Woran kränkelt die Bautzener Innenstadt?
Interesse? Mittlerweile warten in der Reichenstraße sechs Ladengeschäfte darauf, wieder mit Leben erfüllt zu werden. Foto: RK
Gut eine Hand voll leerstehender Geschäfte gähnt mittlerweile Passanten in Bautzens Fußgängerzone an. Und es könnten noch mehr werden rund um die Reichenstraße, befürchten Stadt und Einzelhandel. Die Probleme sind vielfältig, Lösungen eher begrenzt.
Um ein weiteres Ladensterben zu verhindern, werden für die Einkaufsstraße Lösungsansätze gesucht. Foto: RK
Bautzen. Jan Kubasch ist seit gut fünf Jahren im Geschäft. Nach den goldenen 90ern entschied er sich dazu, im Schuhbusiness sein Glück zu suchen. Das Internet war zu dieser Zeit keine ernstzunehmende Konkurrenz. Doch inzwischen hat sich das Blatt gewendet. Zu spüren bekommt das auch der Einzelhandel in Bautzens Innenstadt. Die Folgen sind unübersehbar. In immer mehr Schaufenstern lädt kein farbenprächtiges Angebot zum Einkaufsbummel ein. Vielmehr steht in großen schwarzen oder roten Lettern auf weißem Untergrund geschrieben: „Zu vermieten“. Das bereitet nicht nur dem studierten Betriebswirtschaftler Bauchschmerzen. Die Fahnenstange scheint noch nicht erreicht. „Wir müssen davon ausgehen, dass allein in unserem Geschäftsbereich in den nächsten vier bis fünf Jahren der Anteil der Onlinekäufer auf bis zu 60 Prozent steigen wird“, gibt der Unternehmer einen sorgenvollen Ausblick. „In dem Fall wäre eine Vielzahl von Schuhläden vom Aus bedroht.“
Damit es gar nicht erst soweit kommt, wollen Kommune und Innenstadtverein gegenlenken. So sollen die Rahmenbedingungen für Einzelhändler in der historischen Altstadt verbessert werden. Konkret ist die Rede davon, bei Vermietern und Immobilienbesitzern für eine Herabsetzung der zum Teil horrenden Mieten, wie Oberbürgermeister Alexander Ahrens sie bezeichnet, zu werben. „Die sind das größte Problem, das der hiesige Einzelhandel hat“, zeigt er sich überzeugt. „Wir verfügen vor Ort über keine Innenstadtlage wie am Kurfürstendamm in Berlin. Demzufolge können Hausbesitzer auch keine so hohen Mieten verlangen.“ Auf keinen Fall werde die Stadt Hauseigentümern öffentliche Gelder hinterherwerfen und somit die ohnehin schon schwierige Lage weiter anheizen. Alternativ, so führt der Rathauschef ins Feld, ließen sich durchaus andere Standorte wie die Wendische Straße entwickeln.
„Bautzen würde sich dafür eignen, hochwertige Nischenprodukte im Einzelhandel anzubieten.“ Doch solche Ladengeschäfte wachsen nun einmal nicht am Baum, schränkt er gleichzeitig ein. Umsetzbare Ideen sind gefragt. Die soll künftig ein so genannter Leerstandsmanager liefern.
„Wir haben die Stelle bereits geschaffen, sie muss nur noch mit der richtigen Person besetzt werden“, sagt Stadtsprecher André Wucht. „Zu einer der Hauptaufgaben des neuen Mannes oder der neuen Frau im Rathaus zählt, sich darüber Gedanken zu machen, für welchen Zweck sich nicht vermietete Läden nutzen lassen.“ Grundsätzlich sei die Verwaltung an einem funktionierenden Einzelhandel interessiert. Sie könne jedoch nur bedingt auf die Entwicklung Einfluss nehmen.
Jan Kubasch lobt die Initiative der Rathausmannschaft. Jedoch hat der Vorsitzende des Innenstadtvereins Zweifel daran, dass die Kommune auf diese Weise die Situation im Bautzener Zentrum tatsächlich in den Griff bekommt. „Um hier eine spürbare Verbesserung zu erreichen, bedarf es eines Annäherungsprozesses aller Beteiligten“, ist der 46-Jährige überzeugt. Stadt und all die Vereine, die sich mit der Entwicklung von Tourismus, Gastronomie und Handel befassen, müssten an einem Strang ziehen, um einem der größten Probleme dieser Zeit Herr zu werden. Citymanagerin Gunhild Mimuß und ihm schwebt in diesem Zusammenhang beispielsweise vor, Bautzen über die Landesgrenzen hinweg als Osterhauptstadt zu vermarkten.
