Wann regnet es die Novemberhilfe?
Das Bautzener Gastronomenehepaar Anita und Frank Haase kann wie alle anderen Leidensgenossen der Branche derzeit keine Gäste im Lokal bewirten. Allerdings bieten beide Essen zum Mitnehmen an.
Auch in der Lausitz gilt seit Monatsbeginn eine zwangsverordnete Betriebsruhe für Gaststätten, Bars und Restaurants. Von welcher Dauer diese sein wird, macht die Politik von der Entwicklung der Corona-Fallzahlen abhängig. Die Branche braucht einen langen Atem. Nicht jedem wird dieser jedoch zugetraut.
Bautzen. Das Gaststättengewerbe befindet sich am Limit. Nach der mehrwöchigen Zwangspause im Frühjahr und Investitionen in die Sicherheit der Kundschaft müssen Gastronomen ihre Betriebsstätten abermals über einen längeren Zeitraum schließen. Schuld daran ist eine Verordnung, die im Zuge der jüngsten Virus-Pandemie von der Landesregierung erlassen wurde. In der Folge verzeichnen sächsische Restaurants und Hotels nie dagewesene Umsatzeinbrüche. Laut dem Interessenverband DEHOGA sehen sich aktuell 69 Prozent der gastgewerblichen Betriebe in ihrer Existenz gefährdet. Das gehe aus einer Umfrage hervor, die in diesen Tagen veröffentlicht wurde. Nach den vorliegenden Ergebnissen droht jedem siebten Betrieb, also 15,5 Prozent der befragten Einrichtungen, bereits ab November die Insolvenz wegen Zahlungsunfähigkeit.
„Die Gastgeber stehen mit dem Rücken zur Wand. Jeder Tag zählt. Die versprochenen Novemberhilfen müssen jetzt sofort kommen – schnell und unbürokratisch“, sagte Hauptgeschäftsführer Axel Klein. Ins gleiche Horn stößt inzwischen auch Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig. „Wir muten unseren Unternehmen und Solo-Selbstständigen mit den neuen Beschränkungen viel zu. Ich begrüße daher die angekündigten außerordentlichen Wirtschaftshilfen des Bundes. Die Novemberhilfe richtet sich vor allem an Gastronomen, Betreiber von Hotels, Solo-Selbstständige, Angehörige der freien Berufe, Messebauer, an Unternehmen der Veranstaltungsbranche sowie an Künstler und Kreative – also an alle, die direkt, indirekt oder mittelbar von den Maßnahmen betroffen sind. Der Bund muss nun noch die erforderlichen technischen und organisatorischen Voraussetzungen schaffen, damit die Novemberhilfe an den Start gehen kann. Jeder weitere Tag Unklarheit und Warten kostet Akzeptanz für die Corona-Maßnahmen.“
Wie viele betroffene Gastronomen in der Oberlausitz baut auch der Bautzener Frank Haase auf die Finanzspritze aus Berlin. „Wir hoffen auf die versprochene Überbrückungshilfe. 75 Prozent vom durchschnittlichen Novemberumsatz des vergangenen Jahres ohne die sonstigen Lohnkosten wären uns schon eine große Hilfe“, sagte er im Gespräch mit dem Oberlausitzer Kurier. „Die Mitarbeiter haben wir in Kurzarbeit geschickt. Darüber hinaus versuchen wir, weitere Nebenkosten zu senken.“ Dass es nicht ganz ohne Umsatz durch den Lockdown-Monat geht, dafür sorge der Außerhausverkauf. Den hatte die Politik mit Beginn der Zwangspause ausdrücklich gestattet. „Speisen wie Gänse-, Enten- und Kaninchenbraten, Wildgerichte oder auch Suppen, Salate und Desserts dürfen unsere Kunden für die Wochenenden vorbestellen und abholen“, erklärte Frank Haase.
Doch nicht jeder seiner Leidensgenossen verfügt über eine solche Möglichkeit. „Wir generieren derzeit keine Umsätze“, meinte Bodo Siegert. Er betreibt eine gastronomische Einrichtung im historischen Zentrum von Bautzen. „Alle Fixkosten laufen weiter. Das ist natürlich ein großes Problem für das Unternehmen. Des Weiteren befinden sich sämtliche Mitarbeiter in Kurzarbeit, was natürlich ein finanzielles Problem für viele Familien darstellt.“ Und er fügte hinzu: „Alternativen gibt es für uns nicht wirklich, da wir ein besonderes Konzept verfolgen, das sich nur vor Ort umsetzen lässt.“
Grit Michalk indes managt ein Brauhaus samt Lokal im Bautzener Umland. Sie ist bestrebt, über die eigene Internetseite, soziale Netzwerke und einen Newsletter den Kontakt zu den Kunden zu halten. Des Weiteren werde jeweils am Freitag ein Außerhausverkauf angeboten. Traurig zeigt sie sich darüber, dass ein zweites Standbein mit dem andauernden Ausnahmezustand weggebrochen ist – die Teilnahme an verschiedenen Märkten. „Das ist ein großer Rückschlag für uns, da wir auf diesem Wege immer neue Gäste gewinnen und alte ‚Gastfreundschaften’ pflegen“, weiß sie zu berichten. Auch Grit Michalk baut auf eine zügige Unterstützung aus der Bundeshauptstadt.
Doch wann ist mit dieser zu rechnen? Anträge können voraussichtlich ab dem 25. November online gestellt werden, sagte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums auf Anfrage. Sein Haus und das Bundeswirtschaftsministerium haben dazu ein Internetportal eingerichtet. Es ist unter der Adresse www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de erreichbar. Dort lassen sich alle notwendigen Informationen finden. So auch diese, wonach die elektronische Antragstellung durch einen Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer zu erfolgen hat. Beide Behörden wollen zunächst mit Abschlagszahlungen unterstützend unter die Arme greifen – um schnell und unbürokratisch Soforthilfe leisten zu können. Damit griffen sie einen Vorschlag aus dem Haus von Martin Dulig auf.
„Wir wünschen uns, dass wir die Krise gemeinsam gut überstehen und dass mit Augenmaß und Weitsicht Entscheidungen gefällt werden“, meinte indes Bodo Siegert mit Blick auf die kommenden Wochen und Monate. „Natürlich wünschen wir uns, dass wir wieder öffnen dürfen und das Weihnachtsgeschäft gut läuft, da dieses Jahr nun schon genug aufzuarbeiten war“, schob Grit Michalk hinterher. „Allerdings denken wir, dass dies nicht so einfach realisierbar sein wird und wenn überhaupt möglich, dann unter ganz anderen Bedingungen wie Sperrstunde, Alkoholausschankverbot oder eine Begrenzung der Teilnehmerzahlen bei Feiern.“ Das alles wirke sich auch auf die Höhe des Umsatzes aus. Frank Haase indes geht nicht davon aus, dass die Gaststättenschließungen am 1. Dezember bereits Geschichte sind. Er baut jedoch darauf, dass die Gastronomen noch vor Weihnachten ihre Gaststuben wieder für Besucher öffnen können und ihnen somit wenigstens ein kleiner Teil des Weihnachtsgeschäftes bleibt. „Wenn das nicht geschieht, könnte ich mir vorstellen, dass einige aus der Branche in ernsthafte Schwierigkeiten geraten könnten. Denn das erste Quartal ist in der Regel nicht die Gastronomie-Hochzeit.“