Wie Schirgiswalde zur nordböhmischen Krippenstadt wurde
Bei dieser Krippe aus Schirgiswalde kann man gut die Merkmale einer nordböhmischen Krippe erkennen. Foto: M. Jung
Diese Krippe vom Krippenverein Schirgiswalde ist derzeit im Schluckenauer Schloss zu besichtigen. Foto: Dagmar Palkova
Schirgiswalde. Die Advents- und Weihnachtszeit ist wohl im ganzen christlich kultivierten Raum geprägt von unterschiedlichsten Brauchtum. Im Laufe der Jahrhunderte bildeten sich zusätzlich unterschiedlichste Ausprägungen eines Brauches aus. In der inzwischen vergangenen Vielfalt der europäischen Regionen findet man noch heute Relikte dieser historischen Pluralität.
Eine Region, die in früherer Zeit ein eigenständiges Lokalkolorit ausbildete, sind die nordböhmischen Grenzlande zu Sachsen, besonders auch der Schluckenauer Zipfel. Durch die besonderen Verläufe, die die Geschichte manchmal nimmt, gehörte auch die Stadt Schirgiswalde bis ins 19. Jahrhundert zu diesem Gebiet und wurde so auch, anders als die umliegenden Orte, von der nordböhmischen Kultur stark geprägt.
Ein Moment, was diese Geschichte noch heute vor Augen führt, sind die Krippen der Stadt. Denn Schirgiswalde kann für sich wohl in Anspruch nehmen, in gewisser Hinsicht eine Krippenstadt zu sein. Und der hierbei vertretene Krippentypus ist auch primär der nordböhmische Typ in seiner regionalen Ausprägung des Schluckenauer Zipfels. Dabei geht die Krippengeschichte von Schirgiswalde noch weiter zurück. Denn die ersten Krippenschnitzer kamen nicht aus Böhmen, auch wenn die erste Krippe im heutigen Sinn 1562 von Jesuiten in Prag aufgestellt wurde. Die ersten Schnitzer kamen tatsächlich aus Südtirol. Nun war zu Beginn des 19. Jahrhunderts zwar Südtirol wie auch der Schluckenauer Zipfel ein Land, gehörten doch beide Regionen zum Habsburgerreich. Aber wenn man bedenkt, mit welch einfachen Mitteln zu dieser Zeit die Wege zurückgelegt wurden, ist es schon erstaunlich. Der Kontakt selber kam damals wohl über die böhmischen Weber zustande, die ihre Waren auch in Wien anboten, genauso wie die Südtiroler Schnitzer. Diese kamen später von Oktober bis Weihnachten auch nach Schirgiswalde, um ihre Figuren zu schnitzen und anzubieten. Später schauten sich die Einheimischen dieses Handwerk ab und fingen selber an, ihre Krippen zu schaffen. Diese unterschieden sich anfangs nicht groß von den Südtiroler Krippenfiguren, welche gestalterisch die Lebenswelt der damaligen Gegenwart abbildeten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bildete sich in der Region aber ein eigenständiger Krippentypus aus. Dieser unterscheidet sich von den früheren hauptsächlich durch seinen orientalischen Stil. Denn die Tiroler, wie auch zum Beispiel die Erzgebirgskrippe, sind Heimatkrippen. Das bedeutet, dass Sie die Szenerie der Weihnachtsgeschichte in das jeweils vorherrschende Lokalkolorit tauchen und die Figuren und Landschaft der eigenen Region gestalterisch angepasst sind. Die Nordböhmische Krippe des Schluckenauer Zipfels bestand nun aus geschnitzten Figuren, die man den „tatsächlichen“ Gegebenheiten des Heiligen Landes anzupassen versuchte. Da zu der damaligen Zeit die wenigsten Leineweber oder Waldarbeiter schon mal in der Levante gewesen waren, brauchte man dazu optische Vorbilder. Diese fand man hauptsächlich in den Bibelillustrationen der damaligen Zeit, wie in denen von Carolsfeldts und Führichs. Dieser orientalische Stil Schluckenauer Art wurde natürlich immer mehr verfeinert. Besonders auch hinsichtlich der Gestaltung der „Landschaft“, wie man den gemalten Hintergrund der Krippe bezeichnet, entwickelten sich großartige, perspektivische Szenerien. Nach dem zweiten Weltkrieg brach dann aber auch in Nordböhmen diese Tradition ab.