Das Potenzial dazu habe die Spreestadt ohne Frage. Sie brauche ein Alleinstellungsmerkmal, um zusätzliche Besucher zwischen Wasserkunst und Reichenturm zu ziehen. Dass in punkto Fremdenverkehr Luft nach oben besteht, zeigt sich anhand einer Statistik. So lag die Auslastungsquote der 1.014 erfassten Betten im vergangenen Jahr gerade einmal bei 55 Prozent. In der Gesamterhebung nicht betrachtet wurden nach Auskunft der Stadtverwaltung Übernachtungsbetriebe mit bis zu zehn Betten. Ein Grund für die ausbaufähige Bilanz könnte sein, dass es in Bautzen an gemütlicher Hotellerie mangelt, startet Jan Kubasch aus eigener Erfahrung einen Erklärungsversuch. Und da schließt sich für ihn der Kreis: „Wenn der Tourist nicht gut essen beziehungsweise übernachten kann, wird er hier auch nicht shoppen gehen.“ Die heranziehbaren Zahlen untermauern diese Ansicht: Allein im Vorjahr warfen die Inhaber von neun Gastronomiebetrieben das Handtuch. Zum Vergleich: 2015 schlossen gar 14 Bars, Kneipen und Gaststuben ihre Türen für immer. Wie viele der 25 Neugründungen darunter waren, offenbart die Statistik nicht.
Gerhard Schwabe, scheidender Chef des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) Regionalverband Dresden, hat seine eigene Sicht auf die Dinge. „Nach wie vor findet der Gast in der Stadt ein sehr gutes und abwechslungsreiches Gastronomie- und Übernachtungsangebot vor.“ Gleichzeitig aber schränkt er ein: „Bautzen ist keine klassische Übernachtungsstadt.“ Das deckt sich mit einer Einschätzung der Situation durch die Stadtverwaltung. Demnach würden Herbergsbetriebe lediglich zu Stoßzeiten an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Unter anderem sei Ostern solch ein Zeitpunkt, an dem Übernachtungsmöglichkeiten schon einmal rar werden können. Der Innenstadtverein sieht Handlungsbedarf. Ziel sollte es schon sein, das gesamte Jahr über eine höhere Bettenauslastung zu erreichen. Und aus dem Rathaus heißt es dazu auf eine Anfrage des Oberlausitzer Kuriers: „Ein großes namhaftes Haus würde dem Standort guttun. Auf diese Weise ließe sich vor allem das Thema Gruppentourismus besser als bisher anfassen.“
Unabhängig davon werden Jan Kubasch und seine Mitstreiter nicht darum herumkommen, demnächst ihr Augenmerk wohl auch auf eine bislang eher weniger beachtete Zielgruppe zu richten. Sie ist jung, gebildet und recht mobil – Studenten der Bautzener Berufsakademie. „Die sehen wir hier im Zentrum so gut wie gar nicht“, muss sich der Unternehmer eingestehen. Hingegen würden Kooperationen von verschiedenen Einzelhändlern und ortsansässigen Schulen erste Früchte tragen. „Wir laden beispielsweise Gymnasiasten in unsere Geschäfte ein und vermitteln ihnen vor Ort entsprechende Informationen, damit sie sich für einen Handwerks- oder Dienstleistungsberuf hier in der Stadt begeistern können“, erläutert der Unternehmer einen Lösungsansatz, um die nach wie vor anhaltende Abwanderung junger Leute einzudämmen.
Unterm Strich lässt sich zusammenfassend sagen, dass sicherlich weitere Anstrengungen von Nöten sein werden, bevor der Einzelhandel im Bautzener Zentrum wieder an die goldenen Zeiten von einst anknüpfen kann. Eine Kombination aus allem, so sieht es auch Jan Kubasch, würde zumindest die Gefahr eines weiteren Aussterbens abwenden.“
Kommentare zum Artikel "Woran kränkelt die Bautzener Innenstadt?"
Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.
... da kann ich mir ein wenig Häme nicht verkneifen: Wo sind denn all jene geblieben, die immer verkündet haben, dass nur stark konzentrierter, zusätzlicher Einzelhandel genug Magnetwirkung bringt, um den alteingesessenen Einzelhandel zu retten?! Sicher suchen die Verantwortlichen (mittlerweile) an den richtigen Stellen die Mitschuldigen. Aber ob es bei mehr gemütlicher Hotellerie für Gruppentourismus auch mehr shoppende Übernachtungsgäste geben wird, darf bezweifelt werden.
Nun ist erst einmal blinder Aktionismus angesagt: Der sicher ganz nützlichen Citymanagerin wird noch ein Leerstandsmanager zur Seite gestellt und mit dem letzten Joker wird Bautzen zur Osterhauptstadt gemacht. Was kommt danach? Schließlich wäre da noch die Sache mit den Mieten: Wie gut helfen (fehlende) Einnahmen von Leerstand, Wackelkandidaten und drittklassige Marken beim Sanieren und Erhalten von Altbausubstanz? ... Ich habe die Lösung (leider Ironie): Reißt das Kornmarktcenter ab und lasst die 40 Läden frei! Sie werden sich eine neue Bleibe suchen - bei einem gesunden Mietniveau unterhalb der Centerkonditionen könnte das eine Win-Win-Situation werden!