Wahlkreis 156 entsendet drei Kandidaten ins Machtzentrum Berlin
Die zehn Direktkandidaten aus dem Wahlkreis 156: Mit Kathrin Michel (o.l.), Caren Lay (o.r.) und Karsten Hilse (2. Reihe, 2.v.r.) haben drei von ihnen den Sprung geschafft. Foto: Collage/Pressefotos/privat
Bautzen. Die Oberlausitz hat gewählt. Nach dem Urnengang zur Bundestagswahl am vergangenen Sonntag gingen die Direktmandate in den Wahlkreisen 157 (Görlitz) und 156 (Bautzen I) wie schon vor vier Jahren an die Kandidaten der AfD, Tino Chrupalla und Karsten Hilse, der bis Redaktionsschluss eine Presseanfrage unserer Zeitung zu seinem Wahlerfolg unbeantwortet ließ. Auch bei den Zweitstimmen wurden die Alternativen stärkste Kraft in der Region vor einer weit abgeschlagenen CDU. Hinter ihr folgen jeweils SPD, FDP, Linkspartei und Bündnisgrüne. Dennoch herrschte am Tag danach nicht bei allen Katzenjammer. Der Oberlausitzer Kurier hat sich mit den unterlegenen Direktkandidaten unterhalten.
Kathrin Michel zieht über Landesliste in Bundestag
Sie ist unheimlich stolz auf ihr Team, denn das habe in unzähligen Gesprächen viel Zuspruch erhalten, weiß SPD-Direktkandidatin Kathrin Michel nach der erfolgten Bundestagswahl zu berichten. Sie werde nun ihren Job in Schwarzheide an den berühmten Nagel hängen, fügt sie hinzu. Denn die große Politik in Berlin ruft. Über die Landesliste der Sozialdemokraten hat die 58-Jährige den Einzug ins Parlament geschafft. Dort war sie an zweiter Position gesetzt. „Im Bundestag werden wir uns in der neuen Fraktion und in der Landesgruppe Ost, die übrigens jetzt die zweitstärkste Fraktion hinter Nordrhein-Westfalen ist, finden müssen. Die Ausschüsse werden gebildet, Mitarbeiter müssen gesucht werden, die Koalitionsverhandlungen werden anlaufen und die Wahlkreise wollen betreut werden. Bei mir wird das neben Bautzen definitiv der Landkreis Görlitz sein.“ Dabei zählt sich die Lausitzerin nicht zu den Menschen, die Dinge, die sie nicht sehen können, einfach negieren. Ihr Anspruch sei es, bei jeglichen Entscheidungen, die zu treffen sein werden, für ihre Heimat mitzudenken. „Ich will unbedingt aktiv dazu beitragen, dass die Menschen auch künftig gut und gern in der Lausitz leben können.“ Die Verantwortung wird umso größer, wenn die Sozialdemokraten tatsächlich die nächste Bundesregierung stellen. „Wir stehen vor unglaublichen Herausforderungen“, gibt sie noch mit auf den Weg.
Roland Ermer bleibt der Backstube treu
Hingegen bleibt der selbstständige Bäckermeister Roland Ermer den Bernsdorfern erhalten. Wie 2017 hatte er es gemeinsam mit seiner Partei – den Christdemokraten – nicht geschafft, den Wahlkreis Bautzen I für sich zu erobern. Dennoch wolle er sein Engagement in deren Reihen aufrechterhalten. Große Ziele verfolge er dabei aber keine, wie er gegenüber unserer Zeitung einräumte. Auch beruflich stünden keine Veränderungen an. „Ich habe mit meiner Bäckerei einen ausfüllenden und befriedigenden Job“, erklärt der 57-Jährige. Vor dem Hintergrund stellt sich die Frage: Warum hatte sich die CDU dann nicht für einen anderen Kandidaten entschieden? Roland Ermer räumt ein: „Für den Wahlkreis und unsere Heimat war es mit Sicherheit kein gutes Ergebnis. Es ist jedoch in einer demokratischen Wahl zustande gekommen und deshalb natürlich zu akzeptieren. Es ist schade, dass unsere Lausitz die Chance auf eine starke Stimme im Bundestag verpasst hat.“
Mit großer Portion Dusel nach Berlin
Ganz stimmlos ist die Region dadurch dennoch nicht. Denn mit Caren Lay zieht eine weitere Kandidatin aus der Lausitz in den Bundestag ein. Erneut hat sie es über die Landesliste der Linkspartei geschafft. Allerdings auch nur, weil diese drei Direktmandaten in Leipzig und Berlin holte. Die Partei selbst schaffte es diesmal nicht mit eigener Kraft, über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen. Allerdings ist es in Deutschland so geregelt, dass diese nicht in Frage kommt, wenn mindestens drei Direktmandate erobert werden. Auf diese Weise werden zusammen mit Caren Lay 38 weitere Linkspolitiker auf der Oppositionsbank ein Wörtchen mitreden.
