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Zittaus Ex-Bürgermeister auf „Italientrip“

Zittaus Ex-Bürgermeister auf „Italientrip“

Werner Schnuppe, Zittauer Bürgermeister von 1972 bis 1977, besucht auch heute noch hin und wieder die Stadt Zittau wie hier bei einer Schenkung des Kupferstichs der Stadt Florenz. Foto: Städtische Museen Zittau

Werner Schnuppe, Bürgermeister der Stadt Zittau von 1972 bis 1977, war einer der Referenten beim Vortrag im Kulturhistorischen Museum Franziskanerkloster in Zittau „Eine historische Besonderheit. Die Städtepartnerschaft Zittau-Pistoia im Jahr 1971.“ Unser Redakteur Steffen Linke befragte den 81-Jährigen nicht nur zu diesem Kapitel der Stadtgeschichte, sondern auch zu jener Zeit seiner Regentschaft im Zittauer Rathaus. 

Herr Schnuppe, welche Eindrücke haben Sie von der Veranstaltung und der aktuellen Ausstellung „Von der Lausche zum Vesuv – Zittau und Italien vom 17. bis 21. Jahrhundert“ im Stadtmuseum Zittau mit nach Hause genommen?

Werner Schnuppe: Die Städtepartnerschaft Zittau-Pistoia lebt nicht nur fort, sondern hat ein anerkennenswertes hohes Niveau erreicht. Persönlich ist das ein Hochgefühl für mich, denn ich habe doch selbst ein Zehntel der 50-jährigen Geschichte mitgeschrieben. 

Am 20. April erlebte ich eine würdige Eröffnungsveranstaltung mit Persönlichkeiten beider Städte und zahlreichen interessierten Zittauern. Die Ausstellung „Von der Lausche zum Vesuv“ befindet sich im Einklang mit der Städtefreundschaft und weckte meine Neugier. 

Im Ausstellungssaal kam ich durch die verschiedensten italienischen Veduten sowie die zahlreichen Gemälde, Grafiken und Zeichnungen von ehemaligen Zittauern und weiteren Künstlern der Landschaft und dem Leben der Menschen in Italien wieder sehr nahe. 

Den Gestaltern der Ausstellung ist es durch Werke aus dem eigenen musealen Bestand und durch Leihgaben gelungen, an die Italiensehnsucht als schöpferische Triebkraft für Künstler aus unserer Oberlausitz zu erinnern. 
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Für manchen Besucher wird dies eine nachhaltige Anregung sein, Italien und Pistoia selbst kennenzulernen. 

Wie haben Sie damals in Ihrer Zeit als Zittauer Bürgermeister von 1972 bis 1977 die Partnerschaft zwischen Zittau und Pistoia erlebt?

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Werner Schnuppe (rechts) kam 1973 in Berlin mit Graciano Palandri, Vorsitzender der Freundschaftsgesellschaft Pistoia-Zittau, zusammen. Foto: Archiv

