Wenn die Natur über Einsamkeit tröstet
Wenn ihr Kreuz mitspielt, zieht es Eva Schneider mit ihrem Rollator bis zum Ortsausgang von Niesky, wo sie die Natur auf sich wirken lässt. Foto: Till Scholtz-Knobloch
„Die Natur ist doch der größte Seelentröster.“ Eine solche Erfahrung hat Eva Schneider (89) aus Niesky im Rahmen unserer Leseraktion „Schildern Sie uns Ihre persönlichen Glücksmomente“ der Redaktion geschrieben.
Niesky. „Als ich gestern wieder die Glücksmomente las, kam mir wieder der zeitige Frühling in diesem Jahr in den Sinn“, leitet Eva Schneider aus Niesky ihren Brief an die Redaktion ein, „Es war an den ersten sonnigen Tagen, die nachts noch frostig waren. Mittags, ungefähr um 13.00 Uhr, nahm ich meinen Rollator, denn es zog mich ins Freie. Es war eine Ruhe und niemand zu sehen. Ich ging den gleichen Weg, den ich mit meinem Mann während seiner Krankheit immer ging. Gleich hinter dem Haus durch das kleine Wäldchen, den Feldweg entlang, an den Gärten vorbei. Die ersten Krokusse kamen zum Vorschein, aber das ganze machte mich traurig. Ich war allein! Als ich dann an der Kiesgrube war und der Weg nach Ödernitz vor mir lag, zog es mich die kleine Anhöhe hinauf, oben setzte ich mich auf den Rollator, wo wir so oft gestanden haben. Vor mir lagen die ersten Häuser von Ödernitz und in der Ferne die Königshainer Berge. Viele Erinnerungen kamen und ich schaute über die große Wiese. Auf einmal sah ich das Wunder! Der Frost hatte noch Tropfen an das hoch stehende Gras gelegt, ein leichter Wind bewegte die Gräser und es glitzerte die ganze Wiese, als ob tausend Diamanten ausgestreut wären. Der Zauber berührte mich tief und es kam eine Ruhe in mein Herz und Freude, dass ich dieses Wunder noch erlebten konnte. Die Natur ist doch der größte Seelentröster. Leider hatte ich keinen Fotoapparat mit und es würde auch nicht die Situation wiedergeben. Dazu braucht man Augen zum Sehen und Fantasie. Dieser Moment hilft mir jetzt immer noch.“
Der Zauber des Augenblicks mit zu Diamanten gewandelten Tropfen im Gras ließ sich natürlich nicht noch einmal herstellen, aber ihren Lieblingsplatz zeigte Eva Schneider der Redaktion dann doch einmal.
Die Anhöhe am Ortsausgang gen Ödernitz ist der weiteste Punkt, den sie noch mit ihrem Rollator über eine Strecke von etwa einem Kilometer noch erreichen könne, berichtet sie und lässt sich auf dem Weg dorthin nicht von den vielen Steinen auf dem Weg abschrecken, die das Schieben des Rollators erheblich erschweren. Aber hier sei der Platz, wo die Sicht eben auch bis in die Königshainer Berge geht. Mit ihrem vor wenigen Jahren verstorbenen Mann sei sie dort häufig zu Ausflügen gewesen.
Ihr Sohn lebt heute in der Ferne und ist einmal im Jahr in Niesky. Da das Verhältnis zur Schwiegertochter immer problematisch gewesen sei und diese bei Besuchen in Niesky stets in einer Gaststätte auf ihren Mann warte, fände der direkte Kontakt mit ihrem Sohn auch immer unter Zeitdruck statt. Der eigentliche Draht zu ihm ist nun ein Handy, auf der sie und ihr Sohn Textnachrichten austauschen. Auch der Niederschlesische Kurier, den sie stets vollständig lese, sorge für Abwechslung. Doch wenn die Natur nicht wäre, gebe es sonst nur Erinnerungen, berichtet die geborene Greifenbergerin (Gryfow Slaski). Nach der Vertreibung sei die Familie sogar wieder zumindest bis in die Oberlausitz zurückgekehrt. „Mein Vater wollte dicht bis an seine Heimat, sonst wären wir wohl wie so viele andere letztlich im Westen gelandet“. Auch bei ihr seien schöne Erinnerungen an Greifenberg immer wieder präsent.
Hinter dem Mehrfamilienhaus, in dem sie wohnt, hat sie ein paar Quadratmeter Garten. Aktuell sinniert sie nun viel, wie sie dort problemlos dauerhaft einen Sonnenstuhl vor Wettereinflüssen postieren lassen könne. Denn mit ihrem Kreuz könne sie diesen unmöglich jedes Mal aus- und wieder einklappen. Zunächst einmal kommt jedoch tatsächlich so etwas wie Stress auf. Wir müssen umdrehen. Für 17.00 Uhr hat sich ein neuer junger Helfer für den Haushalt angekündigt. Die Familie ist weit und Freundschaften gingen in den Jahren schwerer Betreuung ihres Mannes an den Sorgen des Alltags verloren. Wenn das Kreuz und das Wetter mitspielen, wird Eva Schneider es wieder mit dem Rollator bis an den Ortsausgang von Niesky ziehen.
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