Von der Weberei hin zur Kulturfabrik
Sie bilden das starke Team für die Kulturfabrik: Maria Israel, Sophia Gester und Philipp Israel, Geschäftsführer der MaxDorf gGmbH.
Schönbach. Alte Textilfabriken prägen das Bild in vielen Orten der Oberlausitz. Zumeist liegen sie brach, verfallen mehr und mehr und bilden eher Schandflecken als Höhepunkte ihrer Ortsbilder. Anders in Schönbach: Hier künden Baugerüste und Arbeiter auf den Dächern der früheren Matthes’schen Fabrik von reger Betriebsamkeit. Schließlich wird das markante Industriegebäude, das zwischenzeitlich auch einmal dem Herrnhuter Sterne-Fabrikanten Abraham Dürninger gehörte, seit einiger Zeit zur Kulturfabrik um- und ausgebaut.
„Bis zum 1. August soll der erste Bauabschnitt vollendet sein“, erklärt Sophia Gester, die in der Feder führenden Starke Erlebnis GmbH für das Marketing verantwortliche Mitarbeiterin. Das bedeutet: Ab diesem Zeitpunkt werden im Südflügel der alten Fabrik, in der bis zu ihrem Umzug nach Bischofswerda 2014 die Temedia GmbH Verbandsmaterialien herstellte, insgesamt 19 Ferienwohnungen zur Verfügung stehen. Zu den bereits nutzbaren elf im 2. Obergeschoss kommen dann noch die derzeit in Arbeit befindlichen acht Loft-Wohnungen, die sich vom 3. Obergeschoss aus über zwei Etagen erstrecken, hinzu. An diesen wurde in den letzten Tagen noch gewerkelt, ebenso wie an der von ihnen aus zugänglichen Dachterrasse.
Übernachten im Industrieambiente – das zählt in Großstädten schon seit längerem zu den angesagten Trends, für die ländliche Region der Oberlausitz stellt es noch eine Besonderheit dar. „Wir setzen ganz bewusst auf den Gegensatz zwischen alt und neu, traditionell und modern“, erklärt Sophia Gester. „Niedrigschwellige Instandsetzung“ nennt sie das Konzept, möglichst viel von der Originalsubstanz zu erhalten und nur so wenig wie nötig zu ergänzen und zu erneuern. Im Erd- und ersten Obergeschoss, wo die ursprüngliche Kubatur nicht durch Zwischenwände verändert wurde, blieb das Ambiente der hohen und weiten Produktionshallen erhalten und kontrastiert nun mit einfachsten, aus Paletten zusammengestellten Sitzgarnituren. Dies ist der bereits seit Juni nutzbare Feier-, Tagungs- und Veranstaltungsbereich der Kulturfabrik. Im Kellergeschoss entstehen Künstlerateliers und Möglichkeiten zur kreativen Betätigung, daher auch die Bezeichnung „Künstlerkeller.“
So imposant der im Zuge der Bauarbeiten um eine Etage aufgestockte Südflügel der alten Fabrik auch wirken mag, den ersten Blickfang bildet ein anderes, wesentlich kleineres Gebäude mit intensiv blauer Außenfassade, auf der die Buchstaben „MAX“ hervortreten. „Den Namen hat es von Max, dem fünften Kind der Unternehmerfamilie Starke“, berichtet Sophia Gester. Max kam mit dem Down-Syndrom zur Welt und inspirierte seine Eltern, sich für die von ihnen so genannten „Mäxe“ – Kinder mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen – zu engagieren. „Dies bildet auch das ursprüngliche Anliegen der Kulturfabrik“, betont Sophia Gerster: „Für diese Jugendlichen inklusive Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen, die eine Alternative zu den klassischen Behindertenwerkstätten bieten.“ Ab September sollen 13 entsprechende Arbeitsplätze in den Bereichen Gastronomie/Veranstaltung, Produktion und Geländepflege in vier Firmen zur Verfügung stehen.
Das MAX selbst im früheren Verwaltungsgebäude bildet den zentralen Treffpunkt für die Gäste der Kulturfabrik; hier können sie frühstücken oder sich in der Küche auch selbst eine Mahlzeit zubereiten, in Büchern stöbern oder einfach miteinander quatschen. Die blaue Farbe erinnert an die handwerkliche Tradition des Blaudrucks, der unter anderem in Schönbach beheimatet ist. Einige gestalterische Motive, zum Beispiel Würfel, finden sich im gesamten Komplex immer wieder. Dasselbe gilt für die verschieden farbigen Stühle, die eine ungewöhnliche Vergangenheit haben. Sie stammen ursprünglich von den Olympischen Spielen 1972 in München.
In der heutigen Zeit ist es eher überraschend zu hören, dass die offizielle Eröffnung der Schönbacher Kulturfabrik ein Jahr früher erfolgt als ursprünglich geplant, und noch größer wird das Erstaunen, wenn man erfährt, dass dies hauptsächlich der Corona-Situation zu „verdanken“ ist. „Wir wollten ursprünglich parallel zu den Bauarbeiten mit dem Veranstaltungsbetrieb starten, was dann aufgrund der Pandemie-Situation so nicht möglich war“, erklärt Maria Israel, Geschäftsführerin der Starke Erlebnis GmbH, das vermeintliche Paradoxon. „So konnten wir uns ganz auf das Baugeschehen konzentrieren.“
Auch in anderen Aspekten befindet sich die Kulturfabrik in der glücklichen Lage, sich von aktuellen Entwicklungen weitgehend abkoppeln zu können: „Von der benachbarten Möbelfabrik stehen uns ausreichend Holzabfälle zum Heizen zur Verfügung.“ Das Investitionsvolumen beläuft sich auf etwa drei Millionen Euro, gefördert mit Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW). In einem späteren Bauabschnitt soll auch der Ostflügel der Fabrik saniert werden, in ihm werden zunächst hauptsächlich Räumlichkeiten für die Starke Objekteinrichtungen GmbH entstehen.
Kommentare zum Artikel "Von der Weberei hin zur Kulturfabrik"
Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.
Super Sache.
Bleibt zu hoffen, das auch vermeintliche Stolpersteine und kalkulatorische Herausforderungen, für immer beherrschbar sein mögen. Allemal besser als die immer wiederkehrende Monotonie des Abrisswahns, auch in unserer schönen Oberlausitz.
Unsere Region hat sich einfach mehr verdient, dieses Vorhaben ist mehr, einfach eine Starke Sache. Nachhaltigkeit ist nicht die politische Bewerbung dafür, sondern die Umsetzung in konkreten Projekten.
Demnach damaligen modernen Stand der Technik errichteten Gebäude, eine Ergänzung nach heutigen Bedürfnissen und Möglichkeiten einzubauen, ergibt eine Symbiose mit neuer Perspektive. Zukunft aus der Kraft des vergangenen, das ergibt eine belastbare Perspektive, ermöglicht ein kreatives heute und einen mit Inhalt besetzten Weg in die Moderne von morgen. Diese einzelnen Projekte, das ist Deutschland.
Tolerant, Menschen Chancen ermöglichen, sie mitzunehmen, wo jeder das tuen kann was in seinen Möglichkeiten liegt. Solche Projekte sind das aktive Gegenteil zu den nichtwerbenden abwertenden Meinungen über unser Land, das nach Aussage vieler Bürger nur noch als soziale Hängematte Europas und darüber hinaus betitelt wird.
Einfach weiter so, dann haben wir alle einheimischen und die zu uns kommenden eine anspruchsvolle Perspektive.