Da einige Krippenschnitzer in das deutsche Gebiet übergesiedelt wurden, finden sich auch heute noch, besonders in den Grenzdörfern wie Taubenheim oder Ebersbach, nordböhmische Krippen. In Schirgiswalde existierte diese Traditionen durch die politschen und konfessionellen Verflechtungen freilich schon länger. So gibt es hier auch die vielleicht größte Sammlung dieses Krippentypus und die Stadt ist durch ihre besondere Geschichte heute wohl der letzte Ort, „wo die historische Entwicklung der nordböhmischen Krippenkunst fast vollständig nachweisbar ist“, wie Stefan Wollmann vom Schirgiswalder Krippenverein ausführt. Der Verein, der sich 1991 gründete, will dabei keine Krippen sammeln, sondern die Kultur der Krippe erhalten. Sie sehen sich als Anlaufstelle für alle, die ihre alte Familienkrippe wieder aufstellen wollen, aber nicht richtig wissen, wie. Oder sie beraten, wenn jemand sich eine neue Krippe schaffen will und vermitteln Kontakte zu Schnitzern und Restauratoren. In vergangenen Jahren organisierten die rund 60 Mitglieder auch mehrere Krippenausstellungen, zu denen nebenbei viele Gäste aus Böhmen kamen. Der damit verbundene Sicherheitsaufwand ist allerdings immer schwieriger zu bewerkstelligen. So muss man heute auf die digitale Ausstellung verweisen. Diese wird ab dem 25. Dezember freigeschaltet und lädt dann bis Mariä Lichtmeß zum Betrachten vor dem heimischen Bildschirm ein. Auch in einigen Schirgiswalder Schaufenstern werden wieder Krippen zu sehen sein. Im Heimatmuseum kann man sich das ganze Jahr ausgewählte Exponate zu Gemüte führen. Neben Schüleraktionstagen und dem regelmäßigen Treff an jedem dritten Dienstag im Monat in der Stadtmühle ist der Verein in diesem Jahr noch an einer besonderen Aktion beteiligt: Im Schluckenauer Schloss werden seit dem 27. November Krippen ausgestellt. Mit dabei sind auch Dauerleihgaben aus Schirgiswalde. Die Ausstellung im Schloss geht über drei Etagen und ist in diesem Jahr noch bis zum 23. Dezember und im neuen Jahr vom 2. Januar bis zum 2. Februar täglich von 9.00 bis 17.00 Uhr geöffnet.
Informationen über die Arbeit des Schirgiswalder Krippenvereins, sowie die digitale Ausstellung finden Sie auf der Internetseite unter krippenverein-schirgiswalde.de.
Kommentare zum Artikel "Wie Schirgiswalde zur nordböhmischen Krippenstadt wurde"
Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.
Guten Tag, ist die Krippenausstellung in Schirgiswalde in diesem Jahr zu besichtigen? Wenn JA, wann und Wo.
Kommentar der Redaktion:Wissen sie ob in Rumburg, die Krippenschau zu sehen ist. Haben Sie eventuell eine Empfehlung zur Besichtigung von Krippen in Nordböhmen .
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Schael
01328 Dresden
Sehr geehrter Herr Schael, der Seite des Krippenvereins Schirgiswalde haben wir entnommen, dass es in der Saison 2023/2024 leider keine Krippenausstellung des Krippenvereins Schirgiswalde gibt. (https://krippenverein-schirgiswalde.de/termine/)
Der Originaltext: Ausstellungen in der Krippensaison 2023/2024
Achtung! Achtung! Achtung!
Im Jahr 2023 findet keine Krippenausstellung im „Elisabethsaal“ in Schirgiswalde statt. Anderslautende Veröffentlichungen, welche im Internet bzw. in diversen Zeitschriften publiziert werden, stammen nicht vom Krippenverein Schirgiswalde und Umgebung e.V., sondern sind in einer ungenügenden Recherche der jeweiligen Autoren begründet.
Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf die Sonderausstellung über Weihnachtskrippen im Museum der Stadt Schirgiswalde. (Sobald dazu genauere Informationen vorliegen, werden sie hier veröffentlicht.)
Auf der Seite finden Sie zudem Informationen zu anderen Ausstellungen.