Wo drückt denn der Schuh in und um Bautzen?
Mit den nun regelmäßig stattfindenden Bürgergesprächen soll den Bürgern des Landkreises die Möglichkeit gegeben werden, ihre Anliegen vorzutragen. Foto: Benjamin Vogt
Bautzen. Am Donnerstag, 9. März, fand im Burgtheater das Bürgergespräch des Landrates für die Stadt Bautzen und die Gemeinden Doberschau-Gaußig, Göda, Großdubrau, Hochkirch, Königswartha, Kubschütz, Malschwitz, Neschwitz, Puschwitz, Radibor, Weißenberg und Obergurig statt. Neben Landrat Udo Witschas und den Beigeordneten, Romy Reinisch und Jörg Szewczyk waren der Großteil der Bürgermeister der adressierten Gemeinden anwesend, um rund 25 angemeldeten Bürgern Rede und Antwort zu stehen.
Die Fragen der Bürger drehten sich größtenteils um ganz konkrete Probleme des Alltags, um mangelhafte Straßen, fehlenden Busverkehr, mangelnden Hochwasserschutz und Befürchtungen hinsichtlich geplanter Verkehrsvorhaben, wie der Südumfahrung. Aber auch grundsätzliche Fragen wie die Finanzierbarkeit des Landkreises oder die Wiederaufbereitung von Gülle fanden an dem Abend Gehör. Auf jedes einzelne Thema des Abend einzugehen, würde wohl den Rahmen dieser Zeitung sprengen. Deswegen soll versucht werden, einige grundsätzliche Linien des Gesprächs herauszuarbeiten.
Auffällig war bei vielen der anwesenden Bürgern, dass die Wahrnehmung des Gesprächsangebots im Burgtheater wie der letzte Versuch anmutete, sich Gehör zu verschaffen. Viele berichteten, dass sie ihre Anliegen seit langem verfolgen und bis jetzt wenig Erfolg verzeichnen konnten. Auch zeigten sich nicht wenige frustriert oder enttäuscht über den bisherigen Umgang mit ihren Problemen.
Die angesprochenen Politiker, allen voran Udo Witschas, brachten größtenteils ihr Verständnis für die Anliegen der Bürger zum Ausdruck und versprachen in den Fällen, die tatsächlich in der Zuständigkeit der Kommunen oder des Landkreises stehen, auch Abhilfe oder zumindest eine Prüfung der Sachlage. Bei nicht wenigen Anliegen konnte aber vonseiten der Politiker auf eine nicht bestehende Zuständigkeit der Kommunalpolitik verwiesen werden. Dieses Faktum sorgte dabei auch den ganzen Abend für eine etwas ernüchternde Atmosphäre. Denn wenn man unterstellte, dass viele Problemlagen der Bürger tatsächlich daraus resultieren, dass die übergeordneten Stellen im Land oder im Bund gewisse Entscheidungen getätigt haben oder eben nicht, bleibt die konkrete Frage nach der Zuständigkeit und damit auch Verantwortlichkeit unbeantwortet. Auch im tagtäglichen Gespräch mit der Bevölkerung kann man wahrnehmen, dass der Umstand, dass die „große“ Politik Probleme verursacht, für deren Lösung sich aber dann niemand verantwortlich zeigen will, bei nicht wenigen Bürgern für Resignation und Frustration führen. Im Laufe des beschriebenen Abends fiel dann auch von einem Einwohner das Wort „Scheindemokratie“, denn der „Bürger hat seine Steuern zu zahlen, aber zu sagen hat er nichts“, so ein Teilnehmer der Gesprächsrunde. Landrat Udo Witschas und die Bürgermeister der umliegenden Gemeinden machten an dem Abend durchaus den Eindruck, dass sie die Sorgen und Probleme der Bevölkerung ernstnehmen. Das konnte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie am Ende auch „nur“ Kommunalpolitiker sind, die genauso unter der Regierungsgewalt aus Dresden, Berlin und Brüssel stehen.
Den Beobachter macht dieser Umstand zumindest nachdenklich. Denn wenn die Menschen vor Ort nicht mehr selber bestimmen können, wie sie ihr Leben einzurichten gedenken, weil es irgendwo weit weg Funktionäre gibt, die das kleine Leben bis ins Detail regeln wollen, sich dann aber, wenn es um die negativen Auswirkungen und deren Probleme geht, wegducken oder einfach weit weg sind, dann kann man durchaus nachvollziehen, dass der eine oder andere Bürger sich unsanft an überwunden geglaubte historische Systeme erinnert fühlt. Eine freie und partizipative Gesellschaft, in der dem Bürger auch zugetraut wird, für sein Leben selber vernünftige Entscheidungen zu treffen, sollte zumindest eine andere Stoßrichtung haben. Ansonsten bleibt vorerst nur die Betrachtung und Beschreibung der Probleme, oder, um es mit dem Landrat zu sagen: „Wir wissen heute besser, wo der Schuh klemmt“. Vielleicht wissen wir auch irgendwann, wie es zu schaffen ist, dass der Schuh wieder passt.