Wenn im Kreis ein Haus auf Reisen geht
In Lissahora befand sich bis vor wenigen Monaten noch dieses einmalig in Sachsen erhalten gebliebene, ländliche Scharfrichterhaus. Es soll künftig in Luga Besucher begrüßen dürfen. Foto: privat
In der Gemeinde Neschwitz steht ein besonderer Umzug bevor. Gleich ein ganzes Haus geht dabei auf Reisen. Und dieses hat sogar eine Verbindung zur Krabat-Geschichte.
Neschwitz. Die Kultur- und Heimatfreunde aus Neschwitz haben Großes vor. Ein Scharfrichterhaus, das die Jahrhunderte überdauerte, soll von seinem bisherigen Standort in Lissahora ins etwa acht Kilometer entfernte Luga umziehen. Vereinsangaben zufolge handelt es sich dabei um das einzig erhalten gebliebene Exemplar seiner Art in Sachsen.
„Einer der dort sesshaften Scharfrichter stand nicht nur mit Krabat in Kontakt“, weiß Dieter Petschel von der extra für das ehrgeizige Vorhaben ins Leben gerufenen Projektgruppe, „sondern erfüllte auch Aufträge August des Starken. Damit dieses Kleinod für die Zukunft nun auch Besuchern offensteht, wird es von einem Privatgrundstück zur Bockwindmühle in Luga umgesetzt.“ Ende vergangenen Jahres sei bereits der Rückbau erfolgt. Die Balkenkonstruktion bestehend aus 209 Holzteilen befinde sich momentan in einer Zimmermannswerkstatt in Thalheim im Erzgebirge und werde dort überarbeitet.
In Kürze soll das geschichtsträchtige Gebäude an seiner neuen Wirkungsstätte aufgebaut werden. Wenn alles wie geplant funktioniert, sind die Arbeiten zum Jahresende abgeschlossen. Allerdings spielt in dem Fall wie so oft die Finanzierung eine gewichtige Rolle. Der Verein benötigt eine hohe fünfstellige Summe, um das Ganze zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. „Die Kostenkalkulation für dieses Projekt beträgt 96.627 Euro“, sagt Dieter Petschel. „Vom Kreisentwicklungsamt wurden Fördermittel über das Programm des europäischen Fonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes – EPFL – in Höhe von 50.000 Euro bestätigt. Für den durch uns zu erbringenden Eigenanteil suchen wir dringend Spender.“
In dem Zusammenhang wurde eine virtuelle Unterstützerplattform der Kreissparkasse Bautzen angezapft. Über einen bestimmten Link können sich Spendenwillige in das Unterfangen einbringen. Noch bis zum 7. Mai sei die Plattform aktiv, so das Vereinsmitglied. „Durch Einzelspenden von fünf bis einhundert Euro und deren Verdoppelung durch die KSK haben wir die Grenze von 7.500 Euro bereits erreicht. Dafür sind wir allen bisherigen Spendern sehr dankbar. Die Verdoppelung durch das Finanzhaus entfällt ab jetzt. Damit ist auch die Höhe weiterer Spenden nun nicht mehr begrenzt.“
Dieter Petschel umschreibt die weiteren Ambitionen folgendermaßen: „Unser Ziel ist es nun, bis Mai mindestens 25.500 Euro zu erlangen. Dabei müssen wir jedoch die Fundingschwelle von 15.000 Euro unbedingt erreichen. Wenn diese Summe nicht zusammenkommt, ist das Projekt leider gescheitert. Es werden die Spenden an die Spender zurückgeführt und wir verlieren die Verdopplungssumme der Sparkasse.“
Das allerdings wäre sehr bedauerlich. Der Verein will sich gar nicht ausmalen, welches Schicksal das zurückgebaute Scharfrichterhaus in dem Fall erleiden würde. Damit dies gar nicht erst geschieht, wartet er mit kleinen Anreizen auf, um die Spendenwilligen bei Laune zu halten. Je nach Höhe der Einzelspendensumme winken zum Beispiel Sonderführungen durch das fertige Gebäude und die Windmühle oder auch eine von insgesamt 50 Eintrittskarten für das Open-Air-Konzert während des 25. Lichterfestes. Dieses soll am 28. August 2021 in Neschwitz über die Bühne gehen.
Rückblick: Im September 2018 hatten engagierte Mitglieder des Neschwitzer Kultur- und Heimatfreunde e.V. die AG „Scharfrichterhaus Lissahora“ gegründet, um das Gebäude als wertvolle regionale Bausubstanz zu retten. Mit einem Leader-Förderprojekt wurde dessen fachgerechte Abtragung bewerkstelligt. In Übereinkunft mit der Gemeinde Neschwitz soll das historische Bauwerk künftig an der Bockwindmühle in Luga an der Bundesstraße B 96 wiederaufgebaut und dort eine Nachnutzung erfahren. Der Ursprung des Gebäudes lässt sich bis auf den Beginn des 18. Jahrhunderts zurückdatieren. Das Haus diente als Wohnsitz des Scharf- und Nachrichters. Der erste nachweisbare dieser Amtsträger war Hans Friedrich Kühne. Einer seiner Nachfolger, Scharfrichter Bundermann aus Lissahora, taucht in der Krabat-Sage von 1903 auf. Dieser Umstand wiederum verleiht dem Gebäude bis heute einen Hauch regionaler Bedeutsamkeit.
Rudolf Richter vom Regionalmanagement ist das Objekt in typischer Bauweise der sorbischen Region seit vielen Jahren als besonders wertvoll bekannt. „Wir haben die Rettung dieser sehr historischen Bausubstanz seit Jahren mitverfolgt. Die Heimatfreunde Neschwitz konnten mit Leader-Unterstützung neuen Schwung in die Sache bringen. Wir hoffen nun, dass das Vorhaben 2021 zu einem guten Ende kommt.“