Wenn ’Peterskirche’ das fast erste Wort ist
Angelo Noatsch hat auch zeichnerisches Talent und so eine potenzielle Lage der Glocken in eine eigene Skizze aufgenommen. Anneliese Karst unterstützt seine Bemühungen. Foto: Till Scholtz-Knobloch
Seit Jahren gibt es Bestrebungen zur Erneuerung der von Mängeln geplagten Glockenanlage der Peterskirche. Der Görlitzer Angelo Noatsch will Schwung in die Sache bringen und sucht Mitstreiter, für neue Glocken von St. Peter und Paul – und vor allem die Wiederauferstehung einer der größten Glocken Deutschlands.
Görlitz. Beim Schlendern durch die Altstadt auf der Suche nach einem passenden Motiv für das Titelfoto bekennt Angelo Noatsch (29): „Ich komme ursprünglich aus der Südstadt. Aber ich war wohl ein oder zwei Jahre alt, da habe ich bei Fahrten im Auto schon immer mitgefiebert, ob man, um die nächste Ecke gefahren, wieder einen Blick auf die Türme der Peterskirche werfen kann“. ’Peterskirche’ sei eines seiner ersten Worte gewesen.
Auch in vielen Jahren außerhalb von Görlitz ließ ihn das Thema nicht los und stets machte er sich selbst zum Experten. Und so zitiert er: „Nach den ersten 30, mit einem 12,5 Kilogramm schweren Vorschlaghammer ausgeführten Schlägen zeigte sich ein Haarriss, der nach weiteren 30 Schlägen sich bereits soweit vergrößert hatte, dass Keile eingetrieben werden konnten, die sehr bald ein Lösen des ersten Stückes hervorbrachten. In zwei Tagen war die Glocke in 14 Teile, die Haube in zwei Teile zerlegt.“ So berichtet ein Zeitungsartikel vom 16. Juli 1917 über das Ende einer ganz besonderen Glocke.
Sie hing im Mittelbau, zwischen den beiden markanten Türmen von St. Peter und Paul. 1696 im Auftrag des Görlitzer Stadtrats durch den Gießer Joachim Hannibal Brors gegossen, war sie mit einem unteren Durchmesser von 2,45 Metern, mit nahezu gleicher Höhe und einem Gewicht von rund elf Tonnen eine der größten Glocken Deutschlands. Mit ihr inklusive forderten die beiden Weltkriege vier der insgesamt sechs Glocken des Gotteshauses. Die klangliche Lücke zwischen den beiden übrigen Bronzeglocken wurde erst 1956 mit zwei Glocken aus Eisen geschlossen. Alle vier stattete man dabei mit zeittypischer Aufhängung und Technik aus, die sich jedoch zum Problem entwickeln sollte. Wenige Jahrzehnte später wies die Anlage einerseits bereits gravierende Mängel auf, andererseits gilt das Geläut, insbesondere die beiden Eisendamen, als wenig klangvoll.
Die Evangelische Innenstadtgemeinde strebte daher schon lange eine Sanierung an. Mit der Wiederinbetriebnahme der Betglocke, die 30 Jahre lang schweigen musste, hatte sie Anfang 2023 den ersten Schritt getan.
Nun soll Nägel mit Köpfen gemacht werden, um die Anlage zu sanieren und neue Glocken anzuschaffen. Dabei soll auch die brors’sche Riesenglocke wiederauferstehen. Denn bevor die „Große Glocke“, wie man sie schlicht nannte, 1917 zerschlagen wurde, fertigte man von ihr einen Gipsabguss in Originalgröße an. Für sie und die neuen Glocken sucht Angelo Noatsch Unterstützer – auf das die einstige „Stimme von Görlitz“ wieder über den Dächern der Stadt erklingt. Wer das unterstützen mag, kann sich bei Angelo Noatsch unter stimme-von-goerlitz@gmx.de melden.
Einige Mitstreiter zur Gründung eines Vereins hat er bereits, so auch Anneliese Karst (77), die bis Mittwoch Vorsitzende des Aktionskreises Görlitz e.V. war, den nun Daniel Breutmann leitet. Sie erinnert daran, dass die Entstehungsgeschichte des Aktionskreises viel mit dem Zustand der Altstadt zur Wendezeit zusammenhänge und mit der Wiederentstehung der Muschelminna habe man ja schon einmal bewiesen, was alles geht, wenn viele Görlitzer mitziehen.
Mit Pfarrer Matthias Paul steht Initiator Angelo Noatsch natürlich in Kontakt. Da die Innenstadtgemeinde viele Aufgaben um die Zukunft der Dreifaltigkeitskirche mit Perspektiven um Jacob Böhme umtreibt, sei am Ende aber gar nicht entscheidend, ob ein separater Verein für die Glocken der Peterskirche entstehe. Noatsch betont, ihm gehe es um kein Amt, sondern um die Glocken der Peterskirche. Vielleicht ließen sich auch beide Anliegen in einem Verein bündeln.
Mit Blick auf die große Glocke sagt er: „Die Glocke, die eine der größten Deutschlands war und von den Görlitzer finanziert wurde, ist ja dem Krieg zum Opfer gefallen. Eingeschmolzen für Munition zum Töten. Schon aus diesem Grund wäre es meines Erachtens aktuell ein beeindruckendes Symbol angesichts des Kriegsgeschehens in der Ukraine.“
Auch mit der Deutschen Stiftung Denkmalpflege und dem Landesamt für Denkmalpflege habe er schon Kontakt Kontakt gesucht: „Beide waren aufgeschlossen für das Projekt“, zeigt er sich zufrieden. Auch wenn für Angelo Noatsch, die Peterskirche ganz viel mit ihm selbst von Kindesbeinen an zu tun hat, so gehen seine Fühler auch über Görlitz hinaus. Er forscht gerade zu Parallelen der Görlitzer Glocken zu denen im Magdeburger Dom und zuletzt hat er auch für die Wiederentstehung der Garnisonkirche Potsdam gespendet. Nun ist Görlitz dran.