik will auf diese Weise verhindern, dass Krankenhäuser überlastet werden. Foto: Symbolbild
Bautzen. Steigende Inzidenzen haben noch zu Beginn dieser Woche bei vielen Menschen in der Oberlausitz die Sorge ausgelöst, dass schon in Kürze einmal mehr verschärfte Maßnahmen getroffen werden. Doch wie auf wundervolle Weise sanken die maßgeblich für solche Entscheidungen herangezogenen Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) wieder - im Fall vom Landkreis Bautzen von 105,8 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner am Montag auf 83,4 nur zwei Tage später. Hingegen liegen die von den Gesundheitsämtern gemeldeten Zahlen weit über den RKI-Daten. „Einen Teil kann man sich erklären, einen anderen Teil nicht“, sagte eine Sprecherin des Bautzener Landratsamtes auf die Frage, wie es zu den starken Unterschieden zwischen den täglich vom Landratsamt veröffentlichten Inzidenzen und den vom RKI proklamierten Zahlen kommt.
Um das Ganze irgendwie zu verstehen, ist ein Blick hinter die Kulissen notwendig. Das Gesundheitsamt in Bautzen beispielsweise meldet eigenen Angaben zufolge die Zahl der Neuinfektionen über das Programm „Octoware“ an die Landesuntersuchungsanstalt. Von dort wiederum erfolgt die Meldung ans RKI. Eine Schlüsselrolle dabei spielen die sogenannten Nachmeldungen. Und denen wird durch die zunehmend praktizierten Schnelltests eine besondere Bedeutung zuteil.
„In beiden Statistiken (also der vom Kreis und der des Robert Koch-Instituts, Anm. d. Red.) werden positive Schnelltests noch nicht eingerechnet“, erklärte die Sprecherin der Kreisverwaltung. „In der Software des Landratsamtes werden die positiven Schnelltest-Ergebnisse jedoch quasi vorgemerkt und dann bei einer Bestätigung per PCR-Test als Corona-Fall in die Statistik übernommen. Das passiert jedoch erst, wenn das PCR-Test-Ergebnis vorliegt, was in der Regel zwei Tage nach dem Test passiert. Dann melden wir den Fall zum Datum der Schnelltest-Erfassung nach, was ja auch der Realität entspricht. Für diese Nachmeldungen gibt es einen zeitlichen Verzug bei der Registrierung durch das RKI. Zu beachten ist, dass diese Nachmeldungen dann nicht in die Berechnung der Inzidenz an dem jeweiligen RKI-Meldetag mit eingehen.“
Konkret bedeutet das: „Ein positiver Schnelltest am Montag wird per PCR am Mittwoch bestätigt. Die Meldung geht also durch das Gesundheitsamt als Nachmeldung zum Montag am Donnerstag raus. Das RKI nimmt diesen Fall dann aber erst mit Verzug auf den Montag in die Statistik und damit in die Inzidenzberechnung auf.“ Die Folge kann sein, dass der Fall erst am Ende der Woche rückwirkend in die Inzidenzberechnung aufgenommen wird und damit dann fast schon wieder aus dem Sieben-Tage-Wert heraus fällt.
Und so berechnet sich die Inzidenz: Die Behörden addieren die täglich gemeldeten Neuinfektionen der zurückliegenden sieben Tage. Danach wird im Fall des Landkreises Bautzen die Summe durch drei geteilt. Der Divisor wiederum ergibt sich aus der Zahl der Einwohner im Kreisgebiet und der Vergleichszahl der Inzidenz, die im Fall der deutschen Regelung mit 100.000 angegeben wird. „Wer es dabei ganz genau braucht, rechnet durch 2,99758, denn die Einwohnerzahl zum 31.12.2019 betrug 299.758“, erklärte die Behördensprecherin.
Auch am Donnerstag lag im Landkreis Bautzen die für verschärfende Maßnahmen heranzuziehende RKI-Inzidenz noch immer bei unter 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner, also dem Wert, ab dem beispielsweise die Schließung von Schulen und Kitas oder auch ein zwischenzeitlicher Verzicht auf das Terminshoppen im Einzelhandel droht. „Einschränkungen gibt es, wenn der RKI-Inzidenzwert drei Tage hintereinander über 100 liegt. Dann muss der Landkreis die Lockerungen vom 08. März 2021 rückgängig machen. Das wird ‚Rückfallregelung’ genannt“, führte die Mitarbeiterin der Kreisverwaltung in dem Zusammenhang aus. „Die entsprechenden Lockerungen sind ab dem zweiten darauffolgenden Werktag aufzuheben. Zeitgleich treten dann Ausgangsbeschränkungen - also das Verlassen der Unterkunft nur mit triftigem Grund - und ein Alkoholverbot in der Öffentlichkeit in Kraft. Zudem gelten erneut die Kontaktbeschränkungen von einem Haushalt und maximal einer weiteren Person. Kinder unter 15 Jahre bleiben unberücksichtigt.“