Kommentar: Wie sich der Kreis ein Upahl schafft
„Landkreis Absurdistan Elterntaxi – Nein. Falsch gespart – Kids unwichtiger als Schweinezaun“, heißt es auf dem linken Protestplakat in Deschka. Foto: privat
Kommentar. Im Oktober 2021 prägte die Titelgeschichte zur Schülerbeförderung im nördlichen Kreisgebiet „Schüler fahren ’gut vernetzt’ mit dem Bus durch Absurdistan“ erstmals den Begriff „Absurdistan“ in diesem Kontext. Nun plakatiert die Elterninitiative Neißeaue an der S 127 in Deschka mit dieser Begrifflichkeit und betont, weiterhin sei der Schülerverkehr „chaotisch“ geregelt. Eltern und Kinder seien nicht der Spielball des Landratsamtes. Doch die mangelhafte Kommunikation strickt sich auch in anderen Feldern fort. Das wurde am Montag nun in Rosenthal bei Zittau überdeutlich.
Die Einwohner von Hirschfelde mit Rosenthal formierten sich am Montag zum Protest. Foto: Wolfgang Wauer
Vom Kloster in Ostritz-Marienthal führt einer der romantischsten Wander- und Fahrradwege die Neiße entlang nach Hirschfelde/Rosenthal, wo es sich neben der Flachsspinnerei gut einkehren lässt. Doch Rosenthal könnte nun das sächsische Upahl werden, wenn der nur 120 Einwohner zählende Ort auf der Brache der geschlossenen Spinnerei 150 Asylbewerber aufnimmt. Im mecklenburgischen Upahl hat der Protest wegen der Überrumpelung eines winzigen Ortes längst bundesweite Schlagzeilen erreicht. Für den Landkreis Görlitz stellte Beigeordneter Thomas Gampe Unterbringungspläne vor dem protestierenden Dorf am Montag vor, während Ortsbürgermeister Müller wie jeder andere Einwohner per Postwurfsendung zur Infoveranstaltung eingeladen wurde! Bei dieser glänzte Landrat Dr. Stephan Meyer mit Abwesenheit. Ein über den Verlauf frustrierter Teilnehmer forderte abschließend folgerichtig: „Bringen Sie nächstes Mal Leute mit, die etwas zu sagen haben.“ Ein Vorhaben mit derartiger Sprengkraft nicht als Chefsache zu begreifen zeugt von politischer Instinktlosigkeit. Landrat Meyer wird im Landratsamt häufig vermisst, er tummle sich zu viel bei politischen Schauveranstaltungen, hört man zunehmend aus der Behörde, die auch im Alltagsgeschäft am Schreibtisch Führung verlangt. Wenn Stephan Meyer jedoch im Herzen den Modus des Landespolitikers nicht abstellen möchte, dann gehört zum „Verursacherprinzip“ einer dem Bund zu wenig Paroli bietenden Landespolitik erst recht ein Landrat in Rosenthal. Stephan Meyer hat jedoch den ersten Schritt getan, um aus Hirschfelde/Rosenthal ein zweites Upahl zu machen.
1. Anmerkung zum Kommentar (Asylheime)
Der Landkreis Görlitz will neben dem früheren Lehrlingswohnheim in der alten Flachsspinnerei in Zittau-Hirschfelde/Rosenthal auch die frühere Berufsschule in Boxberg zu einer Flüchtlingsunterkunft umfunktionieren. Auf Antrag der AfD wurde erst nach Erstveröffentlichung des oben stehenden Kommentars in der Printausgabe des Niederschlesischen Kuriers vom 1. April für den 18. April, 17.00 Uhr, nun ein Sonderkreistag im Beruflichen Schulzentrum, Carl-von-Ossietzy-Straße 13-16 in Görlitz einberufen. Im Antrag der AfD heißt es: „Der Landrat wird beauftragt, sich unverzüglich mit dem Land Sachsen sowie dem Bund dahingehend zu verständigen, dass im Landkreis Görlitz keine weiteren neuen Standorte zur Unterbringung von Asylbewerbern aufgebaut werden können.“ Görlitz’ OB Octavian Ursu hatte gegenüber dem Stadtrat ebenso bestätigt, dass auch Görlitz ein Asylbewerberheim bekommen solle. Derzeit wird geprüft, ob ein Gebäude am Flugplatz, das vor acht Jahren bereits als Flüchtlingsunterkunft genutzt wurde, wieder instand gesetzt werden kann.
2. Anmerkung zum Kommentar (Schulbus)
„Nach 1 1/2 Jahren Schulbusstreit gibt es einen wesentlichen Verhandlungsdurchbruch“, teilte Ronald Schmidt aus Deschka am 5. April kurz vor Onlineveröffentlichung des Kommentars der Redaktion mit. Es habe ein nochmaliges Treffen mit Vertretern des Landratsamtes und der Busgesellschaft OVO im Rathaus Rothenburg gegeben. Ergebnis: „Ab 17. April nach Ostern gibt es für alle Schüler ab Rothenburg, Start 6.45 Uhr Markt, nach Görlitz Gymnasium, eine neue Buslinie zu alten Zeiten wie bis zum 31. Dezember 2022.“ Die genauen Fahrpläne sollen „bis Ostern im Netz“, ebenso über Gemeinden und Schulen veröffentlicht werden. Die Fahrzeit lehne sich an die Sonderlinie an, wie sie bis zu den Winterferien bestand. „Wir als Elterninitiative sehen das als großen konstruktiven Verhandlungserfolg und bitten alle Eltern, die Kinder mit dieser Linie sowohl an die Grundschule Zodel, als auch an die Schulen Görlitz fahren zu lassen. Wartezeiten in Görlitz entfallen damit, Kinder sollen den ÖPNV nutzen und nicht parallel von Eltern gefahren zu werden.“