Wo der Himmel dunkel bleiben soll
Wenn plötzlich irgendwo die Wolkendecke aufreißt und die Sterne zu sehen sind, lassen Lutz Pannier und seine Mitstreiter alles stehen und liegen.
Die Sternwarte in ihrem heutigen Erscheinungsbild entstand in mehreren Bauabschnitten im Stadtteil Biesnitz.
Görlitz. Die Görlitzer Sternwarte feiert in diesem Jahr ein kleines Jubiläum: Seit 50 Jahren hat sie ihren Sitz im heutigen Biesnitzer Domizil am Fuße der Landeskrone. „Doch natürlich reicht die Geschichte der Astronomie in Görlitz viel weiter zurück“, wie Lutz Pannier, Vorsitzender des Görlitzer Sternfreunde e.V., betont. Schließlich lebte und wirkte hier von 1540 bis 1614 ein Mann, der zu den bedeutendsten Astronomen seiner Zeit zählte: Bartholomäus Scultetus, dessen Namen die Görlitzer Sternwarte bis heute trägt. Als 1856 das Augustum eingeweiht wurde, erhielt es – wie viele Gymnasien in dieser Zeit – eine Schulsternwarte, die in dem markanten Turm ihren Platz fand.
Doch spätestens in der Mitte des 20. Jahrhunderts entsprach dieser innerstädtische Standort nicht mehr den Anforderungen: „Der Astronom braucht immer dunklen Himmel, und die Stadtbeleuchtung nahm natürlich zu“, begründet dies der heutige Görlitzer „Chefastronom.“ Der geografisch beste Standort – die Landeskrone – schied aufgrund der schwierigen Erschließung aus. Kann man nicht auf einen Berg mit Rundumsicht nach allen Seiten, so sucht man sich einen Standort mit guter Sicht nach Süden – der Hauptbeobachtungsrichtung für alle Astronomen auf der Nordhalbkugel der Erde. In Biesnitz, fernab vom geschäftigen Trubel der Innenstadt, fanden die Sternfreunde einen solchen Platz. 1968 begann der Bau, und 1971 war das erste große Etappenziel erreicht: „Damals, also vor 50 Jahren, konnte der erste Bauabschnitt beendet und die Sternwarte somit in Betrieb genommen werden“, blickt Lutz Pannier zurück.
Dieser erste Bauabschnitt beinhaltete die Vier-Meter-Kuppel mit Spiegelteleskop, einen Vortragsraum und ein Fotolabor. 1989 kamen dann noch ein zweiter Beobachtungsturm mit Drei-Meter-Kuppel und das Planetarium hinzu. Nach der Wende ab 1990 lief der Betrieb erst einmal kontinuierlich weiter, doch das blieb nicht so. 2006 führten Bemühungen der Stadt Görlitz um eine Konsolidierung ihres Haushaltes zum weitgehenden Verzicht auf freiwillige Leistungen – und so musste zum Jahresbeginn 2007 auch die Sternwarte geschlossen bleiben.
Dies stieß jedoch bei den Görlitzer Schulen, die das Bildungsangebot gern nutzten, auf erheblichen Widerstand. „In langen Verhandlungen wurde zwischen der Stadt Görlitz und den Sternfreunden ein Nutzungsvertrag ausgehandelt, und seitdem sind wir hier eingemietet“, beschreibt Lutz Pannier den bis heute geltenden Status Quo.
Heute ist die Sternwarte wieder ein beliebter Anlaufpunkt für die Astronomie begeisterten Görlitzer. „Nach Voranmeldung bieten wir Führungen und Veranstaltungen an, und jeden ersten Sonnabend im Monat kann man ab 18.30 Uhr zu uns kommen wie ins Kino“, so der Vorsitzende des Sternfreunde e.V. – vorausgesetzt natürlich, die Corona-Bestimmungen lassen es zu. Diesen fielen auch die Astronomietage als jährlicher Höhepunkt im März zum Opfer. Baulich besteht folgender Handlungsbedarf: „Über unserem großen Teleskop steht eine Eigenbaukuppel aus dem Waggonbau, die in die Jahre gekommen ist und erneuert werden muss.“ Beschließen muss dies die Stadt als Eigentümerin, der Verein würde Mittel für die Erneuerung einwerben. Quasi als „Jubiläumsgeschenk“ für sich selbst haben die Sternfreunde über den Sächsischen Mitmachfonds ein interaktives Präsentationsdisplay angeschafft, das sich auch mit den Teleskopen koppeln lässt. Für Lutz Pannier und seine Mitstreiter eine „wundervolle Ergänzung“, aber auch nicht mehr, denn: „Dem Astronomen ist es eigen, dass er permanent auf der Lauer liegt, ob nicht plötzlich irgendwo die Wolkendecke aufreißt und die Sterne zu sehen sind. Dann heißt es alles stehen und liegen lassen und ab zum Teleskop!“