Werner Schnuppe: Die Partnerschaft ist bereits 1971 von meinem Vorgänger Hans Sperlich begründet worden. Den ersten Kontakt hatte ich mit Kindern aus Pistoia, die wenige Wochen nach meinem Amtsantritt zu dem vereinbarten Ferienaufenthalt angereist waren. In der Folge nahmen bis 1989 aus Pistoia 220 Mädchen und Jungen am Ferienlager der Robur-Werke teil. Vor allem der spätere Kulturstadtrat Günter Michna war als dessen Organisator mehr als ein Jahrzehnt der Garant für diese praxisnah gelebte Städtepartnerschaft. Jährlich zwei- bis dreimal besuchten uns Abordnungen von Ratsmitgliedern und der dortigen Freundschaftsgesellschaft Pistoia-Zittau sowie Persönlichkeiten und auch Jugendliche der Stadt. Hier stellten wir unsere Stadt und deren Zukunft vor. Besuche in Betrieben und Einrichtungen und die Teilnahme an Stadtfesten boten so unseren Gästen viel Gelegenheit, das Leben der Stadt kennenzulernen und mit Bürgern ins Gespräch zu kommen. Von besonderem Interesse war für unsere italienischen Gäste auch der Kontakt mit den Persönlichkeiten aus unseren Partnerstädten Bogatynia und Liberec. Unsere Möglichkeiten waren jedoch absolut beschränkt auf die Übersendung von Informationen aus dem Stadtleben Zittaus und unsere Rolle als Gastgeber. Gewissermaßen war es bei Begegnungen eine Einbahnstraße. Größte Schwierigkeit bereitete es, Antworten auf die wiederholt ausgesprochenen Einladungen zum Besuch Pistoias zu geben. Zunächst verwiesen wir auf die noch nicht erfolgte diplomatische Anerkennung der DDR durch Italien. Später war es der Hinweis auf die nicht konvertierbare Währung der Länder. Dahinter verbarg sich der Fakt, dass unsere zentralen Partei- und Staatsorgane im späteren Verlauf kein gesteigertes Interesse an dieser Städtepartnerschaft hatten und deshalb Valuten für uns nicht bereitstellten. 1975 präsentierten wir mit einer Ausstellung unser Zittau in Pistoia. Nicht ein Zittauer Repräsentant, sondern der 1. Dresdner Bezirkssekretär der SED, Hans Modrow, hat diese Exposition eröffnet. Das sagt wohl alles. Ich schätze positiv ein, dass unsere Städtepartnerschaft einen Beitrag zum Ausbau der kulturellen Beziehungen zwischen der Republik Italien und der DDR geleistet und zum friedlichen Zusammenleben und gegenseitigen Verstehens der Völker Europas beigetragen hat. Bestätigung hat dies durch die Fortsetzung der Städtepartnerschaft nach 1990 gefunden und deren Würdigung durch Zittaus Oberbürgermeister Thomas Zenker zur Eröffnung der Ausstellung am 20. April 2024. 

Wie erfolgte denn in Zeiten des Eisernen Vorhangs und vor E-Mail und SMS die Kommunikation zwischen beiden Städten?

Werner Schnuppe: Der Kontakt wurde zumeist mit persönlichen Briefen und Telegrammen vollzogen. In wenigen Fällen auch telefonisch, wobei ich einen Übersetzer an meiner Seite hatte. Hinzu kamen die persönlichen Gespräche mit Persönlichkeiten Pistoias, die in Zittau zu Besuch waren.

Sie konnten 1975 Pistoia auch einmal besuchen, was Otto Normalbürger damals verwehrt wurde. Inwieweit war das in jener Zeit eine andere Welt für Sie?

Werner Schnuppe: Als erster Gast aus der DDR wurde ich mit einer Delegation des Bezirkes Dresden zu einem offiziellen Empfang der Stadt in Pistoia begrüßt. Die Fahne der DDR wehte über dem Rathaus und Ehrenposten in Galauniform salutierten am Rathauseingang. Bürgermeister Francesco Toni, er gehörte der KPI an, informierte, dass mir zu Ehren Persönlichkeiten aus dem Stadtrat, aus der Wirtschaft und der Kultur sowie von der Provinzregierung Pistoia und von Dienststellen der Zentralregierung teilnehmen, darunter die Kommandanten der Steuereinnehmer und der Carabinieri. Einzig der „Faschistische Rat“ der Stadt hatte meinen Besuch und die Teilnahme am Empfang abgelehnt. In dem Sinn traf ich schon auf kommunaler Ebene auf eine andere Welt. Die zahlreichen freundlichen Gespräche und Begegnungen mit Persönlichkeiten, Unternehmern und den Arbeitern der Breda-Werke sowie die Besuche von kulturellen Einrichtungen und dem Zoo waren außerordentlich informativ. Beeindruckt war ich nicht nur von vollen Geschäften, sondern auch vom Gemüsemarkt, über den ich gemeinsam mit meinem Amtskollegen an diesem Tag schlenderte. Die kapitalistische Gesellschaft präsentierte sich hier von ihrer besten Seite. Andere Eindrücke gewann ich in den von mir besuchten Betrieben. In keinem davon gab es eine Betriebsküche. In der Mittagszeit wurde Essen im Pausenraum aufgewärmt oder Familienangehörige brachten es von zu Hause. So interessierte die Pistoiaer, wie das Betriebsessen und weitere soziale Themen bei uns gehandhabt werden. Hier waren wir für die Italiener mit den zum Beispiel kostengünstigen Angeboten von Plätzen in Kindereinrichtungen und zur Feriengestaltung für Kinder und Jugendliche weit voraus. 

