Wenn Görlitzer Verwandtschaft bei Janosch klingelt
Janosch (r.) mit Siegfried Cymorek aus Görlitz auf dem Flughafen von Teneriffa. Foto: privat
Ja, die drollige Tigerente, die Kinder so lieben, würde sich sicher auch auf der Neiße – halb in Deutschland, halb in Polen – wohlfühlen. Auch wenn ihr Schöpfer ‚Janosch’, der am Mittwoch seinen 90. Geburtstag feierte, vermutlich nie mehr nach Görlitz kommen wird, so wäre dies doch ein Familienbesuch.
Görlitz / Teneriffa / Hindenburg. „Als Buchhändlerin muss ich Janosch-Bücher kennen, aber wer der Autor ist, dass weiß ich von einem Kunden“, berichtet Carola Preuß von der Görlitzer Comenius-Buchhandlung über den Schöpfer von Tigerente, Tiger und Kastenfrosch Horst Eckert, alias Janosch.
„Eines Tages kam ein grauhaariger Herr in den Laden und fragte nach Janosch-Büchern für Erwachsene“, sagt sie. Preuß wurde stutzig, denn sie wusste nicht, dass der berühmte Kinderbuchautor auch für die Großen zur Feder gegriffen hat. Siegfried Cymorek klärte sie auf. Er stammt aus Hindenburg (poln. Zabrze) in Oberschlesien und verbringt seinen Lebensabend in Görlitz. Er war Lehrer und Dolmetscher in Nordrhein-Westfalen, aber zu seiner Heimat hat er den Kontakt nie verloren. Seine Janosch-Begeisterung habe einen persönlichen Hintergrund, sagt er. „Meine Mutter ist über mehrere Ecken mit Janoschs Mutter verwandt“, so Cymorek, der vor etwa 15 Jahren mit seinem Stammbuch in der Hand Janosch in seiner neuen Heimat auf Teneriffa besuchte. Nun sind sie befreundet und Cymorek flog ein bis zweimal im Jahr zu Janosch nach San Michele. Bis Corona kam …
„Ich muss ihm immer viel aus der Heimat erzählen. Janosch erinnert sich selbst noch an sehr vieles und wir weinen und lachen im Wechsel. Er erinnert sich sogar noch an den Zaun, an den er als kleiner Junge gepinkelt hat“, lacht Cymorek, der bei jedem seiner Besuche Janosch mit Graupenwurst aus der Heimat versorgte.
Obwohl Janosch tiefgründige Erwachsenenliteratur wie „Cholonek oder Der liebe Gott aus Lehm“ und 150 weitere Titel der Nachwelt hinterlässt, so ist der Name Janosch zuvorderst aus der Kinderbuchliteratur nicht wegzudenken. Siegfried Cymorek: „Kinder haben ein besonderes Gespür, ob ein Mensch gut ist, fast wie Hunde. Und Janosch hat eben auch so ein wunderbares Gespür, wie man Kinder stark macht, was man Kindern auf den Weg zum Erwachsenwerden geben kann. Janosch ist ein wunderbarer Mensch und ich wünsche ihm, dass er 200 Jahre alt wird!“ Das sieht man mittlerweile auch in seiner Heimatstadt Hindenburg so, die zunächst von seinem Erfolg in Deutschland wenig mitbekam und eine Weile mit Janosch fremdelte.
Seine Distanz, ja Abneigung zur Kirche hätte den Erfinder der Tigerente fast die Ehrenbürgerschaft der Stadt gekostet, erinnert sich Czeslaw Zdechlikiewicz von der Stadtverwaltung. „Noch zur Jahrtausendwende“, sagt er, „hatte weder das Stadttheater noch das Stadtmuseum irgendetwas von Janosch. Vielmehr gab es einen Skandal, als ein Theaterstück ins Polnische übersetzt werden sollte und die Stadt hierfür einen katholischen Geistlichen anheuerte. Ein deutscher Oberschlesier und dann auch noch antiklerikal? Das erschien vielen zu viel. Doch letztlich gewannen auch in Janoschs Geburtsstadt seine Anhänger Oberwasser – der Stolz auf das Kind der Stadt und sein geradezu philosophisches Werk für alle Generationen waren stärker.