Mehr sächsische Liberale in der Bundeshauptstadt
Auch wenn Matthias Schniebel seinem Job in der Lausitz treu bleiben kann, freut er sich über das Erreichte. Seine Partei – die FDP – wird fortan mit fünf Parteifreunden aus Sachsen im Bundestag präsent sein. Nach der Wahl im Jahr 2017 hatten es lediglich drei nach Berlin geschafft. „Wir repräsentieren damit eine starke politische Mitte im Freistaat“, gibt er sich zuversichtlich.
Für den 48-Jährigen aus Elstra war es das erste Mal, dass er sich als Direktkandidat aufstellen ließ. Der selbstständige Fachhändler von Labor-, Mess- und Wägetechnik will dabei mit einem Lob nicht hinter dem Berg halten: „Der Umgang der Direktkandidaten untereinander war trotz aller politischer Differenzen fair und auf Augenhöhe.“ Mit seinem Abschneiden im Wahlkreis zeigt er sich „sehr zufrieden“. Für ihn gelte es nun, sich mittelfristig auf die Kommunal- und Landtagswahlen vorzubereiten, um dort möglichst viele Mandate zu erringen.
Die Partei geht leer aus
Steffi Thomas, die für die Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative – kurz die Partei – angetreten war, wird sich eigenen Angaben zufolge für die Themen Energieautarkie, soziale Gerechtigkeit und Schulbildung auseinandersetzen. In dem Zusammenhang suche sie den Kontakt zu Menschen, die auf anderer Ebene schon etwas in Bewegung setzen konnten. „Ich habe ja eine Vision, wie es mal sein könnte.“
Über den Zuspruch, den sie am vergangenen Sonntag erhielt, freut sie sich. „Ich danke den 3.379 weitsichtigen Menschen, die trotz fehlender Wahlplakate, Diskussionsbeiträge und Zeitungsartikel sich informiert und ihr Kreuz an der richtigen Stelle gesetzt haben.“ Ganz im Stil der Satirepartei fügt sie hinzu: „Den anderen ein: Ihr werdet mich noch kennenlernen!“ Denn nach der Wahl sei vor der Wahl. „Ich habe nun vier Jahre Zeit, um mich vorzubereiten.“ Im Augenblick aber stehe erst einmal die Kartoffelernte an.
Basisdemokratie im Kommen
Überrascht im positiven Sinne zeigt sich ebenfalls Daniela Trittmacher von der Basisdemokratischen Partei Deutschland – dieBasis. „Ich habe in allen Gemeinden, die zum Wahlkreis 156 gehören, Stimmen erhalten“, sagt sie mit einem dicken Dankeschön auf den Lippen. „Auf jeden Fall bleibe ich aktiv, denn es gilt in unserem Land noch viel zu verändern. Durch meinen Glauben bin ich bestärkt, die Hoffnung nicht aufzugeben. Deshalb und im Vertrauen darauf, dass Gott jeden Tag bei mir ist, mache ich weiter. Es gibt auch durchaus schon einige Überlegungen für Projekte, die aber im Moment noch nicht spruchreif sind.“ Ihr Motto lautet dabei: „Das Wissen vieler nutzen, um für alle Gutes zu bewirken. Das ist das Schöne an der Schwarmintelligenz.“