Welche Erinnerungen haben Sie generell an Ihre Zeit als Bürgermeister der Stadt Zittau von 1972 bis 1977?

Werner Schnuppe: Nur sehr gute. Zittau entwickelte sich nicht nur, sondern stand auch mehr denn je im Blick der Republik und des Bezirkes Dresden. Mein Glück war es, genau in der Zeit tätig zu sein, in der die seit Jahren umfangreichsten Investitionen getätigt wurden und das Antlitz der Stadt zum Guten veränderten. Hier verweise ich vor allem auf die Maßnahmen, die für eine Stadtentwicklung wichtige Voraussetzungen sind. Vor Augen habe ich hier die Schaffung der zentralen Kläranlage in der Weinau, den Ausbau des Netzes der Fernwärmeversorgung entlang der Mandau, den Bau der Trinkwassertrasse aus Lückendorf und die Errichtung des Umspannwerkes in Süd. Für mich persönlich war es auch eine Genugtuung und Freude in meiner Familie, dass ich 1973 an der Berliner Humboldt-Universität meinen Diplomabschluss im Fernstudium erreicht hatte. Wenn ich dann nach dem Besuch der Bezirksparteischule der SED im Jahr 1978 als Abteilungsleiter beim Rat des Bezirkes Dresden zuständig für die Arbeit mit den Räten in den Kreisen, Städten und Gemeinden war, so wohl auch deshalb, weil den Verantwortlichen mein Drausendorfer und Zittauer Wirken in Erinnerung war. 1989/90 waren es wohl auch meine Zittauer Erfahrungen, die die Vertreter der sächsischen Bezirke und den Runden Tisch des Bezirkes Dresden veranlassten, mich mit der Leitung der Arbeitsgruppe Kommunale Selbstverwaltung für die Erarbeitung von Entwürfen zur Sächsischen Gemeindeordnung zu beauftragen. Mit dabei waren die Vertreter der Runden Tische des Kreises und der Stadt Zittau. Ich erinnere mich, dass auf deren Einladung am 10. Mai 1990, wenige Tage nach den ersten freien Kommunalwahlen, eine Tagung der Arbeitsgruppe im Zittauer Rathaus stattfand. Neben mir hatten Jürgen Kloß von der CDU und Lothar Alisch vom Neuen Forum, die Gewinner der Zittauer Wahl, Platz genommen. Damit war auch Zittau in der Kommunalen Selbstverwaltung angekommen.

Welcher Typ von Bürgermeister waren Sie damals?

Werner Schnuppe: Bereits aus meinen vorangegangenen kommunalen Funktionen als Drausendorfer Bürgermeister und als Stellvertretender Vorsitzender der Kreisplankommission Zittau hatte ich einen Leitungsstil entwickelt, der vor allem darauf zielte, zu lösende Aufgaben klar zu benennen und auf Eigeninitiative zu setzen. In der Stadt galt es, die Abgeordneten und Mitarbeiter des Rathauses zu gewinnen. Das erforderte meinerseits, ihnen viel zuzutrauen und Verantwortung für den eigenen Bereich zu übertragen. Dies war die Voraussetzung, dass die Betriebe und Einrichtungen die Stadt als verlässlichen Partner sahen und die Bürger in den verschiedensten Organisationen und in den Wohnbezirken einbezogen wurden. Überzeugen und gewinnen, statt dekretieren – das war mein Stil. Beispielsweise traf ich mich regelmäßig mit den Schuldirektoren, nachdem ich mich jeweils vorher in einer Schule umgesehen hatte. Das zahlte sich aus. Am Ende meiner Amtszeit hatte sich die Versorgung mit Schulessen verbessert und umfangreiche Sanierungsarbeiten an den Dächern und in Toiletten der Schulgebäude waren erfolgt. 

Welchen Herausforderungen hatte sich die Stadt Zittau unter Ihrer Regentschaft damals zu stellen?

