Wenn Fledermäuse einem fast vergessenem Denkmal helfen
Am Standort der alten Brunnenstube in Irgersdorf, die früher von zwei Apfelbäumen flankiert war, (rot umkreist), soll diese auf ihren historischen Fundamenten wiedererrichtet werden. Foto: Privat
Das Wasser sammelt sich bereits im freigelegtem Becken der Brunnenstube. Im Frühjahr soll es nun den Gewölbeüberbau erhalten. Foto: Benjamin Vogt
Manchmal ist es ein altes Foto, welches dann größere Dinge ins Rollen bringt. So wie in Irgersdorf bei Wilthen, wo durch das Engagement eines Bewohners nicht nur die historische Brunnenstube wiederhergestellt wird, sondern auch Fledermäuse ein Winterquartier bekommen.
Irgersdorf. In vergangenen Zeiten waren Brunnenstuben ein wichtiger Teil der dörflichen Infrastruktur. Denn in Zeiten, in denen es noch keine Wasserleitungen gab, die die Haushalte und Wirtschaften versorgt, brauchte man immer ausreichend Zugang zum Wasser, auch wenn harter Winter herrschte. Eine Möglichkeit, diese Versorgung sicher zu stellen, waren eben die Brunnenstuben. Dabei ist eine Wasserquelle mit einem Becken umbaut und mit einem Gewölbe überbaut. In diesem „Wasserkeller“ konnte man dann das ganze Jahr über schöpfen. Einige dieser historischen Wasserstellen kann man immer noch in der Oberlausitz besichtigen. So zum Beispiel in Sora. Und eben bald auch in Irgersdorf. Wobei diese einige Besonderheiten vorzuweisen haben wird.
Denn ursprünglich war, im Gegensatz zu der schon genannten Brunnenstube in Sora, die in Irgersdorf nicht öffentlich zugänglich, sondern diente der Wasserversorgung des großen Hofes mit der Nummer 1. Aus historischen Karten wird dabei ersichtlich, dass es den Weg, zwischen dem heutigen Wohnhaus und der entstehenden Brunnenstube früher nicht gab. Da eben dieses Wohnhaus früher eine Steinscheune war, in dem auch die Tiere standen, konnte die Wasserversorgung ziemlich unkompliziert durch die nahe Brunnenstube gelöst werden. Dass es aber diese Einrichtung überhaupt gab, war im kollektiven Gedächtnis nicht mehr wirklich präsent gewesen. Denn durch die Landwirtschaftspolitik in der DDR ist das historische Gesicht vieler Dörfer nachhaltig zerstört worden. Und auch in Irgersdorf rollten nach der Enteignung der Bauern die Bulldozer an, um große einheitliche Flächen für die Rinderzucht der benachbarten LPG in Tautewalde zu schaffen. Dafür wurden alle Feldraine, Wege, Hecken und Bäume, die im Weg waren, beseitigt. Und eben auch die Brunnenstube bei der Nummer 1.
Bei einem Dorffest im Jahre 2005 wurden dann alte Bilder rumgereicht und bei der Gelegenheit sagte eine ehemalige Dorfbewohnerin zu Johannes Kühnel, der das beschriebene Projekt nun durchführen will: „Dort stand die alte Brunnenstube von Irgersdorf“. Ohne diesem Wissen wäre darauf wohl nie jemand gekommen, den auch auf dem Foto sieht man nur die zwei Apfelbäume, die die Wasserstelle damals flankierten.
Da Johannes Kühnel sich seit Jahren bemüht, das alte Landschaftsbild in Irgersdorf wieder herzustellen, war die Idee für die Wiederauferstehung der Brunnenstube geboren. Als dann im Zuge einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme die alte Landstraße wieder eingerichtet wurde, wurden die vorhandenen Arbeiter genutzt, um in diesem Zuge mal ein paar Sondierungsgrabungen auf dem Gelände zu machen, wo einst das Brunnengewölbe stand. Und tatsächlich fand man das alte Wasserbecken, in das auch noch die alten Stufen hinabführen. Nachdem dann auch noch das Becken ausgeschachtet war, stand für Johannes Kühnel fest, dass man das Gewölbe nun auch wieder errichten muss. Wie soll das aber geschehen? Für die Eigenleistung fehlt die Zeit und für die Handwerkerleistung das Geld.
