Zum Muttertag: Plädoyer für Großelterntag
Enkel lieben es mit den Großeltern die Welt zu erkunden. Der Oma und dem Opa hört man einfach zu! Foto: Klaudia Kandzia
Region. Jedes Jahr feiern wir Mutter- und Vatertag, um Eltern unsere Dankbarkeit zu zeigen, die uns das Leben geschenkt haben und uns immer weiter unterstützen, bis wir auf eigenen Beinen stehen – und auch dann sind wir nicht auf uns allein gestellt.
Dieses Jahr werden wir am 9. Mai den Muttertag und am 20. Juni den Vatertag, den eigentlichen Christi-Himmelfahrt-Festtag, begehen. Und das ist gut so, dass wir unsere Eltern ehren und feiern. Schon im Dekalog ist die Elternehrung fest verbrieft und zum Gebot erhoben.
Doch wie schaut es mit unseren Großeltern aus? In einigen Ländern gibt es einen Gedenktag für Großmütter, in anderen gibt es wiederum getrennte Gedenktage für Großmütter und Großväter. Weltweit gibt es nur in sehr wenigen Ländern auch einen Großelterntag. Dies ist im deutschsprachigen Raum jedoch kaum bekannt und wird nicht praktiziert, lediglich in der Schweiz wird seit 2016 ein solcher Gedenktag gefeiert. Großeltern haben aber eine bedeutsame Rolle in der Familie: Frei von erzieherischen Pflichten, aber dafür reich an Lebenserfahrung, finden sie oft einen besonderen Zugang zu den Enkeln.
Dass es bei Oma und Opa immer schön ist, das Essen am besten schmeckt und nur gespielt wird, ist sicher eine humorvolle Übertreibung der kindlichen Erinnerung. Aber es ist wahr, dass das Verhältnis zwischen Großeltern und Enkeln ein ganz Besonderes ist – es ist frei von Druck und geprägt von Unbeschwertheit. Gerade darum haben die Großeltern in der Erziehung und Prägung ihrer Enkel eine wichtige Rolle und ein großes Privileg, das ausgenutzt werden will. Großeltern sind nämlich Zeugen der Vergangenheit und Zeugen der Gegenwart. Das, was auf der politischen Bühne von der großen Geschichte gilt, ist auch im Kreis der Familie wahr, wenn die Großeltern zu „Rednern“ werden und ihre Geschichte teilen. Wenn Großeltern etwas aus ihrem Erfahrungsschatz teilen, dann können sie das viel besser und entspannter angehen als die Eltern, die die Zügel der Erziehung immer etwas straffer halten müssen.
Natürlich geht es mir als Geschäftsführer der Landsmannschaft Schlesien hier besonders um die geschichtliche Erziehung im Sinne der Wissensvermittlung um Schlesien, aber nicht nur, denn auch die religiöse Erziehung spielt – so meine ich – eine wichtige Rolle. Großeltern können den Enkeln in dieser Hinsicht immer etwas auf den Lebensweg mitgeben, das sich prägnant auswirken kann. Großeltern sind wunderbare Zeugen der Vergangenheit, da sie lebendig und ungezwungen von ihrer eigenen Kindheit erzählen können. Die Berichte der Großeltern haben meistens dabei keine belehrende Absicht, sie sind einfach die Wiedergabe der Familiengeschichte. Gerade weil es nicht um Belehrung geht, wird dieser Erfahrungsschatz prägnant und anregend. Das Zeugnis der Vergangenheit ist daher bereichernd und authentisch in der Wahrnehmung, auch wenn subjektiv, dafür familiär.
Aber das würde viel zu wenig sein, wenn nicht das Zeugnis der Gegenwart hinzukäme. Gerade bei vielen Großeltern aus Schlesien wird die Heimat in der Gegenwart gelebt. Teilweise geschieht es „im stillen Kämmerlein“, unbewusst und unbemerkt, es fängt in der Küche an, indem schlesische Gerichte zubereitet werden, und endet in der Alltagstradition der jahreskreisbezogenen Feste. Dieses Zeugnis ist wichtig, denn diese kleinen Dinge des Lebens werden von Kindern und Enkeln weitergetragen. Man muss keine akademische Ausbildung haben, um einfache Lebens- und Geschichtswahrheiten, auch die über Schlesien, zu vermitteln. Man muss keinen festen Lehrplan haben, um etwas weiterzugeben. Um echte Großeltern zu sein, braucht man nur Wertvorstellung, Geschichtswissen und Begeisterung.
Sehr oft erreichen die Landsmannschaft Schlesien Zuschriften von Enkeln, die gern etwas mehr über ihre Großeltern erfahren wollen, ihnen zu deren Lebzeiten aber nicht zugehört haben. Hier muss man bedauerlicherweise sagen, diese jungen Menschen haben ihre einmalige Chance verpasst. Eine zweite Chance gibt es nicht. Auch darum sollten die Großeltern ihre Enkel bitten, die „moderne Technik“ so einzurichten, dass sie, möglichst gemeinsam, an dem coronabedingten „Ersten Digitalen Deutschlandtreffen der Schlesier“ am 26. Juni teilnehmen können.