„Wir brauchen mehr Referees“
Bundesligaschiedsrichter Wolfgang Stark: Zu Bautzen hat er eine besondere Verbindung. In der Spreestadt fand er in Ex-Referee Hanspeter Benad einen guten Freund. Beide engagieren sich für mehr Unparteiische im ländlichen Raum. Foto: privat
Das hat es in der Fußballgeschichte von Sachsen-Anhalt so noch nicht gegeben: Vor Kurzem musste ein kompletter Spieltag in den untersten Klassen wegen Schiedsrichtermangels abgesagt werden, berichtete die dort erscheinende lokale Tageszeitung. In Halle seien demnach insgesamt 15 Partien in den Stadtklassen und in der Stadtliga ausgefallen. Doch auch schon während der Endphase der zurückliegenden Saison konnten nicht alle Begegnungen angepfiffen werden. Davon betroffen war am 23. Spieltag der Salzlandkreis. Die komplette Staffel zwei der 1. Kreisklasse fiel ins Wasser, weil es schlicht und ergreifend keine Unparteiischen gab, die die Partien hätten leiten können. Das wirft Fragen auf, auch weil in Zukunft selbst sächsische Fußballregionen vor dieser Entwicklung nicht gefeit zu sein scheinen. OLK-Redakteur Roland Kaiser hat bei Bundesliga-Schiedsrichterikone Wolfgang Stark nach Antworten gesucht.
Herr Stark, wenn man sich die Ereignisse in Sachsen-Anhalt vor Augen hält, wird das Kicken in den unteren Ligen scheinbar immer mehr zu einer vagen Angelegenheit. Worauf steuert die Fußballwelt da zu?
Wolfgang Stark: Es gibt in einigen Kreisen und Bezirken tatsächlich nicht mehr genügend Schiedsrichter, um alle Spiele besetzen zu können. Die Schiedsrichter-Einteiler können auch nur auf die Referees zurückgreifen, die ihnen zur Verfügung stehen. Oft sind die Unparteiischen zwei- bis dreimal am Wochenende unterwegs, damit sich die Partien über die Bühne bringen lassen.
Was läuft da verkehrt?
Wolfgang Stark: Die Zeiten allgemein haben sich geändert und mit ihnen das Freizeitangebot. Andere Sportarten und Freizeitaktivitäten sind hinzugekommen, in denen sich die jüngere Generation ihren Platz sucht. Das sieht man nicht nur bei der Anzahl der Schiedsrichter, sondern auch im Jugend- und Schülerbereich der Fußballvereine. Mitunter dürfte auch ein wichtiger Punkt sein, dass sich viele Leute verbalen Attacken nicht aussetzen wollen. Ganz zu schweigen von den nicht wenigen körperlichen Attacken gerade in den unteren Klassen. Dies kommt leider immer wieder vor.
Wie lässt sich diesem Trend gegensteuern?
Wolfgang Stark: Die Verbände und Vereine sind hier stark gefordert. In erster Linie geht es darum, gemeinsam das Problem anzupacken, denn ohne Schiri kein Fußballspiel. Es müssen geeignete Leute für das Schiedsrichteramt gefunden werden. Vereinen möchte ich an dieser Stelle ins Gewissen reden, dass sie die Entscheidungen eines Unparteiischen auf dem Platz wieder akzeptieren sollten, selbst wenn diese vermeintlich falsch sind. Die Spieler und Trainer machen schließlich auch Fehler. Fest steht für mich: Zum Fußball gehört ein respektvoller Umgang aller Beteiligten.
Was hat Sie eigentlich einst dazu bewogen, auf dem Rasen die Regie zu führen?
Wolfgang Stark: Von meinem Vater, der sowohl als Schiedsrichter in der Zweiten Liga als auch in der Bundesliga als Linienrichter aktiv war, hatte ich praktisch die Schiedsrichtergene in die Wiege gelegt bekommen. Zunächst jedoch begann ich damit, das Fußballeinmaleins zu erlernen. Mit fünf Jahren stand ich erstmals auf einem Spielfeld. Fast ein Jahrzehnt später hegte ich dann den Wunsche, die Schiedsrichterseite kennenzulernen. Schon damals gab es nicht immer genügend Referees. Beides habe ich einige Jahre parallel praktiziert, bis ich mich schließlich dazu entschied, nur noch auf dem Fußballplatz die Regie zu führen. Am Ende war es die richtige Wahl.
Welche Eigenschaften sollten Männer und Frauen mitbringen, um demnächst in Ihre Fußstapfen treten zu können?
Wolfgang Stark: Zunächst sollten sie Freude und Begeisterung für den Fußball aufbringen und sich zutrauen, Verantwortung auf dem Spielfeld zu übernehmen. Darüber hinaus rate ich den Anwärtern, sich nach dem bestandenen Schiedsrichterkurs Unterstützung bei erfahrenen Referees zu holen – vielleicht in Form einer Patenschaft. Das Alter spielt jedenfalls keine Rolle. Egal ob 14 oder 40 – jeder ist bei uns in der Schiedsrichtergilde willkommen.
Sie haben sich inzwischen aus dem Fußballgeschäft zurückgezogen. Was wünschen Sie diesem Sport?
Wolfgang Stark: Fußball ist und bleibt für mich stets die Sportart Nummer eins. Der Fußball lässt sich aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegdenken. Wichtig aber ist: Er soll nicht zu kompliziert gemacht werden.