Da kamen ihm kleine geflügelte Wesen zu Hilfe. Gemeint sind hier keine Feen, sondern Fledermäuse. Seit nämlich das Naturschutzinstitut Freiberg ein sechsmonatiges Fledermausmonitoring in Irgersdorf durchgeführt hat, wusste man, dass von den 22 in Sachsen bekannten Fledermausarten allein 14 in dem kleinen Dorf bei Wilthen vorkommen. Diese hohe Zahl ist zum einen der landschaftlichen Prägung zu verdanken, aber auch einem anderen Aspekt, der in der vorliegenden Geschichte eine gewisse Rolle spielt: durch die historische Bebauung gab es nämlich in Irgersdorf durch die alten Keller immer genügend Winterquartiere für die Fledermäuse. Ein Fledermauswinterquartier muss dabei zwei Anforderungen erfüllen: es muss frostfrei sein und eine hohe Luftfeuchtigkeit vorweisen. Durch die voranschreitende Sanierung vieler Gebäude haben immer weniger Keller diese Eigenschaften oder sind für die Tiere nicht mehr zugänglich.
Bei Johannes Kühnel reifte also die Idee, das eine Anliegen mit dem anderen zu verbinden. Und so reichte er bei der Unteren Naturschutzbehörde eine Projektidee ein. Der Inhalt: Schaffung eines Winterquartiers für Feldermäuse in Gestalt der historischen Brunnenstube in Irgersdorf. Diese sollte als sogenannte Kompensationsleistung errichtet werden. Denn jede bauliche Maßnahme in Deutschland muss durch eine umweltfördernde Ausgleichsleistung ergänzt werden. Die Irgersdorfer Brunnenstube wurde nach einigen Zweifeln dann tatsächlich als Ausgleichsmaßnahme für den Straßenbau von Neuschirgiswalde nach Weifa genehmigt.
Und so war im Herbst 2022 der Weg frei für die Wiederherstellung der Brunnenstube. Der geplante Baubeginn anfang Dezember 2022 konnte dabei witterungsbedingt nicht gehalten werden, aber ab dem Frühjahr sollen dann die Arbeiten beginnen. Für die fledermausgerechte Ausführung zeichnet sich dabei der Feldermausverband Sachsen verantwortlich. Ist die historische Brunnenstube dann wieder hergestellt, gilt diese aber auch als anerkanntes Bodendenkmal. Und ist so ein Beispiel für das gelingende Zusammenwirken von Denkmalschutz und Naturschutz.
Johannes Kühnel freut sich besonders, dass damit auch das alte Landschaftsbild von Irgersdorf wieder ein Stück weit wiederhergestellt wird, was ihm seit Jahren ein Anliegen ist. So wird die Brunnenstube auch ein Teil des Streuobstwiesengürtels sein, den er seit Jahren anlegt. Damit auch die Landschaft sich langsam von den Folgen des Sozialismus erholt.
Kommentare zum Artikel "Wenn Fledermäuse einem fast vergessenem Denkmal helfen"
Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.
Ich stimme T. Bartusch voll und ganz zu.
Auf der einen Seite wird geschützt, was vollkommen in Ordnung ist, auf der anderen Seite wird das Landschaftsbild von Irgersdorf, vollkommen zerstört.
Es ist ein Landschaftsschutzgebiet, wohlbemerkt.
Der ganze Wald ist schon krank, Bäume tot, so ein trauriger Anblick.
An die Wildtiere denkt wohl keiner.
Und dann so eine Photovoltaik-Anlage auch noch?
Es gibt in Wilthen genügend kommunale Gebäude, auf deren Dächer es angebrachter wäre.
Oder zählt hier auch wieder nur das Geld?
Den Bericht über die geplante Brunnenstube habe ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge gelesen. Zum Einen freut es mich, dass mit der Errichtung der Irgersdorfer Brunnenstube ein Stück historische Bausubstanz wieder hergestellt wird. Dies kann nicht zuletzt zu einer Belebung des Tourismus in unserer Region führen.
Andererseits ist durch Herrn Kühnel nicht weit von dieser Stelle der Bau einer bis zu 15 Hektar großen Photovoltaik-Anlage initiiert worden. Ob dies in Einklang mit der Wiederherstellung des ursprünglichen Landschaftsbildes von und um Irgersdorf steht, darf stark bezweifelt werden. Ich sehe darin jedenfalls einen krassen Widerspruch.
Auch dem Tourismus ist mit einer solchen Maßnahme innerhalb eines Landschaftsschutzgebietes wohl ein Bärendienst erwiesen. Monatelanger Baulärm und die Veränderung der Landschaft bedrohen den Schutz seltener und teils empfindlicher Tierarten und werden wohl schlimmstenfalls die eben erst nachgewiesenen 14 Fledermausarten vergrämen.