Werner Schnuppe: Für Zittau waren die 70er Jahre bis 1977 Zeiten des städtischen Umbaus und der Modernisierung. Es galt, vom Verwalten zum Gestalten der Stadt überzugehen und die Ziele bis 1990 abzustecken. Das war eine interessante Aufgabe, da in dieser Zeit mehrere Beschlüsse der zentralen Partei- und Regierungsorgane direkte Auswirkungen auf das Zittauer Territorium hatten. Beispielsweise der Anschluss des ehemaligen VEB Textima an die VEB Robur Werke. Zittau wurde mit der Ingenieurhochschule für Energiewirtschaft und der Offiziershochschule Hochschulstadt. Am 1. August 1972 wurde an der Chopinstraße der Grenzübergang zum visafreien Grenzverkehr mit Polen geöffnet. Damit wurde Zittau zur Stadt am Dreiländereck mit dem langersehnten einfachen Grenzverkehr und den Bürgerbegegnungen. 1972 und 1973 erfolgten Städtepartnerschaftsverträge mit Bogatynia in Polen und mit Liberec in der CSSR. In diese Zeit fallen erhebliche Investitionsvorhaben im Wohnungs- und Gesellschaftsbau und in der Technischen Infrastruktur. Mit vielen Bürgern, vor allem Kindern und Jugendlichen, habe ich mich gefreut, wenn in meiner Amtszeit über 1.200 Neubauwohnungen übergeben wurden, zwei Mittelschulen und drei Kindereinrichtungen ihren Betrieb aufnahmen und die Sanierung des Rosa-Luxemburg-Heims für Senioren erfolgte. Allerdings bekam ich auch die Kehrseite dieser sichtbaren positiven Entwicklungen zu spüren. Während fast täglich Möbelwagen vor den Neubauten in Zittau-Süd entladen wurden, nahmen die Eingaben von Bürgern zu, die weiterhin in heruntergekommenen Häusern der Innenstadt wohnten und auf Veränderung drängten. Ein Widerspruch, der noch seiner Lösung harrte. Die interne Stadtplanung war so weit fortgeschritten, dass wir bis 1990 circa 6.000 Wohnungen im Neubau und in der Altbaumodernisierung anvisierten. Die Einwohnerzahl von circa 50.000 wäre dann erreicht worden. Doch im Frühjahr 1977 platzten dann alle Pläne und auch mancher Wunschtraum. Ein Horrorszenarium der Regierenden erreichte unsere schöne Stadt und wurde bis 1990 Realität. Die Erweiterung des Braunkohletagebaus Olbersdorf war beschlossen worden. Meine Erinnerung an diese Tage und Wochen, kurz vor Beendigung meiner Amtszeit, waren nicht nur für die vom Wohnungsabriss betroffenen Zittauer schlimm, sondern für die ganze Stadt. Der jeweilige Bürgermeister an der Spitze musste damit sofort und in den künftigen Jahren fertig werden.

Wie verbunden sind Sie heute noch mit der Stadt Zittau?

Werner Schnuppe: In Zittau und auch in Drausendorf, wo ich von 1965 bis 1968 Bürgermeister war, habe ich einen Freundeskreis, der zu manchem Besuch im Jahr führt. Seit Jahren nehme ich auch an den Jahrestreffen vormaliger Mitarbeiter aus dem Rathaus teil. Hinzu kommen noch Fahrten mit Dresdnern, die sich für das Zittauer Gebirge interessieren und die ich begleite.

Sie scheinen im betagten Alter noch sehr fit zu sein. Was tun Sie dafür?

Werner Schnuppe: Schwimmen ist der Sport, den ich seit meiner Olbersdorfer Kindheit betreibe. 500 Meter Brust- und 100 Meter Rückenschwimmen ist mein Soll, welches ich bis zu zweimal in der Woche im naheliegenden Hallenbad absolviere. 
Dazu kommen regelmäßige Ausflüge und manche Fußmärsche durch schöne Stadtteile Dresdens.

Anmerkung: Werner Schnuppe, geboren am 23. August 1942 in Olbersdorf, wohnt in Dresden, hat einen Sohn und zwei Enkelinnen im Alter von 13 und 8 Jahren. 

Steffen Linke / 29.06.2024

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